4. Kai Havertz ♡

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Kai Havertz:

Immer wieder liefen Ärzte in den Raum und andere kamen heraus. Doch keiner konnte uns in die Augen schauen, geschweige denn uns sagen was Sache ist. Dieser Flur. Dieser verdammte Flur mit seinen weißen Wänden, dem grellen Licht, dem quietschenden Boden und diesen Plastikstühlen, auf denen wir jetzt schon seit mindestens einer Stunde sitzen. Neben mir saßen ihre Eltern. Sie hielten sich gegenseitig in den Armen, sie gaben sich gegenseitig Halt. Doch es war keiner da, der mir Halt gab in diesem Moment. Denn die einzige Person, die mir in letzter Zeit Tag für Tag Halt gegeben hatte, auch wenn es nicht immer leicht war, lag gerade in diesem Operationssaal. Ich starrte die Türe an, wartete darauf, dass jeden Moment ein Arzt rausstürmen würde. Doch alles war still. Im Allgemeinen war das Krankenhaus recht still. Kaum einer verletzte sich um 1 Uhr nachts. Außer eben meine Freundin Sophia! Und ich war Schuld daran! Naja, nicht direkt. Eigentlich war dieses Arschloch, das abends noch betrunken in sein Auto gesessen ist und damit nach Hause fahren wollte, daran Schuld. Doch indirekt war es eben doch wegen mir, denn Sophia wollte zu mir fahren. Sie hatte auf dem Weg zu mir diesen Unfall. Hätte ich ihr nicht gesagt, dass es mir lieber wäre, wenn sie nach dem Geburtstag ihrer Freundin zu mir kommt, anstatt bei der Freundin zu übernachten, dann hätte dieser Typ ihren kleinen Mini niemals mit seinem fetten Mercedes weggeschleudert, nachdem er mit 100 km/h in der 30er Zone einfach über die rote Ampel gerast war. Sie würde jetzt auf dem Sofa im Wohnzimmer ihrer Freundin seelenruhig schlafen. Das Problem war bloß, dass ich immer nachts vor wichtigen Fußballspielen Panikattacken bekomme. Sophia ist die einzige, die mir dann helfen kann und mich beruhigt. Da ich heute um 18.30 Uhr mit meiner Mannschaft von Bayer Leverkusen gegen den FC Bayern spielen sollte, wusste ich schon vorher, dass ich die Nacht davor nicht ohne Sophia aushalten würde.
Fuck, das Spiel! Da würde ich wohl kaum hingehen können in meinem aktuellen Zustand. Ich war ein nervliches Wrack. Außerdem war ich komplett ausgelaugt. Ich schüttelte den Kaffeebecher in meiner Hand und stellte fest, dass er leer war. Ich murmelte kurz: "Ich hol mir 'nen Kaffee." Dann stand ich auf und lief den Gang entlang in Richtung des Kaffeeautomaten. Ich wusste nicht mehr der wie vielte Kaffee das nun war, ab dem fünften hatte ich aufgehört zu zählen. Sobald ich den Koffein wieder in meinem Körper spürte, holte ich mein Handy heraus. Schnell ging ich auf Whatsapp und sah, dass mein Trainer noch online war, was bedeutete, dass er noch wach sein musste. Also rief ich ihn kurzerhand an. "Kai? Warum rufst du mich so spät nachts an?", fragte mich der Coach ohne jede Begrüßung. "Es tut mir Leid, aber ich werde morgen... ähm heute nicht spielen können." "Was? Wieso? Kai wir brauchen dich gegen die Bayern!" Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter und erzählte meinem Trainer von Sophias Unfall. "... Ich bin komplett am Ende! Ich weiß nicht mal, ob sie das Ganze überlebt...", mit diesen Worten beendete ich meine Erklärung. Kurz war es still in der Leitung, bis ich irgendwann die Stimme meines Trainers hörte. "Ich verstehe das. Auch wenn du auf dem Platz stehen würdest, wärst du sowieso mit den Gedanken woanders. Kai, du bist entschuldigt für das heutige Spiel. Danke, dass du noch rechtzeitig angerufen hast, ich sitze gerade noch an der Aufstellung. Ich drücke Sophia die Daumen. Sie schafft das schon, sie ist genauso stark wie du!" "Danke, Tschüss", mehr bekam ich nicht heraus. Mir liefen schon wieder die Tränen über die Wangen. Diese Ungewissheit war eigentlich das Schlimmste. Mit meinem wieder gefüllten Kaffeebecher setzte ich mich zurück auf den Plastikstuhl. Während ich versuchte wach zu bleiben, ließ ich unsere Beziehung Revue passieren. Wie Sophia und ich uns kennengelernt hatten, was wir alles zusammen unternommen hatten, all die schönen Erinnerungen. Wir hatten schon unsere komplette Zukunft gemeinsam geplant und jetzt würde das vielleicht alles wegen mir enden. Ich wusste ganz genau, dass ich mir nicht die Schuld dafür geben sollte, das hatten mir auch unzählige Leute gesagt, aber ich tat es trotzdem. Ich konnte wütend auf mich selbst sein, die Wut linderte den Schmerz etwas. Wie konnte ich nur so egoistisch sein und von ihr verlangen Nachts durch die Stadt zu fahren? Wie blöd war ich eigentlich?
Auf einmal trat ein Arzt aus der Tür. Im Gegensatz zu den vorherigen Malen als irgendwelche Ärzte aus dem OP kamen, lief er dieses Mal sehr langsam. Er kam auf uns zu. Sophias Eltern und ich standen auf. Der Arzt hob seinen Blick, dann sagte er mit leiser Stimme: "Es tut mir Leid, sie hat es nicht geschafft. Wir konnten leider nichts mehr tun." Mit diesen Worten brach eine Welt für mich zusammen. Ich sank auf die Knie und ließ die Tränen nur so über mein Gesicht laufen. Ich schluchzte laut auf, dann schrie ich, bevor ich wieder einige Mal schluchzte. Es war ein regelrechter Heulkrampf in den ich verfiel. Ich weinte und schluchzte bis mein Körper keine Tränen und keine Energie mehr hatte. Sophias Eltern gingen irgendwann nach Hause, doch ich hatte kein Gefühl in meinen Gliedern. Ich wusste nicht, wie ich es in meine Wohnung schaffen sollte. Ich wusste eigentlich gar nicht wie ich überhaupt weiterleben sollte. Es war als hätte man mir mein Herz herausgerissen...
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Es tut mir Leid, aber es kann eben nicht immer ein Happy End geben... :(

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