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Hallo ihr Lieben,

Wir wünschen euch einen schönen zweiten Advent, haltet euch bei dem stürmischen Wetter gut fest und genießt die Adventszeit!

Liebst
Eure Fiktiongirl
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Der Eisregen am dämmernden Tages- Ende prasselt seit Stunden auf den schwarzen Asphalt. Die Geräusche klingen in meinen Ohren eher als würden Speerspitzen ungebremst auf Metallplatten sausen. Oder als würden sie sich wie tausend Nadeln in mein Herz bohren. Ich lege die Stirn an den kalte Fensterrahmen. Auf der Fensterscheibe selbst gibt das ja bloß Fettflecken. Da müsste ich mir wieder von Karl anhören, dass das so unschön sei und ihm zusehen wie er das Fenster putzt und meckert. Oh, es wäre so schön, wenn ich seine Stimme hören könnte. Auch, wenn es ein Streit wäre. Aber immerhin wäre die unterträgliche Stille gefüllt.
Wie lange ist es jetzt her, dass ich ihn gesehen und gehört habe? Eine Woche oder vielleicht schon zwei? Die Zeit vergeht, ohne dass ich es mitbekomme.
Karl und ich haben uns wieder mal gestritten. Viel zu lange, viel zu laut. Viel zu unnötig, so scheint es mir jetzt.
Dann war es irgendwann still.
Wir hatten alles gesagt. Alles geschrien, was es zu schreien gab. Wir waren beide heiser, außer Atem. Tränen übersäte Gesichter standen sich im Wohnzimmer gegenüber. Wir hatten uns angesehen, unsere gebrochenen Herzen lagen sprichwörtlich vor uns auf dem Boden zusammen mit den aber-tausend Scherben unserer Beziehung.
Zehn Jahre in Schutt und Asche.
Weinend drehe ich meinen goldenen Ehering an der rechten Hand mit der linken Hand.
Fünf Jahre absolute Glückseligkeit.
Karl hatte wortlos eine Tasche gepackt und mit einem letzten Satz zu mir die Tür hinter sich zugezogen:" Bin bei Felix. Ruf mich nicht an, schreib mir nicht. Wir brauchen Zeit und Abstand voneinander."
Neun glückliche Jahre voller Höhen und kleinen Tiefen.

Ich erinnere mich daran wie wir in der Oberstufe zusammen kamen. Zwei junge Teenager, die sich gefunden haben, obwohl sie augenscheinlich nichts verband. Die Neonblocks habe ich gehasst, aber ihn... Ihn habe ich sofort geliebt an meinem ersten Tag als ich von der Realschule ans Gymnasium kam und wir uns im Unterricht gesehen hatten. Deutsch war von dort an mein Lieblingsfach. Die Konzerte der Band habe ich nur über mich ergehen lassen, weil Karl gesungen und Gitarre gespielt hat. Er dachte, ich würde die Band lieben.
Ein paar Jahre später als Kraftklub erste Erfolge feierte, habe ich es im alkoholisierten Zustand zugegeben.
Bei dieser Erinnerung muss ich jetzt in der Gegenwart immer noch Lachen und wische mir die Tränen weg. Karl war so aufgelöst und geschockt und ich konnte einfach nicht aufhören zu kichern und giggeln.


"Weißt du, Bernsteinchen, ich finde es so toll, dass du Kraftklub noch mehr feierst als die Neonblocks. Du bist mein Nummer Eins Fan."
"Das ist auch nicht schwer, Kraftklub mehr zu mögen."
"Ich dachte du liebst die Neonblocks, Dete!"
"Du hast es nie gemerkt, dass ich immer Ohrstöpsel drin hatte während der Shows, damit ich es nicht hören muss, oder?"
"Du hast was?!"
"Die Musik war echt mies als Neonblocks."
"Ich dachte du liebst sie!"
"Das komplette Gegenteil."
"Kraftklub liebst du also weil Felix dabei ist, oder wie?"
"Nein. Dein Englisch war einfach immer total schrecklich. Auf deutsch seid ihr tausend mal besser."

Wieder betrachte ich meinen Ehering, gehe langsam ins Schlafzimmer. Draußen ist es bereits dunkel. Wie ich momentan arbeite, weiß ich nicht. Es ist mir auch komplett egal.
Im Badezimmer mache ich mich Bett fertig und kugele mich unter der dicken Decke ein zu einem kleinen Knäuel. Mein Blick gleitet über den leeren Teil des Bettes. Die unberührten Kissen, die ordentlich gefaltete Bettdecke sind wie jede Nacht Zeichen der Abwesenheit meines Mannes. Meines Mannes... Ob wir überhaupt noch Mann und Frau sind? Ruckartig setze ich mich auf. Karl will doch hoffentlich nicht die Scheidung! Nein, ich bin nicht bereit ihn gehen zu lassen. Das ist nur eine Phase. Jedes Paar hat doch mal eine schwere Phase, oder? Ich lasse mich zurück in die Kissen fallen. Ich könnte mich nie von ihm trennen noch die Scheidung einreichen. Niemand sonst kennt mich wie er es tut. Niemand weiß so gut, was er tun muss, wenn ich launisch bin und meine Tage habe wie er. Ich weiß noch sehr gut, dass ich an einem speziellen Tag extrem genervt war. Als Kraftklub mehr oder weniger eine Pause einlegen in 2013 kam genau an so einem genervten Tag der Antrag von ihm. Ziemlich unromantisch und doch wieder sehr romantisch für ihn.

Es ist kurz vor Weihnachten, der Baum steht noch ungeschmückt in der Ecke des Wohnzimmers, die Wohnung, in der wir zusammen leben, ist ein einziges Chaos und Karl hat - wie immer- die Ruhe weg. Ich stehe in der Küche, Hände an der Spüle abgestützt, den Kopf zwischen den Schultern hängend. Es schon lange dunkel draußen und ich bin fix und fertig. Natürlich ist mein Freund eine glorreiche Hilfe durch Abwesenheit gewesen und somit habe ich alles alleine aufgeräumt, geputzt, Staub gewischt. So wünscht man sich den ersten Urlaubstag seit fünf Monaten. Genervt pfeffere ich die gelben Spülhandschuhe in die Ecke der Spüle und lasse mich schwerfällig auf die Couch im Wohnzimmer fallen. Mein Blick fällt auf den Baum. Immerhin eine Lichterkette ist befestigt. Der Tannenduft wirkt wie ein Beruhigungsmittel und ich entspanne. Zum Glück hat Karl eben eine SMS geschrieben, dass er Pizza mitbringen wird. Die Tür geht auch in diesem Moment auf und ein gut gelaunter Karl betritt die Wohnung.
"Dete? Essen ist fertig!" ruft er laut.
"Wohnzimmer!" rufe ich zurück, setze mich in eine halbwegs ordentliche Position um die Pizza essen zu können. Wenig später nach dem essen und vielen Entschuldigungen seinerseits später kommentiert er meinen Gesichtsausdruck.
"Jetzt guck doch nicht mehr so grimmig." er piekst mich in die Seite und bringt mich zum Lachen, während wir eng umschlungen auf der Couch liegen. Er küsst meine Nasenspitze. "Ich liebe dein Lachen, Bernsteinchen. Du bist die perfekte Freundin. Aber ich will dich nicht mehr als Freundin haben."
"Wie bitte?!"
"Ich will dich als meine Frau haben. Bernadette, willst du mich heiraten?"

2014 hatten wir kurz vor Weihnachten, ein Jahr nach der Verlobung, geheiratet.
Alles war so perfekt damals. Im kleinen Kreis, nur die engsten Freunde und unsere Familien. Nach dem Standesamt sind wir auf den Weihnachtsmarkt, um die Hochzeitsbilder zu schießen. Sogar Kunstschnee wurde vor die Linse gestreut damit es aussieht als würden echte Flocken zur Erde fallen. Ich habe im ganzen Leben noch nie so gefroren wie damals, obwohl ich unter meinem Kleid eine weiße Thermo - Leggins angezogen hatte.
Und jetzt? Jetzt ist alles kaputt. Fünf Jahre später ist alles einfach vorbei. Nur noch Streit und Tränen. Kein schönes Wort mehr. Egal was wir zueinander sagen, wir gehen sofort an die Decke. "Ich habe das Gefühl zu ersticken, Bernadette."
Beim vollen Namen hat er mich genannt. Sonst war es immer Deethe oder Bernsteinchen gewesen.
Ich kann das nicht so enden lassen.
Ich muss kämpfen.
Ich werde kämpfen.
Ich fühle mich zu schwach und betäubt.
Was soll ich bloß tun?

adventsKARLender 2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt