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Der nächste Schultag, begann für Eddie Kaspbrak und Richie Tozier  mit einer Doppelstunde Physik. Überraschenderweise, war die Klasse sogar relativ ruhig, während ihr Lehrer vorne vor der Tafel stand, und einige Begriffe aus dem Bereich der Mechanik erläuterte. Vielleicht lag es daran, dass der Schlaf ihnen teils noch ein wenig in den Gelenken saß, schließlich waren dies erst die ersten beiden Stunden, auch, wenn diese sich bereits dem Ende zu neigten.

Eddie saß nach vorne gelehnt an seinem Tisch, den Kopf auf die linke Hand gestützt, und den Blick mehr oder weniger aufmerksam nach vorne zu ihrem Lehrer gerichtet. " Nicht einschlafen, Ed's", murmelte Richie neben ihm, und schubste ihn leicht mit dem Ellenbogen an. Eddie's haselnussbraune Augen fixierten nun nicht mehr ihren Physiklehrer, sondern den schwarzhaarigen Jungen neben ihm. " Sehr witzig. Ich bin hellwach", nuschelte er nur, was sein Gegenüber zum Schmunzeln brachte.

Entgegen dem, was Eddie eben gesagt hatte, wirkte er nicht wirkljch hellwach, im Gegenteil. Er wirkte ein wenig müde, wenn auch nicht so sehr, wie er es am Tag zuvor getan hatte. Unter seinen Augen zeichneten sich sogar bereits leichte Augenringe ab, auch, wenn diese eigentlich kaum zu sehen waren, wenn man nicht genau hin sah. " Ach Ed's. Deine Mom meinte eigentlich, sie hätte dir beigebracht, dass man seine Freunde nicht anlügen soll", flüsterte Richie seinem Nebensitzer ins Ohr, was diesen leicht zusammen zucken ließ, und schob die Unterlippe ein wenig vor.

Eddie verdrehte nur die Augen, und wandte seinen Blick nun wieder dem Lehrer zu, der bereits mehrere Blicke zu ihnen in der zweiten Reihe geworfen hatte. Vermutlich hätte er bemerkt, wie sie miteinander geredet hatten, auch, wenn Richie sich sicher war, dass er eigentlich gerade laut genug gesprochen hatte, dass Eddie ihn hatte hören können. Richie blickte erneut zu Eddie, der jedoch nun demonstrativ nach vorne blickte, so als würde er sich beinahe dazu zwingen.

Irgendwie sah ihm dies ähnlich. Immer, wenn die beide  in einem Schulfach nebeneinander saßen, und immer, wenn es Eddie mit Richie's Sprüchen zu viel wurde, richtete er seine Aufmerksamkeit mehr dem Unterricht zu, als seinem Nebensitzer. Zumindest versuchte er dies, denn komplett ignorieren konnte er den schwarzhaarigen Lockenkopf nie wirklich. Dafür sorgte dieser meistens, mehr oder weniger bewusst. Schon des öfteren hatte der kleinere Junge sich dabei erwischt, wie er dem Brillenträger während dem Unterricht immer wieder kurze Seitenblicke zugeworfen hatte, hoffend, dass dieser es nicht merken würde.

Vermutlich merkte Richie es meistens tatsächlich nicht, und wenn doch, dann ließ er es sich nicht anmerken.  Eddie hörte ein gelangweilt klingendes Seufzen, das von seinem Nebensitzer auszugehen schien. Ohne den Kopf merklich zu drehen, warf er unwillkürlich einen kurzen Blick zu seiner rechten Seite.

Richie saß, über sein Heft gebeugt da, den Kopf leicht zur Seite geneigt, einen Kugelschreiber in der rechten Hand, und offenbar ziemlich fixiert auf das, was auch immer er da gerade tat. Seine dunklen Locken fielen ihm ins Gesicht, und, aufgrund von Richie's gebeugter Haltung, bedeckten sie nicht nur die Hälfte seines Gesichts, sondern behinderten auch die Sicht auf die Seite seines Hefts, auf die er offenbar gerade etwas schrieb, oder eher gesagt, kritzelte. Richie's Schrift war nie besonders schön, oder besonders leserlich gewesen.

Die Buchstaben waren klein, und, auch wenn er sich Mühe gab, ein wenig krakelig. Doch sonderlich schwer zu lesen, war sie eigentlich auch nicht. Obgleich sie nicht sonderlich ordentlich wirkte, sah Richie's Schrift-, wenn man sie nicht bereits schon so oft gesehen hatte wie Eddie, und sie deshalb vermutlich unter vielen anderen Schriften immer noch erkennen würde- eigentlich genauso aus, wie die, von vielen anderen Schülern auch.

Allerdings, schien das, was der Tozierjunge gerade in die linke Ecke auf den Rand des karrierten Blattes schrieb, beinahe unmöglich zu lesen zu sein. Es schien klein geschrieben zu sein, kleiner, als Richie normalerweise schrieb, und das, was an seiner normalen Schrift krakelig wirkte, schien hier verstärkt vorhanden zu sein.  So, dass Eddie ein ganzes Stück näher an Richie hätte rücken müssen, um es lesen zu können. Und das, wäre zu auffällig. Er wollte nicht, dass der Schwarzhaarige dachte, er würde ihm nachspionieren,oder in seinen Sachen herum schnüffeln. Denn das tat er nicht. Er wollte nicht, dass es auf sein Gegenüber komisch wirkte, und dieser daraufhin womöglich Verdacht schöpfen würde. Verdacht, dass sein bester Freund mehr als nur rein freundschaftliche Zuneigung  für ihn empfand. Verdacht, dass sein bester Freund Gefühle für ihn hatte, die normale, beste Freunde eigentlich nicht füreinander hatten. Gefühle, die er selber nie erwidern würde. Oder? Der braunhaarige Junge wollte sich keine falschen Hoffnungen machen. Er wollte nicht glauben, oder hoffen, Richie würde genauso fühlen, nur, um dann herauszufinden, was er eigentlich schon die ganze Zeit über befürchtet hatte; dass er  es eben nicht tat. Denn das, würde vermutlich mehr weh tun, als alles Andere. Mehr, als wenn er bereits annahm, keine Chance zu haben. Mehr, als wenn gar nicht in Versuchung kam, zu glauben, sein Freund würde das Gleiche fühlen. Oder? Aber was wäre, wenn doch? Was wäre, wenn Richie doch ähnlich fühlte wie er selbst? Ein Teil von Eddie, auch, wenn es nur ein kleiner Teil war, könnte nicht aufhören, sich jene Frage zu stellen.

Stay ( Reddie) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt