XIII

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Als ich nach Adriana sehen wollte, fand ich sie in ihrem Zimmer auf dem Bett sitzend und nach draussen starrend.

"Ist alles in Ordnung?", fragte ich sie, als ich zu ihr ging. Sie schien mich gar nicht gehört zu haben, denn sie zuckte leicht zusammen, als ich vor ihr auf die Knie ging.

"Alles in Ordnung?", wiederholte ich meine Frage. Sie sass aber nur wortlos da und starrte weiterhin aus dem Fenster. Ich sah ebenfalls nach draussen, um zu sehen, ob da etwas war, was ihren Blick so  fesselte, aber da war nichts. Nur der Wald.

"Worüber denkst du nach?", fragte ich. Aber auch auf diese Frage erhielt ich keine Antwort. Dann beschloss ich ihre Hände zu fassen. Auf das reagierte sie dann endlich und sah mir in die Augen. Ich wiederholte meine Frage und hoffte, dass sie dieses Mal antworten würde.

"Ich... Ich hab über nichts wichtiges nachgedacht", sagte sie, doch ich merkte, dass sie noch leicht geistesabwesend war. Ich sah sie eindringlich an.

"Du weisst, du kannst mir alles anvertrauen Adriana?"

"Ja ich weiss... Aber es ist nichts, wirklich."

"Das glaube ich dir nicht. Deine Aura sagt etwas anderes als deine Worte." Und es war wahr. Ihre Aura stimmte nicht im geringsten mit ihren Worten überein.

"Deine Aura ist Lila und diese Farbe steht für Unsicherheit und Angst. Was bedrückt dich?", hakte ich nach.

"Es... Es ist nur... Ich wollte zwar von Zuhause weg aber... Dass das so weit ausartet hätte ich nicht erwartet... Und das... Das macht mir Angst."

"Adriana ich sage es dir nochmal: Solange ich bei dir bin verspreche ich dir, dass dir nichts passieren wird. Und wenn es das letzte sein sollte, was ich tuhe." Während ich das sagte drückte ich ihre Hände ein wenig, um meinen Worten noch mehr Ausdruck zu verleihen. Sonderlich zu beruhigen schien es Adriana leider trotzdem nicht, denn ihre Aura blieb unverändert. Ich stand wieder auf beiden Füssen, als ich Adriana zu mir heranzog und sie umarmte. Ich legte mein Kinn auf ihren Kopf und sagte erneut, dass ihr nichts passieren würde, solange ich da war. Das würde ich niemals zulassen.

Wir verharrten für einige Minuten in dieser Position und ich konnte Adrianas Herzschlag spüren. Anfangs war er noch schnell und ungleichmässig, doch mit der Zeit beruhigte er sich wieder und mein Herzschlag und ihrer stimmten dann überein. Unsere Herzen schlugen im gleichen Takt und zur gleichen Zeit. Ich lockerte meine Arme ein wenig, damit Adriana etwas Freiraum bekam. Sie löste sich nicht ganz von mir, aber dennoch so weit, dass sie mir ins Gesicht sehen konnte. Da Cam sich schon um Adrianas Äusseres gekümmert hatte für unsere Flucht, sah ich anstatt Adrianas schokoladenbraunen Augen die eisblauen Augen, die Cam ihr mit Hilfe seiner Kräfte gemacht hatte. Während ich sie so betrachtete fühlte ich, wie die Luft sich elektrisch auflud und eine Spannung entstand. Langsam legte ich meine rechte Hand an ihre Wange und liess sie bis an ihren Hinterkopf wandern. Gleichzeitig brachte ich mein Gesicht näher an ihres. Da unsere Herzen vorhin gleichmässig schlugen und völlig entspannt waren, so schlugen sie jetzt beide im selben rasanten Takt. Mittlerweile spürte ich auch Adrianas Atem auf meinen Lippen und schliesslich überbrückte ich die letzten Millimeter, die unsere Lippen noch trennten.

Augenblicklich erwiderte Adriana den Kuss und so zog ich sie mit meiner linken Hand näher an mich heran. Zudem drückte ich ihren Kopf sanft gegen meinen, sodass der Kuss nicht unterbrochen wird.

Mit jeder Minute die verging, wurde der Kuss inniger und ich spürte ein Verlangen in mir wachsen. Ich wollte Adriana gerade auf das Bett werfen, als ich ein Räuspern hörte. Adriana schreckte zurück und unterbrach so den Kuss.

"Störe ich?", fragte Sunny, der mit einem seltsamen Grinsen im Türrahmen stand.

"Was willst du hier?", stellte ich eine Gegenfrage und verschränkte leicht genervt die Arme vor der Brust.

"Ich wollte mich nur erkundigen, wie weit ihr mit Packen seid. Aber wie ich sehe wart ihr anderweitig beschäftigt", antwortete er und zog fragend eine Augenbraue hoch.

"Wir wollten gerade anfangen zu packen, also wenn du uns entschuldigen würdest? Das können wir auch ohne Publikum!", zischte Adriana energisch, stampfte zur Tür, schubste Sunny hinaus und knallte die Tür vor seiner Nase zu. Dann drehte sie sich um und schnaubte kurz wütend aus, ehe sie sich wieder beruhigt hatte.

"Tut mir Leid wegen Sunny... Er ist...", wollte ich sagen, als sie mich unterbrach.

"Spar es dir bitte. Du weisst, wie ich von Sunny denke! Und jetzt hilf mir packen, bitte." In diesem Satz steckten so viele Emotionen auf einmal, dass mir fast schwindelig wurde. Ich riss mich aber zusammen und machte mich daran, Adriana beim Packen zu helfen. Wir sollten nur das Nötigste mitnehmen hatte Sunny gesagt. Zu viel Balast könnte uns hindern. Während der ganzen Zeit, die wir aussortierten, was Adriana mitnehmen sollte, schwieg sie. Kein Wort kaum aus ihrem Mund und aus irgendeinem Grund war ich auch nicht in der Lage, einen Blick in ihre Gedanken zu werfen.

Es war, als hätte sie einen Weg gefunden, eine Mauer aufzubauen die mir den Eintritt versperrte und es gab keinen Weg um diese Mauer herum. Sie schloss mich komplett aus. Und ihre Aura war eine Mischung aus Grün und Rot, also war sie einerseits neutral, andererseits aber auch wütend. Und dann stellte sich mir die Frage, auf wen war sie wütend? War sie wütend auf mich? Weil ich sie vielleicht überrumpelt hatte mit dem Kuss? Oder war sie wütend auf Sunny? Oder sogar auf sich selbst?

"Wie lange willst du mich noch regungslos anstarren Ethan?", hörte ich sie auf einmal zischen. Ich schüttelte den Kopf.

"Tut mir Leid... Ich wollte nicht starren."

"Das sagen sie alle. Ich schätze wir sind fertig. Kannst du mich allein lassen? Ich brauche etwas Zeit für mich, bevor wir aufbrechen müssen." Ich nickte und verliess ihr Zimmer, um dann in mein eigenes zu gehen. Ich musste schliesslich auch noch ein paar Sachen einpacken. Ich konnte vielleicht mein Aussehen verändern, aber Kleidung aus dem Nichts herzaubern, das war etwas, was wir Genesis nicht zu tun vermochten.

Am Anfang der EwigkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt