VIII

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Ich schloss wieder die Augen, atmete tief ein und aus und konzentrierte mich auf meine Hände. Ich liess all meine Gedanken, Empfindungen und meine Energie in meine Hände fliessen. Ich konnte fühlen, wie sie wärmer wurden. Adriana musste es auch bemerkt haben, denn sie wollte ihre Hand wegziehen.

"Nicht", sagte ich, die Augen immer noch geschlossen und Adriana hielt inne.

Ich fokussierte meine gesamte Energie auf Adriana's Wunde und nach nur wenigen Augenblicken hörte ich, wie Adriana verblüfft scharf die Luft einsog.

Langsam öffnete ich die Augen und liess ihre Hand los. Ich sah Adriana an. Ihr war förmlich ins Gesicht geschrieben, dass keinen Schimmer hatte, was hier vor sich ging. Ich zeigte mit meinem Kinn auf ihre Hand und Adriana's Augen wurden nur noch grösser, als sie ihre Handfläche inspizierte.

"Was... Aber... Wie...?", brachte sie abgehackt hervor.

"Wie hast du das gemacht?? Und WAS hast du gemacht??", fragte sie anschliessend.

"Versprich mir, dass du nicht ausflippst", sagte ich und sah sie an. Verwirrt erwiderte sie meinen Blick.

"Versprich es", sagte ich mit Nachdruck. Sie nickte zögernd.

"Ich verspreche es", fügte sie zu ihrem Nicken hinzu. Ich bereitete mich innerlich darauf vor, die Wahrheit zu sagen.

"Also du kennst doch sicher die 'Geschichte' der Entstehung der Erde und den Bewohnern oder? Dass Gott sie geschaffen hat?", fragte ich sie als erstes. Sie nickte.

"Ok. Ganz so ist es damals allerdings nicht passiert. Es war nicht Gott, der die Bewohner erschuf", sagte ich.

"Wie meinst du das?", fragte Adriana.

"Vor Äonen fand ein uraltes Volk, die Genesis, einen wüsten Planeten, die Erde. Diesen Planeten hatten sie ausgewählt, um dort eine Zivilisation entstehen zu lassen. Sie schufen alles, was man heute kennt. Tiere, Meere, Berge, Menschen, einfach alles. Verborgen in den Gefilden des Himmels lebten sie friedlich, wachend über ihr Werk und miteinander im Einklang. Doch es gab auch Genesis, denen es nicht gefiel, dass alle gleich waren und der Älteste als Oberhaupt angesehen wurde. Sie wollten an die Spitze. Sie wollten auf den Thron. So stürzten sie den Ältesten und Chaos brach aus. Rebellen wurden gefangen genommen und versklavt, oder vernichtet. Einigen gelang jedoch die Flucht und so reisten sie unbemerkt auf die Erde, zu den Menschen. Die verbliebenen, flüchtigen Rebellen mischten sich unter die Menschen und warteten. Warteten  darauf, dort die Rettung zu finden. Ich bin einer dieser Genesis-Rebellen. Bevor ich aufgebrochen bin, hatte der Älteste, den wir alle für tot geglaubt hatten, Kontakt mit mir aufgenommen und mir gesagt, was die Rettung unseres Volkes sein werde. Ein reines Herz, das verloren schien, würde aus der Verzweiflung auftauchen und Frieden bringen." Ich machte eine Pause.

"Kommst du soweit mit?", fragte ich Adriana und sie nickte.

"Eine Frage habe ich allerdings...", sagte sie nach einer Weile.

"Frag ruhig."

"Wenn du vor Äonen auf die Erde hinabgestiegen bist, wie kommt es, dass du kaum älter aussiehst als 21?", fragte sie.

"Das ist eine der Fähigkeiten, die wir Genesis besitzen. Wir können unser Aussehen verändern und uns unserer Umgebung anpassen. Ich habe allerdings nicht immer so ausgesehen, wie ich jetzt vor dir bin", sagte ich. Adriana schien verwirrt.

"Ich zeig es dir", sagte ich und liess mein Äusseres sich verändern. Von meinen blauen Augen und meinen schwarzen Haaren liess ich nichts übrig. Die Augen färbte ich in ein sattes Braun, die Haare in ein sanftes Blondbraun. Auch meine Gesichtsknochen passte ich an ein früheres Erscheinungsbild an, das ich einst angenommen hatte. Als meine 'Verwandlung' abgeschlossen war, sah ich Adriana an. Sie sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen. Ihr Mund stand offen, so als ob sie gerade etwas sagen wollte, aber nicht die Worte dazu fand.

"Beeindruckend, nicht?", sagte ich und lachte leicht. Sie nickte. Dann schien sie sich wieder gefangen zu haben und schloss den Mund.

"Und was habt ihr noch so für Fähigkeiten?", fragte Adriana. Sie schien je länger je beeindruckter davon zu sein, was ich bin und überhaupt nicht verängstigt.

"Wie du gerade eben auch aus erster Hand erlebt hast, können wir Genesis andere heilen", sagte ich. Anschliessend nahm ich wieder mein vorheriges Erscheinungsbild an.

"Wow... Einfach... Wow...", sagte sie. Dann schien sie zu überlegen.

"Worüber denkst du nach?", fragte ich instinktiv aus Neugier.

"Nur... Du sagtest, in den Gefilden des Himmels herrsche Chaos und das schon seit sehr langer Zeit... Und dass die Rettung hier auf der Erde zu finden sei...", sagte sie und ihr war anzumerken, dass sie Schwierigkeiten hatte, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Ich nickte.

"Hast du... schon eine Idee, wer dieses reine Herz ist, das verloren scheint?", fragte sie. Es überraschte mich, dass sie mir so eine Frage stellte. Ich wusste nicht wirklich, was ich darauf antworten sollte.

"Ich... Nein... Ich hab keine Ahnung, wer das sein könnte...", sagte ich. Die Erde war ein riesiger Planet und ich wusste nicht, ob ich in diesem Jahrhundert jenes reine Herz finden würde, oder ob es erst im nächsten Jahrhundert geschehen würde...

"Verstehe... Und glaubst du, du findest es bald?", fragte sie weiter.

"Ich hoffe es... Ich weiss nicht, wieviel sich seit meiner Flucht in den Gefilden verändert hat, aber allzu lange darf die Suche auch nicht mehr dauern."

"Nun... Ich will versuchen, dir zu helfen Ethan", sagte sie und bedachte mich mit einem Lächeln.

"Schliesslich hast du mich vor den beiden Typen gerettet", fügte sie noch hinzu. Ich wusste nicht wieso, aber mein Herz machte in diesem Moment einen Freudensprung. Zwar war mir nicht klar, wie sie mir helfen konnte, nach diesem reinen Herz zu suchen, und überhaupt wusste ich ja auch gar nicht wie ich mir dieses reine Herz vorstellen sollte, aber ich war dankbar, dass Adriana mir helfen wollte.

Am Anfang der EwigkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt