17. Türchen - 2013: Mehr Schein als sein

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Dieses Weihnachten konnte Taehyung bisher leider überhaupt nicht genießen. Es lag nicht daran, dass er endlich die Schule abgeschlossen hatte und nun ein Jahr lang freiwillig in einem Kinderheim arbeitete, bevor er studieren wollte. Nein, es lag daran, dass Jungkook in einer Beziehung war. Und das leider nicht mit ihm.

Jungkook war von einer seiner Klassenkameradinnen bedrängt worden und konnte nichts dagegen tun. Denn der Teenager konnte es einfach nicht: Nein sagen. Generell hatte der Sechzehnjährige eine leichte Panik vor Mädchen. Ja, er konnte sich mit ihnen Unterhalten, aber nur wenn er musste und wusste, dass einer seiner Hyungs da war, um ihn im Notfall zu retten. Die blöde Tusse, Taehyung sah es nicht ein sich ihren Namen zu merken, hatte Jungkook nach der Schule abgefangen, und vor ein paar anderen Mädchen einfach lautstark verkündet, dass 'der süße Stecher' ihr Freund wäre. Und seitdem war Jungkook in festen Tussen Händen, weil er es nicht über sich brachte, einfach mal klar und deutlich Nein zu sagen. Wobei Taehyung schon mehrfach auf die 'Dates' mitgeschleift worden war und immer wieder miterlebt hatte, wie der Sechzehnjährige versucht hatte, dem Mädel klar zu machen, dass er schwul war. Aber leider stieß er auf taube Ohren.
Also hatte Jungkooks Mutter beschlossen, die Sache selber in die Hand zu nehmen und die Tusse kurzerhand eingeladen.

Es war kurz nach Weihnachten und Taehyung zählte eigentlich nur die Tage bis zu seinem Geburtstag.
Jetzt saß er, zusammen mit Namjoon, als moralische Unterstützung für Jungkook, am Esszimmertisch der Jeons und wartete auf das Erscheinen der blöden Kuh. Jungkook hatte seiner Mutter gesagt, dass sie es bitte nicht all zu böse machen sollte, wehrte sich aber auch nicht allzu groß dagegen. Wenn Jia sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog sie das auch durch.

"Und wenn sie nicht auftaucht?", fragte Namjoon sachlich, denn immerhin war die Gute schon ein paar Minuten zu spät.
Aber Jia schüttelte den Kopf, als sie die Frage beantwortete: "Es scheint in Mode zu sein, etwas zu spät zukommen. Wenn sie so ist, wie ihr sie beschrieben habt, lebte dieses Kind diesen Grundsatz, dass das Beste zum Schluss kommt, was laut ihr dann ja sie wäre..."

Keine zwei Minuten später klingelte es dann auch endlich an der Tür und Jungkook ging, um diese zu öffnen. Taehyung stand reflexartig auf, um mitzugehen, wurde jedoch von Namjoon direkt daran gehindern, da bereits Jia ihrem Sohn hinterher eilte.
"Setz dich. Es wird alles gut werden, ich hab nen Plan.", sagte der Ältere und der fast Achtzehnjährige entspannte sich etwas. Der Student war nicht nur sein bester Freund, dem er als einzigem freiwillig von seiner Verliebtheit in Jungkook erzählt hatte, sondern auch hochintelligent. Wenn Kim Namjoon also einen Plan hatte, war dieser gut durchdacht und logisch.

Jungkook trat wieder ins Esszimmer, dicht gefolgt vom puren Bösen: Geschminkt, als würde sie direkt aus dem horizontalen Gewerbe stammen und Kleidungstechnisch noch schlimmer als so manch leichtbekleidetes K-Pop Idol, mit einem sexy Konzept, grüßte sie mit schriller, lauter Stimme: "Hallo Jungs. Mein Stecher hat mir ja gar nicht gesagt, dass ihr auch hier sein werdet."
Höflichkeitsfloskel gleich null. Anstand hatte diese Dame nie besessen und Jias Beschreibung von 'Kind' passte viel besser, als alle bösen Namen, die Taehyung sich hätte ausdenken können. Sie setzte sich einfach ungefragt Taehyung direkt gegenüber und Jungkook hatte die Qual der Wahl. Schlussendlich entschied er sich für den diplomatischen Weg und setzte sich an den Kopf des Tisches, sodass er quasi sowohl neben Taehyung, als auch neben der Tusse saß. Namjoon zeigte sich von seiner besten Seite und lächelte das Mädchen charmant an. Dieser alte Casanova.

"Hi, ich bin Kim Namjoon. Und du bist...?", fragte er freundlich, aber wer ihn näher kannte, merkte an seinem Unterton in der Stimme, dass der Student die Frage eigentlich mehr als Beleidigung meinte. Schließlich hatte er ein fotografisches Gedächtnis und hätte sich ohne Probleme merken können, wie die Göre hieß, aber sie war es schlicht und ergreifend einfach nicht wert, dass man sich ihren Namen merkte.
"Hi, ich bin Jeongyeon. Hat mein Stecher euch nichts erzählt?", antwortete sie lieblich und klimperte mit den überlangen falschen Wimpern. Jeon Jia hielt eisern durch, nur das falsche Lächeln auf ihrem Gesicht verbarg ihren Ärger.
"Bitte Jeongyeon, ich hab dich gebeten, mich nicht so zu nennen. Und wir sind auch immer noch nicht zusammen", erwiderte Jungkook und erntete ein mädchenhaftes Kichern von seiner Klassenkameradin.
"Du und deine Scherze, Stecher. Natürlich sind wir das, sonst würdest du mich doch nicht deiner Familie vorstellen! Immerhin wirst du der Vater meiner Kinder sein", sagte die Tusse und legte ihre Hände theatralisch an ihren offensichtlichen Push-Up BH. Deren Inhalt war wohl auch eindeutig so echt, wie ihre aufgeklebten Wimpern, denn als sie an dort hin packte, gab es ein seltsames Geräusch von quietschenden Plastikeinlagen. Taehyung verdrehte die Augen und Jia schnaubte nur.

"Und wie genau willst du das machen, wenn mein Sohn mehr als offensichtlich schwul ist? Welche Absurdität verlangst du als nächstes? Soll er dir Tiernamen im Bett geben?", erwiderte die Frau des Hauses und zeigte ihre Verachtung und Namjoon sprang direkt darauf an: "Bestimmt sowas wie 'Nenn mich Schmetterling'"
Die, dessen Namen Taehyung schon wieder vergessen hatte, schlug empört eine Hand auf den Tisch, als sie aufgebracht antwortete: "Mein Stecher ist ganz sicher nicht schwul, schließlich lieben wir uns und ihr habt nur was gegen unsere Liebe, weil ihr nicht akzeptieren könnt, dass er jetzt nur noch mich liebt! Und außerdem, wenn dann wären es böse Tiernamen!"

Jia hob eine Augenbraue: "Ach ja? Böser Schmetterling? Namjoon, wie hälst du das nur mit so Koknitiv suboptimierten Daseinsformen aus? Ich mein, sie ist schon echt hart dämlich...", wandte sich die Frau an den Student und dieser schien zu überlegen, als er ernsthaft antwortete: "Rein theoretisch unmöglich, aber ich habe Jahrelange übung! Sonst würde ich auch schon heulend in der Ecke sitzen, bei so viel Dummheit..."
Die blöde Kuh schnappte erbost nach Luft. "Wie redet ihr denn von mir! Ich bin schließlich Jungkooks Freundin!", versuchte sie zu bestimmen und wollte nach Jungkooks Hand greifen. Doch dieser rutschte sofort panisch mit seinem Stuhl von ihr, direkt zu Taehyung, denn er wollte offenbar nur eines - weg. Der Ältere packte ihn kurzerhand an seiner Hüfte und zog ihn direkt auf seinen Schoß. Dabei drehte er sich von dem aufdringlichen Mädchen weg, als wolle er den Kleinern mit seinem Körper vor einer Gefahr abschirmen.

"Es reicht jetzt! Du wirst meinen Sohn absofort in Ruhe lassen. Ich habe bereits deine Eltern informiert, diese holen dich gleich ab. Näherst du dich Jungkook noch einmal, verklage ich dich. Außerdem ist Jungkook seit Jahren in einer glücklichen Liebesbeziehung mit Taehyung. Da beide sich lieben, wollen sie kein aufsehen erregen und hatten gehofft, dass du so zur Vernunft kommst. Also meine Liebe: Mein Sohn ist schwul, in einer Beziehung und du wirst am besten eine Therapie machen!", beendete Jeon Jia ihren Vortrag.

Schlussendlich setzte Namjoon noch einen drauf, als er ihr stolz das Kuss-Foto vom letzten Jahr unter dem Mistelzweig präsentierte.
Tatsächlich sah das Foto aus, wie das eines Liebespaares, denn auch die Pflanze war nicht zu sehen.
Völlig außer sich stand Jeongyeon schließlich auf und stürmte aus der Wohnung.

"Danke Eomma", sagte der Sechzehnjährige und seufzte erleichtert auf. Jungkook war endlich wieder Single und das er mit seinem besten Freund als Paar betitelt worden war, ließen die Teenager einfach unkommentiert. Dennoch konnte es sich der Ältere nicht nehmen lassen, glücklich mit seinen Fingern über Jungkooks Kinn zu streichen. Es war eine liebgewonnene Geste geworden, auch wenn der Ältere sich in den letzten Wochen kaum noch getraut hatte, diese anzuwenden.

Taekook: eine WeihnachtsreiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt