19. Dezember

352 45 33
                                    

„Ja? Ellie, bei der Rezeption? Sie wünschen?" Ich halte den Telefonhörer des altmodischen Schnurtelefons in der Hand und stoße mich mit den Füßen vom Boden ab, um mich in dem Drehstuhl so lange zu drehen, bis die Schnur sich einmal um mich herumgewickelt hat.

„Gut, dass ich direkt dich hier dran habe", höre ich Jades nervige Stimme, während im Hintergrund der Fernseher zu hören ist, „du hast gestern etwas ganz wichtiges vergessen."

Ich beiße mir auf die Wangen, damit ich ihr nicht sage, dass sie doch selbst zurück in die Stadt fahren soll, um es zu besorgen. „Das tut mir wirklich Leid", sage ich mit betont ruhiger Stimme und bin stolz darauf, dass ich professionell bleibe, „aber auf der Liste stand nichts, was ich nicht gekauft habe."

Ein Lachen ertönt und ich halte den Hörer ein Stück von meiner Ohrmuschel weg, damit mein Trommelfell nicht platzt. Mit der linken Hand streiche ich ein paar Fussel von meiner Strumpfhose, während ich darauf warte, dass sie aufhört zu lachen und blicke mit einem Seitenblick auf Stella, welche mich erwartend ansieht und sich eine kleine Schokokugel, aus der Schublade vor sich, in den Mund schiebt. Dann schiebt sie sich schwerfällig mit ihrem Drehstuhl neben mich und drückt ihr Ohr an die Außenseite des Hörers. Ich verdrehe die Augen. „Liebes." Jades Ton ist genau der gleiche, wie der ihrer Mutter. „Du hast vergessen die Geschenke einzupacken."

„Ich dachte, dass Sie das selbst machen wollen würden."

Jade gibt ein belustigtes Schnauben von sich und ich bin kurz davor den Hörer wieder aufzulegen und einfach nicht mehr darauf einzugehen. Egal was man macht, man macht es falsch. „Natürlich machen wir das nicht selbst. Warum sollten wir das selbst machen? Ich verlange, dass sofort jemand hochkommt und unsere Weihnachtsgeschenke einpackt, verstanden?"

Für einen Moment bin ich sprachlos und lasse mir mit offenem Mund von Stella den Hörer aus der Hand nehmen. „Wir schicken jemanden vorbei. Einen schönen Abend noch", antwortet sie für mich und legt den Hörer endlich auf seine Parkstation zurück.

„Was war das denn bitte?", sage ich noch immer fassungslos. „Ich verlange, dass sofort jemand meine Geschenke einpackt", äffe ich Jade nach und stehe auf. „Ich gehe davon aus, dass ich sowieso gehen muss, dann werde ich das nämlich jetzt machen, damit ich danach meine Ruhe für heute habe. Also echt."

Stella lächelt mich schief an, während ihre eine Hand auf ihrem Bauch liegt und die andere auf meinem Knie. „Es wird immer solche Menschen geben, auch wenn sie sich absolut disrespektvoll verhalten. Mach das beste daraus, okay?"

Ich nicke und stehe auf. „Hoffentlich haben die wenigstens Geschenkpapier, eine Schere und etwas Klebeband, damit ich die Massen an Geschenken einpacken kann, die ich gestern für die beiden kaufen musste."

Meine Stimmung neigt sich schon wieder dem Abgrund zu, einfach schon, weil ich die Williams Töchter nicht leiden kann. Wer lässt bitte Andere, die eigenen Geschenke einpacken? Die mitbringen zu lassen ist das eine, aber sie von einer fremden Person einpacken zu lassen, weil man Angst hat, dass die Nägel abbrechen könnten? Also bitte. Meine Schuhe klackern ein wenig auf dem Holzboden als ich zum Aufzug für die beiden größten Suiten des Hotels gehe, den gemeinsam mit Familie Williams, nur Familie O'Neill noch nutzt.

Mit einem leisen Klingeln öffnen sich die Aufzugtüren und ich trete hinein. Nach ein paar Sekunden bin ich auf der Etage angelangt und sehe nach rechts zu Suite Nummer Eins, an welche ich erst einmal anklopfen muss. Ruby öffnet die Tür und tritt ohne etwas zu sagen zur Seite, damit ich an ihr vorbei hineingehen kann. Von der Zimmerverteilung ist diese Suite wie die der O'Neills aufgebaut, jedoch besitzt Nummer Eins kein Kinderspielzimmer, sondern drei große Schlafzimmer. Direkt im ersten Zimmer sitzt Jade auf dem Boden, vor ihr ist der Inhalt der Einkaufstaschen meiner gestrigen Einkaufstour ausgebreitet. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sieht sie auf und ich bin erstaunt darüber, dass Ruby und sie perfekt geschminkt vor mir stehen, obwohl das Abendessen schon längst vorbei ist.

Under The Mistletoe - Adventskalender 2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt