7. Dezember

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Obwohl heute mein freier Tag ist, habe ich mir für sechs Uhr einen Wecker gestellt. Seit Wochen bin ich nicht mehr laufen gegangen, und da Madame Mercier nicht möchte, dass wir an unserem freien Tag im Hotel herumschleichen und uns die Langeweile vertreiben, hat sie angeordnet, dass wir außerhalb des Hotels oder in unseren Zimmern sein sollen.

Wirkliche Unternehmungen kann ich nicht machen und während alle anderen Angestellten nach Hause fahren, da sie entweder im Tal wohnen oder in der Nähe, sitze ich mit einem Buch in einem Café in der Stadt. Auch wenn ich meine Familie manchmal vermisse, geht es mir hier sehr gut.

Meiner Kommode entnehme ich eine schwarze Sportleggings und zwei dicke Pullover, so wie Ohrenschützer und einen Rundschal. Draußen liegt der Schnee schon fast zwanzig Zentimeter hoch, weshalb ich mir noch Skisocken über die Laufhose ziehe, damit der Schnee nicht allzu kalt an meinen Knöcheln ist.

'Wo ist eigentlich mein Handy?', frage ich mich und zerre meine Bettdecke vom Bett, weil ich gestern noch unbedingt ein Bild vom Schnee an meine Familie schicken wollte. Im ganzen Bett liegt goldenes Glitzer, was daran liegt, dass ich nach dem gestrigen Abend einfach nur ins Bett gefallen bin und sofort eingeschlafen bin. Meine Hand fährt unter mein Kopfkissen, doch auch hier erfühle ich nicht das kühle Metall meines Handys. Mittlerweile liege ich komplett auf meinem Bett und taste die Matratzenseite an der Wand ab. Nichts.

„Das kann doch jetzt nicht wahr sein", murmele ich und sehe mich gehetzt im Zimmer um. Normalerweise kann ich ohne meine Musik nicht laufen, aber da ich jetzt schon extra meine Laufsachen angezogen habe, werde ich jetzt laufen gehen. Ich schließe mein Fenster und ziehe mir den Rundschal über den Kopf. Meine Ohrenschützer nehme ich in die Hand, öffne die Tür und schweife noch einmal mit meinem Blick durch das Zimmer. Leider wird meine Hoffnung, das Handy doch noch zu finden, nicht erfüllt. Seufzend wende ich mich ab.

Wie immer liegt über den Fluren des Hotels eine angenehme Stille, weshalb ich versuche so lautlos wie möglich zu gehen, damit meine Schritte nicht von den hohen Wänden wiederhallen. An den Fenstern haben sich Eiskristalle gebildet, welche durch das wenige Licht von innen aus jedem Blickwinkel wie verrückt glitzern. Die schweren roten Vorhängen, welche das Fenster umranden, passen perfekt zu dem roten Teppich auf dem Boden und alleine die Tatsache, dass das Hotel schon so festlich aussieht lässt mich so langsam, trotz der Arbeit, in Weihnachtsstimmung kommen.

Weil ich mich in meiner Sportkleidung wirklich sportlich fühle, nehme ich anstatt des Aufzuges die Treppen, welche mit großen roten Schleifen an den Stangen dekoriert ist. Eine Hand auf dem Treppengeländer und die andere in der Luft, damit ich das Gleichgewicht nicht verliere, springe ich von Stufe zu Stufe und komme so schnell unten an. Da ich keine Lust habe, extra bis zum Dienstbotenausgang zu laufen, gehe ich, natürlich nachdem ich mich abgesichert habe, dass niemand an der Rezeption sitzt, durch das Foyer und dann die Drehtür. Auch auf dem Glas der Drehtür, welches nach Außen gerichtet ist, hat sich eine Eisschicht gebildet, welche beim Drehen beginnt zu knacken.

Sofort beginne ich zu laufen und die kalte Luft, die mir entgegenschlägt lässt mich erzittern. Zügig bewege ich mich auf die großen Tannen zu, um meine Muskulatur aufzuwärmen. Der Schnee knirscht unter meinen Laufschuhen und da vom Himmel noch immer dicke Flocken in mein Gesicht fallen, ziehe ich mir den Rundschal vor Mund und Nase.

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Nach einer heißen Dusche, die meinen gefrorenen Körper nur teilweise aufwärmt, entschließe ich mich in die Stadt zu fahren und dort Weihnachtsgeschenke für meine Freunde und Familie zu kaufen, welche ich bald losschicken muss, damit sie rechtzeitig zum Heiligen Abend ankommen.

Meine wenigen freien Tage, die ich bis jetzt hatte, habe ich nur im Café verbracht und mich in der Stadt und den Geschäften selber eigentlich gar nicht umgesehen. Mittlerweile kennt mich Jonas, der Besitzer, dort ziemlich gut und als ich dort, komplett verschneit, mit nassem Mantel, Schal und Mütze, und mehreren Taschen, im wahrsten Sinne des Wortes, hereinschneie, kommt er mir mit ausgebreiteten Armen entgegen.

Under The Mistletoe - Adventskalender 2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt