Kapitel 63

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Nach Luft schnappend tauche ich wieder auf und sehe mich um. Die Leash hat mein Board in der Nähe gehalten, beziehungsweise einen Teil meines Boards. Durch den Zusammenstoß mit Tobey Reynolds ist es in zwei Teile zerbrochen. Ungläubig sehe ich auf das Stück, das neben mir im Meer treibt. Dann blicke ich zu meinem Konkurrenten. Er sieht geschockt zu mir, anscheinend wird ihm erst jetzt klar, was er getan hat. Er öffnet seinen Mund, nur um ihn gleich wieder zu schließen. Auch ich sage kein Wort, sondern starre ihn nur sprachlos an. Vom Strand dröhnt Lärm und ich kann heraushören, dass viele aufgebracht sind. Außerdem kommt ein Jetski auf uns zugerast, das mich aus dem Wasser fischen soll. Die Stimme des Kommentators dröhnt aus den Lautsprechern bis zu uns. „Durch dieses unsportliche Verhalten und die Nichteinhaltung der Rules wird Tobey Reynolds disqualifiziert." Ich sehe zu ihm, um seine Reaktion nicht zu verpassen. Seine Augen sind weit aufgerissen, er scheint sich ein einer Art Trance zu befinden. „Es... es tut mir Leid...", stottert er, doch ich sehe ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Das Jetski erreicht uns und ich hieve mich auf die Fläche, die hinten hergezogen wird. Just in dem Augenblick ertönt das Signal und kündigt das Ende von diesem Heat an.

Ich bin vor den anderen Surfern wieder am Strand. Viele der Menschen haben ungläubige Mienen aufgesetzt und sind sichtlich von den Ereignissen geschockt. Annabeth kommt auf mich zu gerannt. Ich lasse die beiden Teile meines Boards in den Sand fallen und kann gerade so verhindern, dass sie uns beiden umreißt. Sie schlingt ihre Arme um meinen Hals. „Geht es dir gut?", will sie panisch wissen und sieht mich prüfend an. Ich streichle sanft ihren Rücken. „Keine Angst, ich habe schnell genug reagiert. Aber meinem Board geht es nicht so gut.", erwidere ich. Meine Freundin drückt sich fester an mich. „Das Board ist mit scheißegal.", flüstert sie mit erstickter Stimme. Wir bleiben noch einen Moment eng umschlungen stehen, doch dann lassen uns Buh-Rufe auseinander fahren. Tobey Reynolds kommt gerade aus dem Wasser und wird von den meisten böse angesehen, von manchen sogar beschimpft. Fast habe ich ein bisschen Mitleid mit ihm, schließlich kann ihn so etwas seine Karriere kosten. Aber nur fast.

Jetzt umringen mich auch die anderen. Meiner Mom ist der Schreck regelrecht ins Gesicht geschrieben und auch Hazel und Frank regen sich auf. „Für so etwas sollte er eine Sperre für die nächsten Wettkämpfe bekommen. Dieser Idiot.", schimpft Hazel leise vor sich hin. „Da hast du definitiv  Recht. Besser noch, dieses Arschloch sollte nie wieder Surfen dürfen.", stimmt Frank zu und stemmt die Hände in die Hüfte. „Leute, lasst es gut sein, mir ist ja nichts passiert.", mische ich mich ein. „Aber dir hätte was passieren können.", sagt Annabeth leise. „Mir ist aber nichts passiert! Können wir dieses Thema jetzt bitte sein lassen? Außerdem muss ich mich um mein Ersatz-Board kümmern.", erwidere ich bestimmt und drücke ihre Hand, um die Worte zu entschärfen. Gerade, als ich geendet habe, ertönt die Stimme des Kommentators. Er gibt die Namen der Surfer, die es in das Viertelfinale geschafft haben bekannt und mein Name ist auch dabei. Dank der Disqualifikation von Tobey habe ich meinen letzten Heat als erster abgeschlossen. Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. „Percy, wir sollten zu deinem Auto und das Board holen. Es kann sein, dass du gleich dran bist.", sagt Paul drängend. Ich nicke schnell und zusammen machen wir uns auf dem Weg. Zum Glück sind die Boards von Größe und Form fast gleich, sodass es keine Umstellung für mich bedeutet. Zurück bei unserem Platz fange ich an, das Surfbrett mit dem Wax zu präparieren, damit ich auch dort einen guten und sicheren Stand  habe. Meine Familie und Freunde regen sich immer noch über Tobey Reynolds auf, aber ich höre nur mit halbem Ohr zu. Es ist wichtig, dass ich mich jetzt auf die kommenden Heats konzentriere und nicht auf das Vergangene.

Ohne, dass ich damit gerechnet habe, erreiche ich das Halbfinale. Der Heat im Viertelfinale, in den ich eingeteilt wurde, hatte das Pech, dass sich nur sehr wenige Wellen gebildet haben und so kann ich mich glücklich schätzen, dass ich es überhaupt geschafft habe, eine für mich zu beanspruchen, denn drei anderen Surfern ist dies nicht geglückt. Deswegen haben sogar nur leichte Tricks dafür gereicht, dass ich das Halbfinale erreiche. Ich verfolge mit großer Neugier die letzten beiden Heats, denn es sind meine späteren Konkurrenten dabei. Es ist das erste Mal heute, dass ich Octavian beachte. Zuvor habe ich mir vorgenommen, ihn einfach zu ignorieren, da er mich nur ablenken würde. Er schafft es mit einer Leichtigkeit ins Halbfinale und seine Arroganz, die er zeigt, als er aus dem Meer kommt, lässt Galle in mir hochsteigen. Wie ich diesen Typen hasse.

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