5. Dezember

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„Ellie, bring Familie Williams bitte den Kaffee nach draußen." Madame Mercier hat es sich nicht nehmen lassen bei dem schönen Sonnenwetter draußen die Liegestühle aufstellen zu lassen, damit die Gäste des Hotels es sich dort gemütlich machen können und auf die von Schnee bedeckten Bergspitzen blicken können.

Ich nehme das Tablett mit dem schwarzen Kaffee und drei fettfreien Latte Macchiato vom Tresen der Bar und trete durch die große Glastür hinaus auf die Terasse. Die meisten der Gäste sitzen dick eingemummelt mit einer Decke auf den Sonnenstühlen, trinken Tee und essen Weihnachtsgebäck. Über Nacht hat es ein wenig geschneit, was Louie und Lilou dazu bewegt draußen eine Schneeballschlacht veranstalten zu wollen.

„Könnten sie bitte dafür sorgen, dass diese schrecklichen Kinder nicht so laut schreien?", raunt mir Mrs Williams zu, während sie mir über den Rand ihrer übergroßen Diorsonnenbrille in die Augen sieht.

„Naja es sind Kinder", lache ich verwundert im Angesicht der Tatsache, dass sie selbst zwei Töchter hat, die sich auch nicht gerade wenig lautstark über irgendein Model unterhalten.

„Ja. Das sind aber zwei unerzogene Kinder." Sie wirft einen verächtlichen Seitenblick auf Familie O'Neill und sieht mich dann wieder mit geneigtem Kopf an, was ihr Kinn komplett im Fell ihres Wintermantels verschwinden lässt, „das siehst du doch auch so oder Maximilian?"

Ihr Mann sieht von den Akten, welche er in einem dicken Stapel aus seiner braunen Aktentasche gezogen hat, auf und kratzt sich mit einem Kuli an der Schläfe. „Ja ja. Ich muss das hier fertig bekommen, also stör mich jetzt nicht."

„Also ich finde auch, dass sie das jetzt sofort stoppen sollten, Ellie", mischt sich ihre Schwester Coco ein, „wenn alle so gut erzogen wären wie mein Jeremy-Pascal, wäre es viel einfacher in dieser Welt, oder Jeremy-Pascal? Jeremy-Pascal? Wo steckt dieser Junge schon wieder?"

Mrs Williams winkt ab und sieht mich dann auffordernd an. „Nun gehen sie schon. Ich möchte hier in Ruhe meinen anstrengenden Tag genießen. Und wie soll das gehen, wenn sich diese Kinder so lächerlich über ein wenig Schnee freuen?"

Ohne etwas zu sagen wende ich mich ab und stelle das Tablett auf einen der freien Tische. Mademoiselle Dupont wirft mir einen vielsagenden Blick zu und hält sich schmunzelnd ihre Modezeitschrift vor das Gesicht um einen Artikel über sich selbst zu lesen. Dann ziehe ich meinen Parka ein wenig fester um mich und gehe mit meinem rutschigen Schuhen, die definitiv nicht dafür gemacht sind, draußen im Schnee über das Gras zu gehen, den Hügel zu den Kindern hinunter.

„Louie, Lilou, kommt ihr mal kurz?", rufe ich die Beiden zu mir, als ich vollkommen außer Atem am Fuße des Hügels angekommen bin.

Mit Schnee in den Haaren und Händen laufen sie auf mich zu und ich weiß gar nicht wie mir geschieht, als ich auf einmal ein „Attackeeee" von Jeremy-Pascal wahrnehme und sehe, wie alle drei mit Schneebällen bewaffnet auf mich zulaufen.

Noch bevor ich weglaufen oder mich anderweitig wehren kann, werde ich von einem Schneeballhagel getroffen, der einer Schneeballschlacht in Comics sehr nahe kommt. Ein Schneeball trifft mich genau ins Gesicht und der Schnee, welcher von meinen Wimpern in meine Augen tropft, brennt. Ich halte mir die Hände über den Kopf und versuche mich weitestgehend wegzudrehen, doch da sie zu dritt und ich nur als Einzelperson dastehe, bin ich ihnen offensichtlich unterlegen.

„Das reicht jetzt", ertönt Lennys Stimme neben mir und sofort stellen sie das Schneeballwerfen ein, „schämt ihr euch gar nicht Ellie so hinterrücks zu überfallen?"

Langsam richte ich mich wieder auf und presse meine Lippen aufeinander, damit ich nichts sage, was ich bereuen könnte. Außerdem sehen die drei Kinder schon durch Lennys bloße Anwesenheit verängstigt aus. Lenny dreht sich zu mir und legt mir seine Hände auf die Schultern. „Alles in Ordnung?"

„Ja natürlich. Das bisschen Schnee macht mir nichts aus." In Wirklichkeit läuft mir wahrscheinlich die Mascara unter den Augen zusammen und das bisschen Rouge, welches ich heute Morgen aufgetragen hatte, sitzt mit großer Sicherheit mittlerweile auf meinem Kinn, an dem Wassertropfen heruntertropfen. Mit dem Ärmel meines Parkas versuche ich so vorsichtig wie möglich nicht mein ganzes Gesicht zu ruinieren, welches ich heute nach langer Zeit zum ersten Mal wieder geschminkt habe.

„Warte, ich habe ein Taschentuch." Lenny kramt in seinen Jackentaschen und zieht ein verknittertes Päckchen heraus. „Sie sind nicht benutzt. Versprochen."

Dankbar nehme ich das Taschentuch entgegen und wische mir unter den Augen entlang.

„Es tut mir so Leid", sagt er und nimmt seine schwarze Sonnenbrille ab, „die beiden kennen Schnee nicht so wirklich in der freien Natur und Schneebälle schmeißen geht in den Straßen New Yorks natürlich so gar nicht."

„Schon in Ord-", setze ich an, als Jade und Ruby plötzlich kreischend und mit gezückten Handys auf uns zu rennen.

„Oh mein Gott. Ich wusste es", schreit Jade und zerrt Ruby vor Lenny und mich, „du bist Lennox King."

Lennys Gesicht verzieht sich und er dreht sich, während er seine Sonnenbrille schnell wieder aufsetzt, weg. Gerne würde ich den beiden meine Meinung sagen und sie bitten ihn nicht so zu nerven, aber auch ich weiß auf einmal warum mir seine Augen die ganze Zeit so bekannt vorkamen. Lennox King, ein bekanntes Model. Sein Gesicht sieht man in letzter Zeit überall, aber da ich seit Monaten nicht mehr Zuhause durch die Straßen gelaufen bin, habe ich total vergessen, woher ich ihn kannte.

„Können wir ein Bild zusammen machen? Und kannst du mich auf deinem Instagramprofil verlinken?", beginnt Ruby und Jade setzt wahrscheinlich gerade zu einem Heiratsantrag an.

„Mädels", werden sie von Levia und Thomas unterbrochen, die sofort nach dem Ausbruch der Beiden den Hügel heruntergelaufen kommen. „Bitte nicht posten."

„Warum nicht? Wir sind mit Lennox King in einem Hotel und werden auch noch Weihnachten mit ihm verbringen. Das müssen unsere Follower sofort erfahren- hey!"

Ein Schneeball trifft Rubys Handy, welches daraufhin im Schnee landet. Lilou baut sich mit Jeremy-Pascal und Louie vor ihnen auf, was trotz ihres Alters wirklich beängstigend aussieht. „Mein Onkel darf nicht erkannt werden. Dann sind unsere Weihnachtsferien hier nämlich beendet und wir müssen wieder Zuhause Weihnachten verbringen."

„Und das ist langweilig, weil er dann zurück nach New York geht und nicht bei uns bleibt, weil diese ganzen verrückten Mädchen ihn alle heiraten wollen und an unserer Tür klingeln", fügt Louie hinzu, „also lasst ihn in Ruhe."

„Am besten gehen wir jetzt rein." Levia schiebt Lenny und mich zur Seite, um dann Ruby und Jade noch einmal zu bearbeiten, welche schon nach der Ansprache der Kleinen ziemlich verdutzt sind.

Während Lenny und ich wieder den Hügel hinaufgehen sieht Lenny mich von der Seite an. „Sorry. Ich wollte nicht, dass du es so erfährst."

Lächelnd schüttel ich den Kopf. „Es ist nicht meine Sache, ob unser Hotelgast ein berühmte Person ist oder ein ganz normaler Bürger aus irgendeinem Dorf, Mister O'Neill."

Leise lacht er auf. „Da meine Tarnung ganze vier Tage gehalten hat, kannst du mich jetzt auch Lenny nennen."

„Dann nenne ich Sie Mister King, Mister King." Immer professionell bleiben geht mir durch den Kopf, was genau unter dem Punkt mit dem 'Niemals eine öffentliche Liebesbeziehung mit einem Hotelgast eingehen stand.' Wir betreten die Bar des Hotels, in welcher mir auch schon Madame Mercier entgegenkommt und mich mit sich zieht, damit ich ihr genau erzähle, was eben geschehen ist. Als Concierge muss sie natürlich über alles Bescheid wissen. 



19 Tage bis Weihnachten.

Under The Mistletoe - Adventskalender 2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt