IV

3 0 0
                                    



"Ethan?", sagte ich und sah ihn fragend an.

"Ja?", antwortete er.

"Warum hast du mir überhaupt geholfen?", fragte ich ihn. Er sah mich etwas verwirrt an, so als hätte ich etwas in einer anderen Sprache gesagt.

"Weil es das Richtige war. Wer weiss, was diese Kerle damals mit dir gemacht hätten!" Sein Griff um meine Hände verstärkte sich ein wenig.

"Aber was war an mir denn so Besonders? Ich verstehe das nicht... Und...", sagte ich, stoppte dann aber.

"Und was?", fragte er und sah mich sanft an.

"Weisst du... warum ich nicht nach Hause wollte? Nie wieder? Nicht freiwillig?", fragte ich und sah ihn an.

"Und wie lange ist das alles her? Ich kann mich absolut nicht daran erinnern. Es ist, als wäre mein Kopf leer gefegt. Ich weiss überhaupt nichts von meinem Leben...", fügte ich bedrückt hinzu. Ethan begann meine Hände zu streicheln.

"Ich weiss Adriana... Ich weiss...", sagte auch er mit einem bedrückten Ton in der Stimme.

"Wieso du nicht mehr nach Hause wolltest, das habe ich mir so zusammengereimt, dass deine Familie furchtbar war, oder zumindest jemand davon und du es nicht mehr ausgehalten hast... Was die Zeitspanne zwischen jetzt und damals betrifft... Nun, sagen wir es ist sehr lange her."

"Wie lange?", hakte ich nach. Ich wollte wissen, wieviel Zeit seither vergangen war.

Ethan atmete einmal tief ein und aus, ehe er zu Reden anfing.

"100 Jahre. Es sind 100 Jahre vergangen." Er sagte es so, als wäre es das normalste der Welt.

"100 Jahre?! Aber... Das ist nicht möglich", platzte es aus mir heraus. Es konnten unmöglich 100 Jahre vergangen sein. Der Anblick von mir, den ich in diesem seltsamen Raum gesehen hatte, sah nicht älter als 19 aus.

"Das kann nicht sein... 100 Jahre... Niemals... Nein niemals sind 100 Jahre vergangen...", wiederholte ich mich immer wieder. Ich zog meine Hände zu mir und verdeckte mein Gesicht. Das konnte unmöglich wahr sein. Er musste mich auf den Arm nehmen, das konnte er doch nicht ernst meinen!

"Sag mir, dass das nicht wahr ist", sagte ich verzweifelt.

"Adriana es ist wahr. Es sind wirklich 100 Jahre vergangen. Sieh dir das Datum der Zeitung an", sagte er und reichte mir eine Zeitung mit dem scheinbar heutigen Datum.

Es war der 17. Juni 2118...

"Ethan... Ich verstehe das alles nicht... Wenn wirklich 100 Jahre vergangen sind... Warum bin ich nicht gealtert? Und was ist überhaupt mit mir passiert??", fragte ich ihn.

"Das zu erklären ist ein bisschen kompliziert...", gestand Ethan etwas unsicher.

"Dann fang an. Ich will... Nein... Ich muss es wissen."

Ethan sah mich mit einem niedergeschlagenen Blick an. Es fiel mir schwer, ihn mit so einer Miene anzusehen, aber ich musste wissen, was geschehen war.

"Also damit du das Ganze auch verstehst, müsste ich von ganz vorne beginnen, an dem Tag, als ich dich das erste Mal sah...", sagte er und kratzte sich am Hinterkopf.

"Dann bitte, fang an, ich hab Zeit...", antwortete ich.

"In Ordnung, dann hör gut zu", sagte er und sah mich eindringlich an.

"Wie du weisst, habe ich dir damals geholfen... Weiter ging es folgendermassen..."


DALLAS

Vor 100 Jahren

Jedes Mal, wenn ich Adriana ansah, musste ich lächeln. Ich wusste nicht wieso, aber sie anzusehen reichte, um meine Laune zu erhellen. Ich kannte sie gerade mal einen Tag und das auch nur, weil ich sie vor schmierigen Angreifern gerettet hatte. Und doch hatte sie eine seltsame, aber zugleich angenehme Wirkung auf mich. Selten hatte ich ein solches Gefühl verspürt beim Anblick von jemandem. Sie war wirklich etwas besonderes.

"Ethan?", sagte Adriana und sah mich schräg an.

"Hm?", fragte ich und sah sie ebenfalls an.

"Ist alles ok? Du wirkst so abwesend...", sagte sie.

"Ja, alles bestens. Hab bloss nachgedacht", antwortete ich und lächelte leicht.

"Ach so... Ich wollte dir eigentlich noch danken... für deine Hilfe gestern...", sagte sie etwas schüchtern. Ich glaube, wenn sie gekonnt hätte, hätte sie sich am liebsten in Luft aufgelöst.

"Ist doch nicht der Rede wert. Ich kann solche widerlichen Kerle nicht ausstehen und wenn ich gerade zur rechten Zeit am rechten Ort bin, schaue ich auch nicht weg." Sie strahlte mich regelrecht an. Ihre Augen waren einfach atemberaubend. Selten hatte ich ein solch intensives Grün gesehen.

Sie leuchteten heller als jeder Smaragd der Erde. Ihre Haare waren fast genau so schön. Nicht nur, dass sie langes, gewelltes Haar hatte, dass ihr bis zur Hüfte reichte, nein. Es war eine schöne Mischung aus Braun und Blond. Ich wusste nicht, ob die blonden Strähnen künstlich hineingefärbt wurden, oder ob sie natürlich waren, aber es unterstrich ihre Schönheit ungemein.

"Habe ich etwas im Gesicht?", fragte sie und tastetet ihr Gesicht ab. Ich musste sie wohl ein wenig zu lange eindringlich angestarrt haben, nicht nur angesehen.

"Ja, hast du", sagte ich und sie sah mich überrascht an.

"Und was??", fragte sie in der Erwartung, dass ich ihr sagen würde was es war oder dass ich es entfernen würde.

"Deine Schönheit", antwortete ich. Ich konnte es nicht steuern, denn das rutschte mir nur so heraus. Adriana wurde schlagartig rot im Gesicht. Ein Lächeln machte sich erneut auf meinem Gesicht breit.

"Kannst du aufhören so albern zu grinsen?", fragte sie und streckte mir die Zunge raus.

"Na du bist aber ungezogen!" Ich lachte und sie tat es mir gleich.

"Ich hätte da eine Frage an dich Adriana."

"Und welche?", sagte sie und sah mich neugierig an.

"Weisst du, wer die beiden Typen gestern waren? Kanntest du sie? Oder warst du nur ein wahlloses Opfer für sie?" Sie antwortete nicht sofort, sondern sah erst weg. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich und ich konnte ihr ansehen, dass es ihr unangenehm war.

"Ist auch nicht so wichtig, du musst es mir nicht sagen", meinte ich zu ihr.

"Nein es... es ist nur so, dass...", stammelte sie. Es war ihr ins Gesicht geschrieben, dass sie nicht wusste, wie sie die nächsten Worte formulieren sollte.

Am Anfang der EwigkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt