John PoV
Es war später Vormittag, als ich im Taxi zurück in die Bakerstreet saß und nachdenklich auf den Boden sah. Der Abend bei Vera war bei zwei Gläsern Wein ausgeklungen, sie hatte die ganze Zeit so viel erzählt, dass ich kaum etwas zum Gespräch beitragen musste, was allerdings dazu geführt hatte, dass ich weiterhin über die erneute Auseinandersetzung mit Sherlock nachdachte. Die ganze Nacht hatte ich mich auf dem Sofa in Veras kleinen Wohnung von einer Seite auf die andere gedreht, meine Gedanken wollten einfach nicht abschalten und mich endlich schlafen lassen.
Wie konnte die Situation schon wieder so aus dem Ruder laufen ? Wegen ein paar verbrannten Keksen !"Steigen sie auch aus, oder wollen sie noch ein Nickerchen machen ?", fragte der Mann am Steuer plötzlich etwas genervt, wodurch ich erschrocken aus dem Fenster sah. Ich hatte nicht mitbekommen, wie das Taxi angehalten hatte, direkt gegenüber vom Eingang unserer Wohnung, der mir nun grauenvoll entgegenblickte und mich erschaudern ließ. "Natürlich, Sir, entschuldigen sie vielmals !", erklärte ich dann schnell, reichte ihm mein Geld nach vorne und verließ das Taxi.
Es war zwar immer noch sehr kühl, doch der Nebel und der eisige Wind vom Vortag waren verschwunden. Mit viel Fantasie konnte man auch sagen, dass der etwas hellere Himmel durch die Sonne erzeugt wurde, die sich hinter einer großen Wolkenschicht versteckte. Einen Moment stand ich so da, die Hände in den Hosentaschen, wippte auf den Ballen hin und her und vermied es, zum Fenster nach oben zusehen. Die schwarze Haustür hatte mich in ihren Bann gezogen, schien mich gleichzeitig zu sich ziehen und von sich wegstoßen zu wollen.
Komm schon, John. Du kennst das doch. Sherlock war noch nie nachtragend.
Ich sollte es also auch nicht sein. Doch dieses Mal fühlte es sich irgendwie anders an, als seien wir nicht in einem gewöhnlichen Streit auseinandergegangen, sondern in einem Konflikt, der viel tiefer lag. Ein Konflikt, den keiner von uns beiden vollkommen zu verstehen schien. Ansonsten hätte eine Keksdose solch eine Anspannung niemals ausgelöst.
Irgendwas ist anders. Aber was ?Ich gab mir einen Ruck, überquerte die Straße und schloss die Haustür auf, um ins Warme zu gelangen. Kurz lauschte ich auf Mrs. Hudsons Schritte, denn bei dieser würde ich mich dringend entschuldigen müssen, doch entweder hatte sie mich nicht gehört oder sie schien nicht da zu sein, denn das Treppenhaus blieb leer. Dann also direkt nach oben. Ohne Umwege in die Höhle des Löwen.
Als ich vor der weißen Tür in unserer Wohnung stand, zog ich die Hände aus den Hosentaschen, um sie aufzudrücken, doch jemand kam mir zuvor. In der Bewegung erstarrte mein Arm, als die Tür von innen geöffnet wurde und ich niemand geringerem gegenüber stand, als dem bekanntesten Detektiv Englands. Langsam ließ ich meine Hand sinken und sah Sherlock stumm an, welcher in seinem dunkelblauen Morgenmantel über dem weißen Hemd so aufrecht dastand, dass ich etwas zu ihm nach oben sehen musste. Ich schluckte, als er endlich den Mund öffnete, die stechenden Augen kurz abwandte, erwartete, direkt wieder etwas an den Kopf geworfen zu bekommen.
"John.", war jedoch alles, was Sherlocks Mund verließ und erst jetzt bemerkte ich, wie zerzaust seine Haare waren und ihm wirr in die Stirn hingen, auch unter seinen Augen waren dunklere Schatten auszumachen, als normalerweise. Hat er etwa auch schlecht geschlafen ? Warum sollte ihm das passieren ?
Kurz dachte ich an den Anruf zurück, den ich gestern Abend ignoriert hatte, als die Bibliothekarin die Weingläser zum zweiten Mal gefüllt hatte. Ich hatte nicht hören wollen, dass ich meine Jacke vergessen hatte oder was Sherlock sonst noch eingefallen wäre, doch jetzt überkam mich ein schlechtes gewissen."Sherlock, es -", begann ich daher entschuldigend, als dieser zur Seite trat und mich so in unsere Wohnung einließ. Doch als ich einen Schritt nach innen gemacht und der Consulting Detective die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, unterbrach er mich, indem er kurz die Hand hob. "Tut mir leid.", murmelte er daraufhin, sah mir erst in die erstaunten Augen, als die Worte ausgesprochen waren, sein Blick so unergründlich tief, wie er stets war. Nur, dass in diesem Moment noch etwas anderes darin zu liegen schien, etwas, das ich in Sherlocks Augen womöglich noch nie zuvor hatte sehen können. Reue. Er meint es wirklich ernst. Es tut ihm leid.
In diesem Moment fühlte es sich an, als würde mein Innerstes zerreißen und in der selben Sekunde so stark zusammengedrückt werden, dass mir die Luft wegblieb. Fast hätte ich gelacht und ihn gefragt, ob er es wirklich ernst meinte, ob es wirklich sein konnte, dass er sich bei mir entschuldigte. Doch das verkniff ich mir, denn auf Sherlocks Lippen tanzte kein schelmisches Lächeln, wie es sonst so häufig der Fall war. Er sah mich nur abwartend an, vollkommen bewegungslos.
"Ist okay, Sherlock.", antwortete ich nur ernsthaft und sah meinen Freund mit einem leichten Lächeln an, :" Mir tut es auch leid." Dann standen wir da, eine Armlänge voneinander entfernt und ich konnte förmlich sehen, wie das Leben in die bläulichen Augen Sherlocks zurückkehrte, die grüngoldenen Sprenkel darin zum Glänzen brachte. Ein Gefühl der Erleichterung machte sich in meiner Brust breit, ließ mein Lächeln zu einem Grinsen werden, begleitet von Sherlocks eigenem, als dieser erkannte, was gerade passiert war. Sherlock hat sich entschuldigt, John !
Ohne weiter darüber nachzudenken machte ich plötzlich einen Schritt auf meinen Freund zu und zog diesen in eine feste Umarmung, eine Hand in seinem Nacken, die andere auf seinem Rückend liegend. Kurz hatte ich die Sorge, zu weit gegangen zu sein, als sich Sherlock abrupt versteifte, doch dann spürte ich, wie auch er vorsichtig die Arme hob und mir seine starken Hände auf den Rücken legte und vorsichtig den Kopf etwas senkte, um ihn seitlich an den meinen zu drücken. Einige Momente verweilten wir so, schweigend und erst als wir uns langsam wieder voneinander lösten, bemerkte ich, wie nah wir uns gerade waren.
Dieser einzigartige Duft nach Kaffee, Rauch und alten Büchern. Sherlocks Hände auf meinem Rücken. Sein Atem an meinem Hals.
Ein Schaudern lief mir über den Rücken, fast wie im Taxi, nur, dass dieses ein durchaus positives gewesen war. Vorsichtig machte ich einen Schritt zurück, als Sherlock dies ebenfalls tat und ließ meine Arme wieder fallen. "Terlan Lagrein ? Du weißt doch, dass wir Rotwein hier haben, der viel besser schmeckt, als der aus dem Discounter.", meinte Sherlock dann mit funkelnden Augen, während er sich umdrehte und seinen Morgenmantel auszog. Kopfschüttelnd musste ich lachen, natürlich konnte Sherlock nicht aufhören, zu deduzieren, selbst dann nicht, wenn man ihn umarmte.
"Na endlich. Ich wusste, dass Sie beiden sich nur mal wirklich entschuldigen müssen !", vernahmen wir plötzlich die fröhliche Stimme unserer Haushälterin, die wohl irgendwann in der Tür erschienen war und diese wieder geöffnet hatte.
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It is what it is - Johnlock
FanficJohn Watson und Sherlock Holmes jagen seit einiger Zeit den Verbrechern Londons hinterer. Beide ergänzen sich dabei so gut, dass sie Freunde werden - ein für Sherlock bisher unbekannter Zustand. Doch dann versucht der Consulting Detective ungelenk...