Kapitel 29

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Kurz darauf sitzen wir in meinem alten Auto. Annabeth sieht mich lächelnd an. „Also, wo soll es hingehen?", fragt sie. „Nach Honolulu. Kennst du den Parkplatz am Kunstmuseum? Da müssen wir hin.", erkläre ich ihr und sie fährt sofort los. „Wie war es heute Vormittag mit Hazel und Piper?", will ich wissen. „Super. Wir waren in einem Café  und haben dort gefrühstückt. Am Nachmittag habe ich dann mit meiner Familie gefeiert und jetzt mit dir.", erzählt sie mir. „Tja, das Beste kommt zum Schluss.", meine ich scherzhaft, worauf sie zum Lachen anfängt. „Kann schon sein.", erwidert sie verschmitzt und lächelt mich an. Eine gut halbe Stunde später sind wir dann in Honolulu angekommen. Nachdem wir geparkt haben und ausgestiegen sind, ziehe ich eine Augenbinde aus meiner Jackentasche und halte sie meiner Freundin hin. „Wofür ist die da?", fragt sie. „Damit du nicht siehst, wohin wir gehen. Wo bleibt denn der Überraschungseffekt?", gebe ich zurück. Sie lässt sich von mir die Augen verbinden und ich führe sie durch die Straßen von Honolulu. Die Restaurants, an denen wir vorbeikommen, sind gut gefüllt und die Straßen im Verhältnis relativ leer. Ich lege meine Hand auf ihren Rücken und lotse sie durch den kleinen Park, der vor dem Gebäude ist. Wir halten an. Sanft nehme ich ihr die Augenbinde ab. „Alles Gute zum Geburtstag, Annie.", murmele ich und blicke auf das Gebäude vor uns. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie meine Freundin fassungslos auf das Haus schaut. Es wird von Scheinwerfen beleuchtet und es strahlt in der Dunkelheit. „Aber... aber das ist das Ali'iolani Hale. Was machen wir hier?", sie dreht sich fragend um. „Komm mit, ich zeige es dir.", erwidere ich und lächle sie an. Ich nehme ihre Hand und gehe auf den  Eingang zu. Als ich die Tür öffnen will, stutzt sie. „Percy, das ist ein Museum und es hat bestimmt schon geschlossen.", sie bricht ab, als sie sieht, dass sich die Tür mühelos öffnen lässt. „Wie...", fängt sie an, aber ich unterbreche sie. „Komm mit.", sage ich nur. Wir betreten die große Eingangshalle, die nur spärlich beleuchtet ist und in der Mitte steht ein Tisch. Er wurde wundervoll gedeckt und ich denke, dass Piper ganze Arbeit geleistet hat. Auf der weißen Tischdecke brennt eine rote Kerze und die Blüten, die auf der Tischdecke verteilt sind, werden in ein flackerndes Licht getaucht. Das edle Geschirr vollendet den tollen Eindruck. Annie dreht sich einmal um die eigene Achse und sieht sich um, bevor ihr Blick am Tisch hängen bleibt. Ihr Mund öffnet sich kurz, doch es kommt kein Wort heraus. Nach einigen Augenblicken findet sie ihre Sprache wieder. „Das hast du organisiert?", stammelt sie. Ich trete vor sie und sehe ihr tief in die Augen. „Ich weiß ja, wie sehr du die Architektur von diesem Gebäude liebst und da dachte ich... gefällt es dir?", frage ich. Ihre Augen fangen an zu Leuchten. „Das frägst du noch? Percy, ich liebe es!", mit diesen Worten fällt mir Annabeth um den Hals. Ich drücke sie sanft an mich und küsse sie. Mein Gehirn fühlt sie an, als würde es schmelzen und durch meinen Körper fließen. Es macht mich glücklich, dass ihr meine Überraschung gefällt. Wir lösen uns wieder voneinander. „Sieh dir nur die Architektur an! Die koa-Treppenaufgänge sind auch wunderschön... und dann die Ornamente... das Ali'iolani Hale wurde in der Renaissance gebaut und ich finde, das sieht man auch.", erzählt sie und strahlt über das ganze Gesicht. Ich höre ihr mit einem Lächeln auf den Lippen zu und warte, bis die Flut der Fakten zu einem Ende kommt. Irgendwann dreht sie sich zu mir um. „Wie hast du das geschafft? Dass wir hier rein dürfen, meine ich", will sie wissen. „Ich habe einfach der Museumsdirektorin eine E-Mail geschrieben und gefragt. Normalerweise wäre es, soweit ich weiß, auch nicht möglich gewesen, aber sie hat mir erzählt, dass ihr Sohn ein riesen Surf-Fan ist und sie hat dann eine Ausnahme gemacht und von mir als Gegenleistung nur ein Autogramm verlangt.", erkläre ich. Sie legt ihre Hände in meinen Nacken und stellt sich auf die Zehenspitzen. Ich kann ihren Atem auf meinen Lippen spüren und mein Herzschlag beschleunigt sich. „Es ist wundervoll.", murmelt sie, dann küsst sie mich wieder. Nachdem wir uns atemlos voneinander gelöst haben, führe ich sie zu dem Tisch. Ich ziehe den Stuhl und biete ihn ihr an. „Mylady.", sage ich und Annie lacht. Auch ich lasse mich nieder, aber vorher schenke ich Annabeth etwas zum Trinken ein. Ich ziehe auch noch den Picknickkorb unter dem Tisch hervor. „Was möchtest du Essen?", frage ich und stelle die verschiedenen Sachen, die ich heute Vormittag zusammen mit Jason und Piper vorbereitet habe, auf den gedeckten Tisch. Als sie die Gerichte sieht, zieht sie überrascht die Augenbrauen nach oben. „Das hast du gemacht?", will sie wissen. „Ja, mit Jason und Piper zusammen. Ich glaube, die meiste Arbeit hat aber Piper gemacht. Die Beiden sind auch vorhin hierher gefahren und haben den Tisch vorbereitet.", erwidere ich und grinse kurz. Es wird ein wundervolles Candle-Light-Dinner und jedes Mal, wenn ich in ihre leuchtenden Augen blicke, werde ich von einem Hochgefühl erfasst. Ich ertappe mich dabei, wie sogar ich immer wieder bewundernd meinen Blick durch die Eingangshalle schweifen lasse. Das Ali'iolani Hale ist ein wirklich eindrucksvolles Gebäude und ich kann verstehen, wieso Annabeth es so sehr liebt. Als wir fertig mit dem Essen sind, greife ich nach ihrer Hand und drücke sie kurz. Dann fällt mir etwas ein. „Bevor ich es vergesse...", murmele ich und hole mein Geschenk hervor. Als sie sieht, wie es eingepackt ist, fängt meine Freundin an zu grinsen.  „Alles Gute.", flüstere ich und reiche es ihr. „Danke.", haucht sie zurück. Gespannt sehe ich zu, wie sie es auspackt. Hervor kommt eine schwarze Schachtel. Mit neugierigem Gesicht öffnet sie diese und ich kann einen kleinen Blick auf den schlichten, silbernen  Armreif erhaschen. Erst wenn man ihn genau betrachtet, fallen einem die Gravuren an der Innenseite auf. „Er ist wunderschön.", flüstert Annie ehrfurchtsvoll. „Sieh mal die Innenseite an.", fordere ich sie auf. Jetzt entdeckt sie das Unendlich-Zeichen und die beiden Buchstaben. P und A. Ich sehe, wie ihr Tränen in die Augen steigen. „Danke, Percy, ich weiß nicht, was ich sagen soll.", meint sie mit erstickter Stimme. Ich stehe auf und gehe neben ihrem Stuhl in die Hocke. „Du musst nichts sagen.", antworte ich und streiche ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich versinke in ihren wunderschönen Augen und als sich unsere Lippen treffen, ist dieser Moment perfekt.

Später räumen wir zusammen das Geschirr und die Dosen mit dem restlichen Essen wieder in den Picknickkorb. Es ist schon fast halb Zwölf und ich habe gar nicht bemerkt, wie die Zeit verflogen ist. Als wir endlich fast alle Spüren beseitigt haben verlassen wir wieder das Gebäude. Plötzlich bleibt Annie stehen. „Moment. Wer schließt jetzt die Tür ab? Und was ist mit dem Tisch? Sollen die Besucher morgen darüber fallen?", fragt sie mich. „Keine Sorge. Die Direktorin hat gesagt, dass sie mit dem Hausmeister abgemacht hat, dass er um Zwölf Uhr mal nach dem Rechten sieht und auch absperrt.", beruhige ich sie. Sie schenkt mir ein erleichtertes Lächeln und wir gehen weiter. Jetzt ist das Nachtleben von Honolulu schon in vollem Gange und wir drängen uns durch die Menschenmengen. Es dauert etwas länger, bis wir das Auto erreicht haben, aber als wir erst einmal die Hauptstadt von Hawaii hinter uns gelassen habe, sind wir in Rekordzeit wieder in Pupukea. Als wir bei mir angekommen sind, fährt Annabeth in die Einfahrt und stellt den Motor ab. Inzwischen ist es kurz nach Zwölf, aber ich bin noch nicht müde. Ich drehe mich zu meiner Freundin um. „Möchtest du noch mit reinkommen?", frage ich und sehe sie erwartungsvoll an. „Es tut mir Leid, aber ich glaube, Dad wird vor Sorge nicht schlafen können, wenn ich nicht nach Hause komme.", murmelt sie und sieht zu Boden. „Hey, das macht doch nichts.", antworte ich und beuge mich vor. Ich ziehe sie an mich und drücke meinen Mund auf ihren. Unsere Lippen streichen im perfekten Einklang übereinander und der Kuss wird schnell leidenschaftlicher. Mein Atem geht schnell, als wir uns wieder voneinander gelöst haben. „Ich würde wirklich gerne mit dir noch reingehen, aber ich kann nicht.", flüstert sie. Ich sehe in ihren Augen Dankbarkeit und Glück, aber ich erkenne auch, dass sie noch nicht bereit ist, vor allem nicht, nachdem das letzte Mal nur katastrophal geendet ist. Aber es ist okay, denn ich liebe dieses Mädchen und ich würde mein ganzes Leben auf sie warten, wenn es nötig ist. „Es ist wirklich in Ordnung, Annie. Ich liebe dich.", sage ich und küsse sie noch einmal und streiche kurz über ihre Wange, bevor ich aussteige. Ich fische den Schlüssel aus meiner Hosentasche und schließe die Tür auf. Hinter mir startet Annabeth den Motor und ich drehe mich noch einmal um. Ich sehe den Rücklichtern hinterher, die in der Dunkelheit leuchten, dann schüttele ich den Kopf und gehe in das Haus.

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