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Die nächsten zwei Tage vergingen schneller als gedacht, und schon war es Samstag. Samstag Nachmittag, um genau zu sein. Donnerstag und Freitag waren vergangen, so wie der Rest der Woche auch. Selbst der Ablauf war ähnlich gewesen. Doch war der Ablauf eines Tages während der Schulzeit nicht immer so ähnlich, wie der Ablauf des Tages davor? Vermutlich schon.

Richie und Eddie hätten sich in den letzten Tagen nicht besonders oft gesehen, wenn man von den Pausen absah. Und wenn sie sich gesehen hatten, dann war von außen gesehen alles wie immer gewesen. Von außen gesehen, hatte sich nichts verändert. Sie waren noch immer beste Freunde. Richie zog noch immer gelegentlich über Mrs. Kaspbrak her. Sie sprachen normal miteinander, als wären die Erlebnisse in jener Woche nie passiert, obgleich beide wussten, dass es anders war, als vor jener Woche.

Schon allein für Richie war es komisch, und er konnte sich vorstellen, wie es erst für Eddie sein musste. Wie es wohl für Eddie gewesen war, als Richie zuerst gemeint hatte, er würde ihm etwas sagen müssen, ehe er sich umentschieden hatte, und weg gegangen war. Wie es für Eddie wohl gewesen war, verwirrt stehen gelassen zu werden. Vermutlich ähnlich, wie es Richie ergangen war, nachdem Eddie aus dem Klassenzimmer verschwinden war, nur noch ein bisschen schlimmer.

Wenn Richie ehrlich war, dann fühlte er sich noch immer schlecht deswegen. Weil er Eddie damals alleine hatte stehen lassen, obwohl er dies eigentlich gar nicht wirklich gewollt hatte. Er wollte ihm von seinen Gefühlen erzählen, er hatte es auch an jenem Tag gewollt, doch dann hatte er einen Rückzieher gemacht. Einen Rückzieher, weil er es nicht geschafft hatte, drei Worte über die Lippen zu bringen. Er hätte die auch nicht so direkt sagen müssen. Es gab mehr als eine Möglichkeit, jemandem zu erzählen, dass man Gefühle für ihn hatte, oder nicht?
Ja, doch Richie hatte keine der Möglichkeit genutzt, denn er hatte beschlossen, es für sich zu sich zu behalten.

Feigling.

Richie zuckte leicht zusammen, als er feststellte, dass jene Stimme in seinem Kopf sich ein wenig wie Henry Bowers anhörte. Henry Bowers, der zum Glück nicht mehr auf ihre Schule ging, der ihn jedoch jahrelang fertig gemacht hatte. Henry Bowers, von dem er mehr als genug Beleidigungen und Schläge eingesteckt hatte, dass es für sein ganzes Schulleben reichte. Er erinnerte sich noch an den Vorfall, vor vier Jahren. Den Vorfall in jenem Sommer, in der Spielhalle, als er und Connor Bowers an einem Spielautomaten ein Videospiel gespielt hatten. Als Richie Connor nach einer neuen Runde gefragt hatte. Als Henry Bowers aus dem Nebenraum durch die Türe getreten war, und die beiden zusammen entdeckt hatte.

' Warum hast du  mir nicht gesagt, dass eure Stadt voller kleiner Glitzerfeen ist?'

Richie verzog das Gesicht, als er sich an Connor's Worte erinnerte. Er wusste noch, dass es ihn damals ziemlich verletzte. Nicht mal der Fakt, dass Bowers ihn später angeschrien, und aus der Spielhalle verjagt hatte. Nicht mal das, als was er ihn beleidigt hatte, nein. Das, was sein damals dreizehnjähriges Selbst vermutlich am meisten verletzt hatte war, dass es stimmte, was Bowers über ihn gesagt hatte. Vielleicht nicht genau so, wie er es gesagt hatte, doch letzten Endes war es die Wahrheit. Richie Tozier war anders, und das würde in Derry nicht sonderlich toleriert.

Waren seine Gefühle für seinen besten Freund schon damals da gewesen? Ja. Damals, und auch schon früher, doch damals hatte er sich nicht damit auseinandersetzen gewollt. Erst recht nicht nach dem Erlebnis damals in der Spuelhalle. Erst recht nicht, nach dem er erfahren hatte, wie due meisten anderen Menschen in Derry auf solche Gefühle zu sprechen waren. Damals war er noch verwirrter aufgrund jener Gefühle gewesen, als er es jetzt war.

Damals hatte er einerseits gedacht,  es würde vergehen, ehe er es Eddie irgendwann vielleicht sagen müsste. Zwar hatte er bereits damals schon gehofft, dass es seinem besten Freund ähnlich ginge, wie ihm selbst, was jene Gefühle anging, doch es war dennoch anders gewesen, als es jetzt war. Eddie war die erste reale Person gewesen  für die er so empfunden hatte, und noch immer so empfand. Die erste, reale Person für die er Gefühle entwickelt hatte, die mit den Jahren- entgegen der Erwartungen- eher stärker als schwächer geworden waren. Die stärker geworden waren, und schwerer zu verstecken.

Stay ( Reddie) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt