16. Türchen - 2012: An einem pinken Bändchen

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Kim Taehyung wusste, dass er ein Problem hatte. Dieses war noch ein paar Zentimeter größer als er, studierte schon und hörte auf den wundervollen Namen Kim Seokjin. Sein älterer Bruder hatte ihn vor ein paar Tagen 'nur um einen Stift' fragen wollen und war einfach in sein Zimmer gegangen, als der fast Siebzehnjährige nicht da war. Leider hatte Seokjin, neugierig wie immer, Taehyungs Schulsachen dabei genaustens inspiziert.

Im Abschlussjahr lernte er nun mal besonders viel und ließ daher am Wochenende öfters seine Sachen mitten auf dem Schreibtisch liegen. Seokjin hatte angeblich nur wissen wollen, was Taehyung aktuell lernte und hatte die Hefte aufgeschlagen. Alle Hefte. Wirklich alle.
Und dabei hatte er das größtes Geheimnis seines kleinen Bruders herausgefunden.

Als der Jüngere in sein Zimmer gekommen war, wurde er von einem breit grinsenden Seokjin, aka das Problem, empfangen und mit seinem Geheimnis konfrontiert: "Du steht auf Jungkook?"
Es war wirklich erniedrigend gewesen, aber Taehyung hatte seinen großen Bruder auf Knien bettelnd angefleht, seinem Crush nichts von den Herzchen Kritzeleien zu sagen. Doch all seine Argumente brachten nichts. Weder, dass er für Jungkook nur ein 'großer Bruder' war, noch, dass dieser sicherlich nicht auf ihn, Taehyung, stehen, beziehungsweise seine Gefühle erwidern würde.
Letztendlich hatte ihre Mutter, ein Machtwort gesprochen, aber nun wusste auch sie über Taehyungs Verliebtheit bescheid. Peinlich, aber immerhin würde Seokjin jetzt die Klappe halten und nichts erzählen.

Allerdings würde das den Studenten nicht aufhalten, etwas zu versuchen. Schubsen oder ähnliches war zwar kindisch, aber es handelte sich schließlich um Kim Seokjin - dem größten Kindskopf der Welt. Der Taehyung immer wieder Bilder von Essen schickte 'weil das so lecker aussah', oder furchtbare Flachwitze erzählte, nur um dann selber darüber zu lachen.

Heute würde das traditionelle Essen mit den Jeons stattfinden, also würde Jungkook auf Seokjin und dessen bescheuertes Grinsen treffen. Da er ihn und seine Eigenheiten ebenfalls schon sein ganzes Leben kannte, würde er natürlich wissen wollen, was wieder los war. Taehyung wurde schon seit Tagen anders, wenn er daran dachte. Was sollte er denn auch dazu sagen? Weder wollte er seinen heimlichen Schwarm anlügen, noch mit der Wahrheit herausrücken. Entweder ihm kam blitzschnell eine Ausrede in den Sinn, oder die halbe Wahrheit musste her: das Kim Taehyung verknallt war.

Wobei, das wäre nichts neues. Allerdings war die Schwärmerei für seinen Mathe Nachhilfelehrer, Park Bogum letztes Jahr, nichts im Vergleich zu den Gefühlen, die Jeon Jungkook bei ihm auslöste. Bogum war gutaussehend, charmant und nett gewesen, dementsprechend wohl hatte sich Taehyung bei ihm gefühlt.

Bei Jungkook hingegen war er nervös, innerlich aufgekratzt, es kribbelte am ganzen Körper und wirkliche komplexe Gedanken waren nicht mehr drin.
Denn die Pubertät hatte bei dem Fünfzehnjährigen mächtig zugeschlagen. Wenngleich Taehyung schon immer Jungkook als besonders schön empfunden hatte, konnte man den Teenager nun nur noch als atemberaubend bezeichnen und es würde wahrscheinlich immer schlimmer werden. Und mit dieser Meinung stand Taehyung definitiv nicht alleine da. Obwohl Jungkook nicht mal in seiner Jahrgangsstufe war, schwärmten selbst die Mädchen aus seiner Stufe von dem 'gut aussehenden Jeon'.

Das Essen verlief zum Glück ruhig, auch wenn Taehyung die Blicke seines heimlichen Schwarms auf sich spürte. Aber Seokjins Grinsen war so speziell, dass es einfach nicht zu übersehen war. Außerdem hatte sich der Älteste genau gegenüber von Taehyung und Jungkook gesetzt und wackelte jedes mal mit den Augenbrauen, wenn Kim Bora oder Jeon Jia nicht hinsahen. Also öfters.

"Hyung. Alles okay?", traute sich der Jüngste der Runde vor dem Dessert zu fragen, doch Seokjin kommentierte die Frage nur mit einem erneuten Augenbrauenwackeln.
"Aber natürlich, Jungkook, nett dass du fragst. Bei dir auch alles fit im Schr....", setzte der Student dann doch an, wurde aber direkt von einem sehr lauten "KIM SEOKJIN!", unterbrochen. Kim Bora sah ihren Ältesten wütend an und zog diesen an seinem Ohr vom Stuhl hoch.
"Du hast Küchenarrest und darfst das Geschirr von Hand spülen! JETZT!", bestimmte Bora schimpfend und Seokjin ergab sich, natürlich lautstark jammernd, seinem Schicksal. Aber mit der eigenen Mutter diskutieren, dass man Erwachsen war, wenn man bei dieser zum Weihnachtsessen eingeladen war? Nein Danke, das war aussichtslos.

Und Jungkook? Der war jetzt noch mehr verwirrt. Trotzdem seufzte Taehyung erleichtert auf und flüsterte seinem jüngeren Freund ein: "Ich erklärs dir später...", zu.
Der Fünfzehnjährige nickte und schweigend aßen sie das leckere Eis. Sie teilten sich sogar die Portion des verbannten Studenten.

Das Seokjin jetzt bestraft war, ließ den kleinen Bruder unvorsichtig werden und als er und Jungkook nachfragten, ob sie vom Tisch aufstehen dürften, geschah es. Sie wollten nacheinander durch die Türe des Esszimmers gehen um über den Flur zu Taehyungs Zimmer zu gelangen, als Jia sie plötzlich aufhielt: "Jungs!"
Taehyung blieb im Türrahmen stehen und drehte sich zu dem Tisch zurück, nur um dem ausgestreckten Finger von Jungkooks Mutter zu folgen, welcher direkt über die beiden Jungs deutete.

Und da erkannte er seinen Fehler: Dort hing er und baumelte ganz unscheinbar direkt über ihren Köpfen: Ein Mistelzweig. Taehyung war sich sicher, dass dieser heute Mittag noch nicht dort gehangen hatte. Vielleicht hatte Seokjin ihn auch erst eben heimlich angebracht, bevor er in die Küche gegangen war. Es roch auch sehr verdächtig nach dem Student und passenderweise war die unschuldige Pflanze mit einem pinken Schnürsenkel und Klebeband befestigt, als hätte man sie hastig in Eile aufgehängt.
"Jin...", murmelte auch Jungkook direkt, denn es gab nur eine Person in diesem Haushalt, die der Farbe Pink etwas abgewinnen konnte und diese war gerade am Spülen.

"Es ist Tradition", stieg nun auch Bora mit ein und grinste den Söhnen ungeniert ins Gesicht. Taehyung wusste eines - seine Mutter hatte Seokjin insgeheim die ganze Zeit unterstützt. "Küssen!", machte Jia weiter und als Taehyung sich zu Jungkook hin drehte, meinte er aus dem Augenwinkel heraus eine Kamera zu sehen.
"Na komm Hyung, es ist nur ein Kuss... ", lächelte nun auch der Fünfzehnjährige und strich ihm mit seinem Zeigefinger unter dem Kinn her. Diese eigentlich vertraute Geste sorgte für ein heftiges ziehen im Bauch des Älteren.
Der fast Siebzehnjährige schluckte, hoffentlich unbemerkt, seine Nervosität herunter und zwang sich ebenfalls zu lächeln. Immerhin bekam er Dank seines großen Bruders die Chance, Jungkook wenigstens einmal in seinem Leben küssen zu können.

Beide Teenager beugten sich leicht zueinander vor und Taehyung konnte es nicht unterdrücken, angespannt die Luft anzuhalten bis sich ihre Münder endlich berührten. Er konnte gerade noch verhindern, dass er aufseufzte, denn die Lippen des Jüngeren waren weich, warm und passten einfach perfekt auf seine. Es kribbelte angenehm auf Taehyungs Lippen und in seinem Bauch breitete sich eine angenehme Wärme aus. Der fast Siebzehnjährige hätte ewig so weitermachen können und hätte den Kuss am liebsten in diesem Moment intensiviert. Er wollte sein Gegenüber gerade näher an sich heranziehen - zu lange hatte er von dieser Situation geträumt - als er von einem "Ahh wie süß!", und "Unsere Kleinen sind Erwachsen geworden!", wieder zurück in die Realität geholt wurde.

Die beiden Teenager lösten sich hastig voneinander, doch ehe eine seltsame Situation entstehen konnte, schnappte sich der Ältere Jungkooks Hand und zog ihn hinter sich her in sein Zimmer. Keiner von beiden sprach den Kuss danach an und so erfuhr Taehyung nicht, dass der Jüngere gerne ebenfalls weitergemacht hätte. 

Taekook: eine WeihnachtsreiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt