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Hellou!
Auch von mir ein herzliches Willkommen beim diesjährigen Adventskarlender.
Wie die anderen Beiden hoffe auch ich, dass ihr genauso viel Freude an den Geschichten habt wie wir und wünsche euch eine schöne und besinnliche Weihnachtszeit!
Grüße
Karla

„Das kann unmöglich dein Ernst sein"
Verständnislos sehe ich ihn an.
„Doch, Eva, das ist mein voller Ernst. Ständig sagst du, ich würde dir nicht vertrauen, dabei bist du diejenige, die nicht vertrauen kann."
Sein Blick hält allem stand. Meinem Unverständnis, meiner Wut, meiner Verzweiflung.
Ich weiche diesem Blick aus, zu sehr schüchtert er mich ein.
„Dann..." beginne ich mit zitternder Stimme. Verdammt Eva, zeig keine Schwäche.
Ich schlucke und fahre fort: „Dann ist das das Ende?" Zögernd löse ich meinen Blick vom Boden und sehe Karl an. „Es ist besser so." Wieder dieser Blick. Abweisend, kalt, er hat damit abgeschlossen. Mit mir abgeschlossen.
Ich nicke, so als würde ich es verstehen.
Aber das tue ich nicht.

-

Es ist kalt.
Seit Karl weg ist, ist es unfassbar kalt.
Seufzend erhebe ich mich aus meinem Bett. Obwohl es irgendwann gegen vier Uhr nachts ist, bekomme ich kein Auge zu. Ich zittere am ganzen Körper, die Heizung steht auf fünf, ich trage zwei Paar kuschelige Wollsocken und trotzdem ist mir kalt.
In der Küche koche ich mir einen Tee in der Hoffnung, dass er mich wärmt, dabei weiß ich, dass nur Karl das kann. Nur bei ihm finde ich die Ruhe und Geborgenheit, bei der mir so warm ums Herz wird, dass ich auch bei den kältesten Temperaturen nicht friere.
Er ist der einzige, der mir aus diesem Zustand helfen kann, und zeitgleich auch derjenige, der dafür verantwortlich ist. Ich habe noch immer nicht verstanden, weshalb er glaubt, ich würde ihm nicht vertrauen. Und vermutlich werde ich es nie erfahren, Karl ist weg. Nicht unerreichbar mit dem Fahrrad oder der Straßenbahn, aber unerreichbar für mein Herz.
Beim Gedanken an die Blicke, die mich trafen als er unsere Beziehung beendete, läuft mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Ich zittere noch mehr als schon zuvor.
„Ich liebe dich doch." hauche ich in die Stille der Küche.
Wie lange ich ins Nichts sehe, realisiere ich erst, als ich einen Schluck meines Tees nehme. Mittlerweile ist er schon fast kalt. Ich seufze. Schließlich schleppe ich mich zurück in mein Bett. Mein Wecker zeigt 5:02 Uhr, als ich doch einschlafe.

Viel zu früh reißt mich das Klingeln meines Weckers aus meinem rar gewordenen Schlaf.
Derselbe morgendliche Trott wie die Wochen zuvor beginnt aufs Neue: Aufstehen, fertig machen, Kaffee trinken, zur Arbeit. Mein Magen knurrt, als ich die Wohnung wieder betrete. Natürlich ist der Kühlschrank gerade jetzt leer. Wie in einem schlechten Film summe ich Kraftklubs „Zwei Dosen Sprite" vor mich hin, resigniert darüber, dass ich schon wieder an ihn denke. Also nochmal anziehen und raus in die kalte Dezemberluft. Der Supermarkt ist gerademal 13 Minuten Fußmarsch entfernt, weshalb ich kurze Zeit später zwischen Lebkuchen und Schokoladenweihnachtsmännern vor einer Auswahl von Milchprodukten stehe und lustlos zum Naturjoghurt greife. Ein bisschen Obst findet den Weg in meinen Einkaufswagen, genauso Quark, Knäckebrot und eine Wochenration Tee. An der Kasse wird so penetrant Spekulatius beworben, dass ich tatsächlich eine Packung mitnehme, vielleicht im Glauben, die Werbung wäre danach weniger aufdringlich.
Chemnitz ist noch so grau wie vor meinem Einkauf, die Luft noch genauso schneidend kalt.
Mein Atem stockt. Kälter, so viel kälter als der eisige Wind, ist der Blick, der mich trifft.
Da steht er. Karl. Eine Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger.
Wieder einmal wird mir schlagartig bewusst, wie sehr ich ihn liebe. Ich kann nicht ohne ihn. Nicht ohne sein Lachen, nicht ohne seine schokobraunen Augen, nicht ohne seine Nähe. Ohne ihn noch einmal anzusehen laufe ich in Richtung meines Blocks. Wie in einer Trance laufe ich zu meiner Wohnung, schließe mit zitternden Fingern Haus- und Wohnungstür auf und stelle meine Einkaufstasche auf einem Stuhl am Esstisch ab. Fahrig verräume ich meinen Einkauf, ziehe Schuhe und Jacke aus und lasse mich erschöpft auf meinem Bett nieder. Karl zu sehen hat mich mehr Kraft gekostet als alles andere. Mit einem Schlag werden meine Augenlider schwer, ich will nur noch schlafen.

Es ist 21:49 Uhr als ich wieder aufwache. Kurz blinzle ich, dann kommt mit einem Schlag die Erinnerung an die Begegnung mit Karl wieder in mein Gedächtnis. Ich schüttle den Kopf, hoffe, dass die Bilder von seinem eisigen Blick verschwinden. Seufzend greife ich zu meinem Handy und klicke mich durch Instagram, Twitter und diverse Whatsapp-Nachrichten als mein Blick auf Karls Kontakt fällt. Die letzte Nachricht, die in unserem Chat zu sehen ist, ist seine Aufforderung, ich solle um 15 Uhr zu ihm kommen, es sei wichtig. Ich lache verbittert, ehe sich eine Träne ihren Weg bahnt.

Ich vermisse dich
21:58

Als ich realisiere, was ich gerade getan habe, ist es schon zu spät. Unter seinem Namen erscheint online, die Haken färben sich blau. Einen Moment lang setzt mein Herz aus.
Das online verschwindet und es fühlt sich an als würde mein Herz langsam austrocknen, als wäre es ein emsiges Laubblatt im Herbst. Was habe ich mir auch dabei gedacht? Ich habe nichts bewirkt außer ihm meine Schwäche zu zeigen. Frustriert sperre ich mein Handy, raufe mir die Haare und drehe mich auf die andere Seite um nicht mein Smartphone sehen zu müssen. Es ist vorbei und langsam sollte ich mich damit abfinden.
Zuerst nehme ich die Vibration nicht war, dann ignoriere ich die Tatsache, aber es nützt ja doch nichts. Früher oder später muss ich die Spamnachrichten in irgendwelchen unnützen Gruppen eh wegklicken, also warum nicht jetzt sofort? Auf den Absender achte ich gar nicht, will die Nachricht schon als gelesen markieren, doch als mein Blick auf den Namen des Kontaktes fällt, stockt mir der Atem. Karl. Zögernd tippe ich auf die Benachrichtigung, die Angst vor seiner Reaktion schnürt mir die Kehle zu.

Ich dich auch. Sehr.
22:03

Ungläubig starre ich auf das Display. Das typische Geräusch ertönt, eine neue Nachricht erscheint.

Mach die Tür auf.
22:04

Ich traue meinen Augen nicht. Meint er das gerade ernst? Hat er das wirklich geschrieben?
Etwas perplex stehe ich auf, ziehe einen Pulli über mein Schlafshirt, was ich wohl samt Jogginghose und Kuschelsocken vor dem Einschlafen noch gegen die unbequemen Straßenklamotten getauscht habe.
Mein Finger schwebt über dem Türöffner, doch ehe ich mich versehe habe ich den Knopf gedrückt und höre Karls Schritte im Treppenhaus. Er klopft und ich öffne die Wohnungstür.
Da steht er, zum zweiten Mal an diesem Tag sehe ich in seine schokobraunen Augen, doch jetzt wirken sie wie aufgetaut. Das Eis ist verschwunden. Etwas peinlich berührt trete ich einen Schritt zur Seite. „Komm rein."
Sichtlich nervös betritt er die Wohnung, zieht Jacke, Schal und Mütze aus, legt alles an der Garderobe ab und geht in die Küche. In den eineinhalb Jahren Beziehung hatte er schließlich viel Zeit in meiner Wohnung verbracht. „Willst du was trinken?" Ich beginne zu lächeln, ich kenne die Antwort schon. Auch auf Karls Gesicht schleicht sich ein Grinsen. Also setze ich Teewasser auf, hole zwei Tassen aus dem Schrank und hänge die Teebeutel mit Kräutertee hinein. Als das Wasser kocht, gieße ich es ein und reiche Karl eine der Tassen.
„Ich hab dich auch vermisst, Eva." Sagt er und nippt vorsichtig an seinem Tee. „Ich hab versucht vernünftig zu sein, ich dachte es wäre besser... aber das war es nicht. Ich kann nicht ohne dich!" Ich kann nicht anders als leise aufzulachen, zu gut kenne ich das Gefühl, nicht ohne ihn zu können. Karl stellt die Tasse auf den Küchentisch, geht einige Schritte auf mich zu, seine Hand findet an meine Wange. Ein angenehmes Kribbeln zieht sich von dort durch meinen gesamten Körper. „Ich liebe dich" flüstert er und meine Lippen auf seinen sind Antwort genug.
Endlich ist mir wieder warm.

adventsKARLender 2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt