Kapitel 8

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Zurück in der Tardis nahm ich Kontakt zum Schiff des intergalaktischen Zirkus auf. Miyu trat als Sprecherin in ihrer Eigenschaft als Kommandantin auf. So war schnell eine Vereinbarung getroffen, die uns das Schiff kontrollieren ließ.

Mein ganzer Körper war am Kribbeln, als wir in den auf das Dach des Konzerns gesandten Transporterstrahl traten und uns dieser wie an unsichtbaren Fäden gezogen in das Schiff saugte, das mittlerweile durch die Atmosphäre und die dichte Wolkendecke gedrungen war und nun sichtbar für jedermanns Auge am Himmel stand.

Jede meiner Nervenbahnen spürte bereits das Abenteuer und die Gefahr, die auf uns warteten.

Ein Loch im Boden des Schiffst verschluckte uns und schloss sich sofort, nachdem wir es passiert hatten. Der Raum, in dem wir landeten, war rund, mit nur einer Tür versehen, über der verschiedene Lichter blinkten. Karge Stahlwände verrieten absolut gar nichts über das, was uns erwartete.

Die Tür, welche sich als Schiebetür entpuppte, öffnete sich mit einem zischenden Geräusch, das für einen pneumatischen Mechanismus sprach. Ein Herr mittleren Alters in einer grauen overallartigen Uniform betrat den Raum und entblößte beim Lächeln makellose Zähne. Seine Augen jedoch lächelten nicht. Das gemahnte mich zur Vorsicht.

„Herzlich willkommen an Bord der „Gladiator". Ich bin Maximus, der Direktor des intergalaktischen Zirkus." Sein Aussehen, seine Art zu Sprechen, überhaupt alles an ihm erinnerte mich irgendwie an Kleinfinger aus Game of Thrones. Schon wieder so einer. Mir lief es eiskalt den Rücken herunter.

„Guten Tag, ich bin Commander Miyu Watanabe. Das sind meine beiden Kollegen, die Doctoress, zuständig für Wissenschaft und Technik, und Herr Schenkelberg, unser Mann für die Sicherheit. Wir möchten uns heute gerne darüber informieren, wie sie sich ihren „Auftritt" bei uns vorstellen. Es ist sicherlich in beiderseitigem Interesse, das alles so komplikationslos wie möglich abläuft, nicht wahr." Miyu grinste ihn mit einem ebenso aufgesetzten Lächeln an, wie er es in seinem Gesicht trug.

„Aber gerne doch. Wir werden alles besprechen. Kommen sie. Ich zeige ihnen zuerst unsere Zirkusarena." Maximus trat dicht an sie heran, berührte sie sanft an der Schulter und schob sie neben sich her auf die Ausgangstür zu. Ich musste meinen Blick abwenden. Dieses Verhalten war widerlich. Ich rollte mit den Augen, was von Marcus nicht unbemerkt blieb. Er grinste.

„Halt bloß die Klappe", nuschelte ich. „Ich denke, es geht uns beiden gleich."

Sein Gesicht wurde wieder ernst: „Tut es, Lieb... Hexe." Ich verharrte in meiner Bewegung. Hatte er soeben schon wieder Hexe zu mir gesagt. Der Blick, den ich ihm zuwarf, war wohl Millionen wert, denn er begann gleich wieder zu Grinsen wie ein Honigkuchenpferd. Wir setzten uns in Bewegung um den anderen beiden zu Folgen.

„Herr Schenkelberg, das lass ich nicht auf mir sitzen. Die Rache wird gnadenlos sein", gab ich trocken zum Besten.

Das Interieur des Schiffs war unspektakulär und erinnerte mich an die endlosen Gänge von der Enterprise.

Doch dann, dann öffnete sich eine riesige Schiebetür und wir betraten die Arena. Soweit ich es aus dieser Perspektive erkennen konnte, war es eine riesige Ellipse, an deren Rändern sich Ränge für Zuschauer hochzogen, ähnlich wie in einem Fußballstation. Verstohlen schallschraubte ich die Umgebung. Die Länge der Ellipse betrug 500 Meter und ihre Breite 350, riesig! Die Zuschauerränge lagen weitestgehend im Dunkeln, so konnte ich ihre Ausmaße nicht wirklich wahrnehmen, nur erahnen. Riesengroße, offensichtlich durch dicke Drahtseile gehaltene Monitore „schwebten" in der Höhe um auch den entfernten Zuschauern das Sehen zu ermöglichen. Die Arena wurde von gigantischen Flutlichtern beleuchtet. Während ich verstohlen weiter schallschraubte, erklärte Maximus Miyu die Features, über die diese Arena verfügte. Unter dem Boden steckte jede Menge Technik, mit der sich binnen Sekunden der Boden von Sand in Wasser oder andere Untergründe verwandeln ließ. Hier hatten die Erbauer wohl tatsächlich bei dem römischen Colosseum geklaut.

Der Groschen, der just in diesem Moment bei mir fiel, klimperte laut. Das Schiff hieß „Gladiator", der Typ „Maximus", wir befanden uns in einer Arena, die dem Colosseum nachempfunden war, nur größer. Würden hier genauso brutale, tödliche Kämpfe stattfinden wie im alten Rom? Eine Gänsehaut kroch meine Arme hoch und erreichte prickelnd meinen Nacken.

„So, und wie stellen sie sich nun den Ablauf vor, Maxiumus?", hörte ich Miyu fragen.

„Die Personen mit Eintrittskarten werden über die gemieteten Gullydeckel mit dem Transporterstrahl direkt auf ihren Platz gelotst. Wir haben die Sitzplätze in Gruppen eingeteilt. Rot, Gelb und Blau. Sind alle Plätze gefüllt, wird die Veranstaltung beginnen und die gefährlichsten Pokemon gegeneinander antreten. Unterstützt werden die Kämpfe von den Zuschauern, die natürlich ihre Brillen nicht vergessen dürfen." Maximus giggelte. „Ja, und wenn alle ihren Spaß gehabt haben, geht es via Transporterstrahl wieder nach Hause. Grob gesagt. Die Details können sie mit unserem Sicherheitschef besprechen. Ich bringe sie gleich zu ihm." Maximus wandte sich zum Gehen. „Ach, übrigens. Die Werbung und die Teilnahmeerfordernisse sind soeben geschaltet, natürlich in Absprache mit ihrer Regierung."

Wir folgten ihm. Schnell wurden Blicke getauscht, die deutlich machten, dass wir alle ein ungutes Gefühl hatten und diesem dauergrinsenden Kleinfinger-Verschnitt nicht über den Weg trauten.

In der Abteilung, die dem Sicherheitschef unterstellt war, war es sehr interessant. Räumlichkeit reihte sich an Räumlichkeit und war bis unters Dach mit Technik ausgestattet. Monitore, Konsolen und jede Menge blinkende Blinklichter. Ich fühlte mich wie zu Hause. Irgendwie kam ich mir vor wie Doktor Nummer 11, als ich alles inspizierte und mit dem Schallschrauber mal hier und mal dort entlang schraubte. Faszinierend! Wieder bekam ich eine Gänsehaut, doch diesmal eher von freudiger Erregung. Während der Sicherheitschef - ein unsympathischer, grobschlächtiger Kerl mit Akne-gezeichneter Gesichtshaut - Miyus Fragen oberflächlich beantwortete, ohne in interessante Details zu gehen, sah ich mich genauestens um, Marcus immer auf der Pelle. Gerade war er wieder so...

„Du weißt schon, dass du wieder eine Gänsehaut hast?", hauchte er mir diese Anmerkung hinter mir stehend in den Nacken und sein Atem bewegte die feinen Härchen, die aus meiner Frisur gekrochen waren.

Ich schallschraubte weiter, aber nicht ohne ein, diesmal von ihm stammendes, prickelndes Gefühl im Nacken zu haben. „Herr Schenkelberg, wir sind hier um zu arbeiten. Nicht um...", beendete ich meinen Satz unfreiwillig, denn der Sicherheitschef grinste mich an. Marcus bückte sich, um seinen Schnürsenkel zu verschließen.

„Was machen sie da eigentlich die ganze Zeit? Was ist das für ein Dings?", fragte er interessiert. Schnell entfernte ich den Schallschrauber aus seinem Sichtfeld.

„Das? Das ist ein Virendetektor. Ich hoffe doch, dass wir in ihrem System keine Viren finden, die dann unser Netz infizieren?", ging ich zur Nummer der resoluten Mit-mir-ist-nicht-zu-spaßen-Lady über und rückte meine Brille zurecht.

„Nein, natürlich nicht. Unsere Waterwall ist tausendmal besser als diese Firewalls, die sie auf der Erde nutzen", beantwortete er die Frage skeptisch und versuchte einen Blick auf den Schallschrauber zu erhaschen, den ich hinter dem Rücken versteckte.

„Zeigen sie doch mal!", forderte er mich auf. Ich war hin und her gerissen. Letztendlich hielt ich ihm den Schallschrauber vor die Nase. „Hier! Ansehen ja, anfassen nein." Er beäugte den Schallschrauber kurz, zuckte mit den Schultern. „Haben sie denn noch Fragen?", fragte er in die Runde. Nachdem wir alle verneint hatten, entließ er uns und wir wurden von Maximus, der über Gott und die Welt quasselte, wieder in den Transporterraum gebracht. Dann ging es zurück zur Erde und zu einem gemeinschaftlichen Brainstorming.

The Doctoress - Go! (9)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt