18. Dezember

331 41 8
                                    

Als ich morgens auf dem Weg zum Frühstück an der Rezeption vorbeigehe, sitzt Madame Mercier alleine dort. Kurz fahre ich mir mit der Hand über die Falten den Rockes und ziehe meine Weste noch einmal gerade. „Guten Morgen Madame", begrüße ich sie und nicke ihr zu.

Madame Mercier sieht mit einem strahlenden Lächeln über das goldene Conciergeschild, doch als sie mich erkennt, verschwindet es. „Ach du bist es nur Ellie. Wenn du gefrühstückt 'ast, kannst du zu mir kommen. 'eute 'aben wir sehr viel zu tun."

„Natürlich, Madame." Ich verdrehe die Augen, als ich an ihr vorbeigehe. Da wünscht man ihr einmal einen guten Morgen und sie antwortet nur mit einem "Ach du bist es nur". Wie unhöflich. Es ist noch relativ früh und es ist noch nicht viel los, bis auf die Gäste, welche über den Tag verteilt Ski fahren gehen und deshalb früh das Hotel verlassen und mit Skikleidung aus der Drehtür heraus in die Taxen steigen, welche sie zur Skipiste bringen.

Auch im Frühstücksraum ist niemand, aber der geplünderte Frühstückstisch weist auf eine hungrige Meute hin, welche schon vorher darüber hingweggefegt ist. Ich nehme mir ein Glas und stöhne auf, als der Krug mit dem Orangensaft nur noch zwei Tropfen beinhaltet. In der Küche werde ich zum Glück viel erfreuter begrüßt, nicht Minder, weil Max, Paul und Leon immer noch ein wenig beschämt durch das gestrige Gespräch sind, als sie sich als meine heimlichen Stalker entpuppt haben.

„Einen wunderschönen guten Morgen", ruft Leon mir zu, als ich bei dem übergroßen Kühlschrank stehe und eine der Türen öffne, um den Krug mit dem Orangensaft aufzufüllen.

Ein leichtes Lächeln fährt über meine Lippen und ich atme laut auf, als ich mit meinem Körper halb in das Innenleben des Kühlschrank tauche. „Heute ist kein guter Morgen", brumme ich. Die Flaschen mit dem Orangensaft stapeln sich auf einer der Zwischenräume und ich nehme sechs heraus, nur für den Fall, dass gleich noch mehr Angestellte kommen, die auch Saft trinken wollen.

Mit der Schulter werfe ich die Kühlschranktür wieder zu und stelle mich an eine der Kücheninseln, auf welcher ich den Krug abgestellt habe. Ein paar der Küchenhilfen sehen mich mit einem mitleidigen Blick an, aber die meisten ignorieren mich, weil sie selbst total im Stress sind, da aufgrund der aufkommenden Feiertage so viele Gäste gleichzeitig im Haus sind. Leon, der Küchenchef, sieht über seine Angestellten und kommt dann neben mich, wobei eine Wolke aus Schokolade und Zimt mit ihm zieht, was ich unabstreitbar wirklich lecker finde.

„Du musst meinen Kühlschrank nicht so malträtieren", sagt er belustigt und streichelt einmal mit der Hand über das kühle Metall.

Ich lege meinen Kopf schief und sehe ihn mit zusammengekniffenen Augen an, während ich die Orangensaftflasche schüttele und dann erfolglos am Deckel drehe, der sich einfach nicht bewegen lässt. Die rauen Rille drehen sich einfach an meiner Hand vorbei und ich bin schon dabei aufzugeben, als Leon mir mit hochgezogenen Augenbrauen die Flasche aus der Hand nimmt und mit einem kurzen Dreher nach rechts, öffnet. „Hast du nicht irgendwie noch was zu arbeiten?", frage ich beleidigt, aufgrund der Tatsache, dass ich einfach in die falsche Richtung gedreht habe.

Lachend gibt Leon mir die nun geöffnete Flasche und legt den Deckel neben mich auf den Tisch. „Also heute Morgen bist du ja überhaupt nicht gut gelaunt. Kann dich irgendwas aufmuntern?"

„Nein, wahrscheinlich nicht", gebe ich von mir und verziehe das Gesicht zu einer traurigen Maske.

„Auch nicht die Gelegenheit, als erste unser Schokoladen-Zimt-Mousse zu kosten?"

Sofort schnellt mein Blick nach oben. „Ich glaube, dass mir das wahrscheinlich doch helfen könnte." Jeden Tag werden in der Küche die besten Desserts gekocht und wenn ich nach einer meiner Schichten in den Aufenthaltsraum komme, ist meist nicht mehr viel davon übrig.

Under The Mistletoe - Adventskalender 2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt