Erwachen in Nantes

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Erwachen in Nantes

Das kleine Rettungsboot trieb auf der Wasseroberfläche hin und her. Sanft wogen die kleinen Wellen gegen das alte Holz. Nach wenigen Minuten schlug das Boot hart gegen den Kai, woraufhin der Mann – so seltsam gekleidet, wie er war – die Augen öffnete. Verwirrt setzte sich der werte Herr auf und sah sich um. Das war nicht Tortuga. Auf keinen Fall. Die Häuser waren viel zu groß. Und es war laut. Er stellte sich vorsichtig ins Boot und stieg auf festen Boden. Wo war er?

Captain Jack Sparrow zuckte stark zusammen, als etwas Wasser auf ihn niedertröpfelte. Der Himmel war wolkenfrei. Dann traute er seinen Augen kaum. Ein Elefant näherte sich ihm. Menschen saßen... in ihm? Und er versprühte Wasser. Das war verwirrend. Jack ging einige Schritte, weg von diesem Monstrum am Hafen. In letzter Sekunde konnte er noch ausweichen, sonst wäre er mit einem Blechhaufen auf Rädern kollidiert. War das ein besonderes Modell einer Kutsche? Es war schneller, und leiser. Zudem hatte es keine Pferde eingespannt. Über den Straßen – gepflastert mit einem glatteren und schöneren Material als Stein – hingen seltsame Kästen, die in verschiedenen Farben abwechselnd leuchteten.

Wo war er? Er entdeckte einen Schriftzug über einem Geschäft. ‚Incroyable', also war er in Frankreich. Am Straßenrand stand ein Schild. ‚Nantes'. Okay, das kam unerwartet. Wieso war er hier? Er ging noch einmal den Vorabend in Gedanken durch.
Er hatte diese Frau getroffen. Wie hieß sie noch gleich? Ah, ja! Metrala.
Sie hatten sich unterhalten und dann hatten sie was getrunken. Dann hatte sie ihn zum Wasser gebracht und in das Boot gestoßen. Und dann war er eingeschlafen. Geschlafen? Hatte er wirklich geschlafen? Was war denn bloß passiert, dass er plötzlich hier in Nantes rumhing?

Plötzlich befand er sich in einer Gruppe von Menschen. Sie gingen spazieren. Mit seltsamen Stöcken in den Händen. Sie stellten sich unter einen dieser seltsamen Kästen und warteten. Das grüne Licht blinkte auf und sie gingen los. Jack schloss sich ihnen an. Auf der anderen Straßenseite war es auch nicht besser. Immer noch orientierungslos stand er am Straßenrand.
Ein Blechhaufen hielt neben ihm.

„Bonjour monsieur, est-ce que je peux vous aider? (Guten Tag, kann ich Ihnen helfen)", fragte der Mann aus dem Inneren des Fahrzeugs. Jack sah ihn verwirrt an. Fremdsprachen waren noch nie seine Stärke gewesen. Bis auf diese Kannibalen-Sprache, die war ziemlich einfach gewesen.
„Sir, Sie sprechen Französisch nicht?", fragte er mit starkem Akzent.
„Nein", antwortete Jack. Was trug dieser Mann nur? Eine blaue Stoffhose, sie sah bequem und gleichzeitig anständig aus. Dazu ein kurzärmliges, weißes Hemd ohne Kragen. Er trug eine Brille mit dunklen Gläsern und hatte Tattoos auf den Armen.
„Oh, pardon. Sie sind hier wegen Festival, richtig?", fragte er.
Noch mehr Verwirrung breitete sich in Jack Sparrow aus. Welches Festival.
„Könntet Ihr mich dorthin bringen?"
„Bien sûre! (Natürlich) Einsteigen", befahl er. Es war kein wirklicher Befehl. Eher eine Aufforderung.
„Wie?"
„Sie machen Tür auf und dann rein. Sie nie fahren Auto?", fragte er und bekam einen kleinen Lachanfall. Auto. So nannte man dieses überaus dubiose Gefährt also.

Jack bekam die Tür nach wenigen Versuchen auf und setzte sich hinein. Der Mann brachte da Auto in Bewegung.
„Ihr Kostüm ist très bien! (sehr gut)", er bog ab.
„Welches Kostüm? Ich trage kein Kostüm, klar soweit?"
Er kicherte. „Aber natürlich, Sir. Man, Sie sind gut! Sie reden sogar wie ihm."
„Wie wer?"
„Wie Captain Jack Sparrow"
„Woher kennt Ihr mich?", reichte sein Ruf jetzt schon bis nach Frankreich? Unglaublich.
„Sie doch nicht. Aber Sparrow kennt doch jeder! Jeder, der heutzutage auf die Kinos achten, kennt Sparrow."
Kinos? Was war das denn jetzt schon wieder?
„Ah, wir sind da! Für ihr incroyable Kostüm war Fahrt kostenlos."
„Aye?"
Der Mann lachte. „Aye."
Jack stieg kopfschüttelnd aus. Was lief hier nur falsch? Ihm stockte der Atem, als sich ihm etwas Unglaubliches zeigte.

Reddonksboudt of Doom / Ein Pirat im 21. JahrhundertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt