Kapitel 1

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Mit einem riesigen Satz stolperten Marcus und ich in die Tardis, gefolgt von einer gigantischen Staubwolke. Wir klopften uns den hellen, feinen Wüstensand von den Sachen und grinsten uns an.

Es war nur ein kleiner Trip nach Ägypten gewesen, um uns mal die Pyramiden anzusehen, leider hatte uns gerade bei unserem ersten Trip nach draußen ein fieser Sandsturm erwischt, den wir lieber in der in der Nähe geparkten Tardis abwarteten. Schutzschild und so.

„Meine Liebe, du hast einen Sonnenbrand", machte er mich auf die Tatsache aufmerksam, dass ich mir offensichtlich etwas den Nacken angesengt hatte.

„Aber ich hab mich doch eingecremt!", maulte ich, denn ich hatte sogar den Lichtschutzfaktor 60 benutzt, um meine vampirbleiche Haut vor derlei zu schützen. Marcus seufzte.

„Wir sollten damit mal ins medizinische Labor, Darling." Jetzt sah er mich streng an.

„Na gut. Eigentlich sollte so etwas eine Timelady nicht umbringen", gnatzte ich vor mich hin. Im Labor angekommen bemerkte ich beim Ausziehen des baumwollenen weißen Shirts mit großer Spitzeneinfassung im Rückenteil, dass es schon etwas zwickte. Meiner Kehle entrang sich doch glatt ein schmerzhaftes Zischen, woraufhin Marcus mich beim Entkleiden unterstützte. Er schoss ein Bild von meinem Rücken und schob es auf den Monitor im Labor. So konnte ich das Übel selbst betrachten. Der Monitor zeigte mein Bauarbeiterkreuz mit einem Branding in Spitzenoptik. An den Stellen, wo die Spitze auf der Haut lag war, alles weiß, darum herum puterrot mit kleinen Bläschen.

„Ich bin doch eine Timelady – so was kann nicht passieren...", wimmerte ich und war insgeheim froh, gute Unterwäsche angezogen zuhaben.

„Es ist aber passiert. Und es sieht so aus, als ob es nicht so schnell heilt, wie die anderen kleinen Blessuren, die du schon hattest." Marcus kramte in den Schränken und fand eine abgelaufene Wund- und Heilsalbe, die er vorsichtig auftrug, während ich scharf die Luft einzog. Dann schickte er sich an, mir das Shirt wieder über den Kopf zu ziehen.

„Nicht das Unglücksshirt! Das wird in den Untiefen des Schranks vergraben und wird nie wieder das Licht der Welt erblicken", grummelte ich.

„Oh, da ist wer wütend", stellte er kleinlaut fest.

„Ja, das bin ich. Und zwar auf mich selbst. Ich bin so saublöd!" Mit der flachen Hand klopfte ich mir an die Stirn, um meine Worte zu bekräftigen. Es war auf einmal so still. Verdattert sah ich ihn an und bemerkte, wie er vor sich hin in die Leere starrte. Ich machte die Scheibenwischer-Probe und er reagierte nicht. Was war das denn seltsames? Ich rempelte ihn an. Keine Regung. „Marcus?!" Nichts. „Halloo?!" Immer noch nichts. Ein dummer Gedanke kam mir in den Sinn. Ich kniff ihn, sollte ja manchmal helfen. Allerdings nicht in den Arm, sondern in den... Hintern.

„Was zur Hölle machst du da?", zuckte er zusammen und rieb sich über sein Sitzplateau. Schnell zog ich die Hand weg und schob sie hinter den Rücken. „Öhm, gar nichts", grinste ich und wollte mich schleunigst entfernen, als sich sein Gesichtsausdruck wandelte. Seine Stimme wurde gleich zwei Etagen tiefer: „Das „gar nichts"gefällt mir aber." Er machte mir Angst, seine Augen wirkten wie auf Drogen. „Marcus, was ist mit dir?" Von einer Sekunde auf die andere war dieser seltsame Zustand wieder verschwunden. „Irgendwas stimmt hier nicht. Irgendwas stimmt nicht mit dir, Marcus." Er wurde ganz grün im Gesicht. „Mir ist schlecht. Nimm eine Blutprobe. Möglichst schnell." „Ok." Ich erinnerte mich an das erste und letzte Mal, als ich dieser Tätigkeit nachgegangen war, und wiederholte die Schritte, um an seinen Lebenssaft zu kommen. Nach getaner Arbeit zog ich vorsichtig die Nadel aus seinem Arm. Irrte ich mich oder verstob da punktuell grüner Glimmer? Ich dachte an eine Halluzination und sah genauer hin. Doch schon war nichts mehr davon zu sehen. Also tat ich es erstmal als Hirngespenst ab. Vergessen würde ich die Sache jedoch nicht so schnell. Meine Neugier war geweckt.

Ich ließ das Blut durch das Diagnosegerät laufen. Alles schien in bester Ordnung. Hmm? Was war das bloß? Wortlos verkrümelte sich Marcus in sein Zimmer.

Zwischen all dem Gerödel fällt mir dann doch noch eines ein: „Upps. Ich sollte mir vielleicht mal was anziehen." Angesichts der Umstände verzichtete ich auf einen weiteren Ausflug, der zur Festung Kadesch am Fluss Orontes im westlichen Süden geführt hätte. Ich stratzte in mein Zimmer, warf das Unglücksshirt in den Müll und kramte im Schrank nach etwas Neuem. Während die Kleidung auf der Stange so an mir vorüber fuhr, entdeckte ich einen Kimono, einen richtigen aus Japan. So einen, in dem man sich eine niedliche kleine Geisha mit weiß geschminktem Gesicht und rotem Kussmund vorstellte, die auf Holzschuhen mit Fächer in der Hand durch die Gegend stiefelte. Nur dieser hier passte mir nicht. Definitiv zu klein. Ich verwarf den Gedanken wieder. Eine fette Geisha wollte eh keiner sehen. Jemand öffnete meine Zimmertür. Es konnte nur Marcus sein. Er schien geduscht zu haben und sah erfrischt aus. Ein zauberhaftes Lächeln zierte seine Lippen – aber meine Gedanken drifteten schon wieder ab. In eine Richtung die ich gerade nicht wollte. Ich rief mich zu Räson.

„Geht es dir besser?", fragte ich ihn besorgt und sah ihn aufmerksam von oben bis unten an.

„Ja, keine Ahnung, was das war. Vielleicht der Kreislauf..." Er zuckte mit den Schultern.

„Der Kreislauf? Das glaubst du doch wohl selber nicht." Ich betrachtete ihn mit verschränkten Armen, was nicht von Vorteil für meinen „abhebenden" Vorbau war.

Ich bemerkte, wie sein Blick von meinen Augen, zu meinen anderen „Augen" glitt und wieder zurück. Und der Groschen fiel mit einem lauten Scheppern in meinem Hirn zu Boden. Beiläufig ließ ich die Arme wieder nach unten gleiten.

„Du hast ja immer noch kein Oberteil an." Er sah zum Schrank und ließ die Klamotten vorbeifahren. Abrupt stoppte er und griff sich... einen Kimono... in XXL. Na toll. Um des lieben Friedens willen zog ich das Teil an. Ich stellte schnell fest, das es kein Original war sondern ein Fake-Teil, bei dem nichts gewickelt wurde. Praktischerweise konnte ich es über den Kopf ziehen und fertig.

„Naja,nicht ganz deins, würde ich sagen", verkündete er mir dreisterweise mit einem leichten Stirnrunzeln.

„Du hast es mir ausgesucht, jetzt behalte ich es auch an und du wirst es ertragen müssen."

„Hab verstanden", versuchte er mich zu beschwichtigen. „Und was machen wir jetzt?"

„Wonach sehe ich denn aus?", fragte ich spitzfindig.

„Japan?", hakte er nach.

„Japan! Japan zur Kirschblüte. Da wollte ich schon immer mal hin."

Sein Interesse schien geweckt. „Klingt gut. Nur den Ort und die Zeit müssen wir uns dann noch aussuchen."

„Jawohl." Ich schritt an ihm vorbei und er folgte mir. Im Konsolenraum angekommen entbrannte eine heiße Diskussion, welche Stadt unser erstes Ziel sein sollte. Tokyo, Kyoto, Osaka, Yokohama oder Nagoya? Wir ließen die Tardis entscheiden und spielten Roulette.

Die Tardis entschied sich für Nara.

„Nara? Wo ist das denn?", grübelte ich laut. Sofort rief Marcus eine Karte auf dem Monitor auf, die den Ort anzeigte. Nur etwa zwanzig Kilometer entfernt von Osaka lag diese Stadt, die sogar einmal die Hauptstadt Japans war. Ihr Markenzeichen: „Bambis". Die Sache versprach interessant zu werden, auch wenn ich vorerst vielleicht keine Kirschblüten zu sehen bekäme. Auf nach Nara.


The Doctoress - Go! (9)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt