Kapitel 9

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Die Sonne kitzelt in meinem Gesicht und holt mich in die Wirklichkeit zurück. Ich spüre, dass jemand, vermutlich meine Mom, eine Decke über mir ausgebreitet hat. Ich sehe, wie die Sonne aufgeht... 

Moment mal. 

Sonnenaufgang? 

Habe ich hier Draußen geschlafen? Ich sehe auf mein Handy und stelle fest, dass es schon Samstag ist. Gähnend stehe ich auf und strecke mich, dann mache ich mich auf den Weg in das Haus. 

Ich komme an dem Schuppen, in dem ich meine Surfbretter aufbewahre, vorbei und bleibe stehen. Langsam öffne ich die Tür und betrete den kleinen Raum. Wie immer sind alle Surfboards an die Wand gelehnt und warten darauf, dass ich sie benutze. Doch seit dem Unfall habe ich den Schuppen nicht mehr betreten und es hat sich eine kleine Staubschicht gebildet. Weitere Staubkörner tanzen im Licht, das durch die Fenster hinein fällt. 

Ich lasse meinen Blick schweifen und er bleibt an einem Brett in der Ecke hängen. Ich wage mich näher und erkenne das Board, das ich bei den Nationalen Meisterschaften benutzt habe. Dort, wo mich der Hai angefallen hat, fehlt ein riesiges Stück und ich kann die Abdrücke von fast jedem Zahn erkennen. Vorsichtig streiche ich mit meiner Hand darüber. Die Erinnerungen an den Tag überkommen mich wieder und einen kurzen Moment lang will ich einfach nur aus diesem Schuppen raus. Doch ich reiße mich zusammen und bleibe. Ich muss dieses Trauma endlich verarbeiten und ich kenne nur einen Weg, wie das geht...

Schnell gehe ich in mein Zimmer und ziehe meine Badehose an. Kurz bleibe ich noch vor dem Spiegel stehen und betrachte meinen Stumpf, aber mein Entschluss steht fest. Leise husche ich die Treppe hinunter, da meine Eltern noch schlafen und schnappe mir  ein Handtuch aus dem Bad. 

Gleich darauf stehe ich wieder vor dem Schuppen und suche mir ein Surfboard. Mit nur einem Arm ist es ungewöhnlich schwer und unhandlich, ich brauche ein paar Minuten um den richtigen Griff zu finden. Das Handtuch habe ich über meine Schulter geworfen und ich mache mich auf den Weg zum Strand. 

Die Vergangenheit wird mich nicht fertig machen. Ich muss endlich etwas dagegen unternehmen. 

Der Sand ist noch kühl von der Nacht. Ich lege das Brett auf den Boden und befestige die Leash an meinem Fuß. Das Meer rauscht und glitzert in der Sonne. Vorsichtig gehe ich mit dem Surfboard in die Brandung und lasse das Wasser um meine Knöchel spülen. Ich schließe meine Augen und hole tief Luft. Dann gehe ich tiefer hinein und lege mich auf das Board. Bevor ich es mir anders überlege, fange ich an, zu paddeln. 

Das Meer ist ruhig und ich entdecke keine Wellen. Es ist also kein besonders guter Tag zum Surfen, aber darum geht es auch gar nicht. Ungefähr 100m weiter draußen höre ich auf zu paddeln und setzte mich auf das Board. Ich habe keine Angst vor unerwarteten Strömungen, die mich in das offene Meer ziehen könnten, denn ich kenne diese Bucht wie meine Westentasche. 

Mit meiner Hand fahre ich durch das Wasser und sehe zum Horizont. Keine Wolke steht am Himmel und das Meer ist spiegelglatt. Es ist still. Ich höre nur vereinzelt einen Vogel schreien. Es tut gut, wieder im Meer zu sein. Ich weiß nicht, wie ich es ausgehalten habe, aber jetzt fühle ich mich endlich wieder vollständig. Das Surfen ist einfach ein Teil von mir, dass muss ich akzeptieren. 

Plötzlich höre ich hinter mir ein Plätschern. Ich fahre herum und entdecke Paul, der sich auch ein Board geschnappt hat und nun auf mich zu paddelt. 

„Percy, was machst du hier?", fragt er, als er neben mir anhält. 

Ich zucke die Schultern. „Ich weiß nicht. Ich bin aufgewacht und wollte eigentlich ins Haus gehen, bin dann aber in den Schuppen gegangen. Ihr habt das Board aufgehoben?", gebe ich zurück. 

Soul SurferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt