Kapitel 11

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Er nahm meine Hand und führte mich einmal quer übers Dach. Erst wusste ich nicht wo er mich hinbringen würde, dann sah ich es. Am anderen Ende des Daches stand ein kleiner Wintergarten.

„Was ist das Liam?“

„Während meine Mutter arbeitete, kam ich immer in dieses Restaurant um zu essen. Der Besitzer des Ladens merkte, dass ich immer hier oben auf dem Dach saß. Dieser kleine Wintergarten war quasi mein Geburtstagsgeschenk an mich. Damit hatte ich meinen eigenen kleinen Fluchtplatz. Außer ihm, habe ich noch nie jemanden rein gelassen.“

Er lächelte, als er das erzählte. Es musste eine schöne Erinnerung sein. Erst jetzt fiel mir der kleine Schlüssel auf, der um seinen Hals hing. Er schloss das Gartenhäuschen auf und wir traten ein.
Es war wirklich ein kleines Paradies für sich. Es standen die verschiedensten Pflanzen in dem Häuschen. Bunte Blumen, bis hin zu Kletterpflanzen die fast eine ganze Wand einnahmen. Man bedachte hierbei, dass das Häuschen ungefähr so groß war wie mein Zimmer.
An einer Wand stand, umgeben von den Kletterpflanzen, ein Sofa.

„Hast du auch schon mal hier drinnen geschlafen?“

„Ja schon öfter. Wenn meine Mum mal die ganze Nacht durchgearbeitet hatte, oder ich mich mit ihr stritt. Dann bin ich immer hier her gekommen und habe im schlimmsten Fall auch mal hier übernachtet.“

„Wow das ist krass.“

„Naja es geht. Außerdem ist das Sofa verdammt bequem.“

Er setzte sich drauf und zog mich an sich. Ich setzte mich schräg auf das Sofa und lehnte mich an seine Schulter. Er legte einen Arm um mich, spielte mit meinem Haar, was ich absolut liebte, und begann zu erzählen.

„Mein Vater verschwand, da war ich gerade neun geworden. Meine Mutter war natürlich am Boden zerstört und weinte Tage lang. Ich hab mich dann um sie gekümmert und gefragt was denn los sei, doch sie hat mir nicht geantwortet, nie. Ich habe gelernt zu kochen und habe unser ganzen Haus geputzt immer und immer wieder. Ich dachte, dass ich es doch irgendwie schaffen müsse, das es meiner Mutter wieder gut ging.
Irgendwann hatte ich es aufgegeben und Miss Jones und Alexander kamen in unseren Dienst.
Dann hab ich sie ein mal gefragt wo mein Vater sei und sie schrie mich an ich solle ruhig sein. Als ich dann auch mal in Tränen ausbrach, verstand sie endlich, dass es mir damit genauso schlecht ging wie ihr auch.
Sie hat sich dann wieder aufgerappelt und so getan als sei nichts. Ich wusste aber, dass es ihr weiterhin nicht gut ging und immer wenn sie mich ansah, lag Trauer in ihren Augen. Ich denke das lag daran, dass ich sie zu sehr an meinen Vater erinnerte.
Es gingen die ersten Gerüchte herum, dass er uns einfach im Stich gelassen hatte und da nie eine Todesanzeige oder ein Leichnam aufgetaucht war, musste es ja so sein, oder? Meine Mutter hat sich dann in ihrer Arbeit versteckt und wie du siehst hat sie es auch zu was gebracht.
Meine Mutter und ich waren uns früher so nahe gewesen. Ich war meinem Vater auch nahe, jede freie Minute verbrachte er mit mir und meiner Mum. Wir haben Ausflüge gemacht und gespielt... Wir waren eine wundervolle Familie und meine Eltern schienen sich echt geliebt zu haben... und ich dachte er liebte auch mich...“, Liam stockte und es zerriss mir beinahe das Herz.

Gerade als er noch von ihrer Familie gesprochen hatte, da hatten seine Augen gefunkelt, geleuchtet wie die eines kleinen Jungens und jetzt sah ich darin nur noch Schmerz, Angst und Einsamkeit.

„Mein Vater hatte uns verlassen und meine Mutter ging mir auch immer mehr aus dem Weg. Irgendwann nahm sie wieder ihren Familiennamen an, aber ich weigerte mich meinen Namen, den Namen meines Vaters herzugeben.
Einmal hatten meine Mutter und ich uns dann gestritten, weil ich in der Schule eine Prügelei angefangen hatte. Ich hatte ihr an den Kopf geworfen, dass ich es verstehen würde, dass mein Vater uns verlassen hatte. Da hatte sie mich geschlagen. Im nächsten Moment hat sie mich dann direkt in den Arm genommen, angefangen zu weinen und sich tausendmal entschuldigt. Danach hab ich dieses Thema nie wieder angesprochen, aber sobald es jemand tat, rastete meine Mutter total aus und schrie denjenigen an, dass er uns nicht verlassen habe.

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