Kapitel 13

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Da standen wir wieder im Sand und warteten. Warteten? Ja, wir warteten auf die Dinge, die da kamen. Es kamen aber keine. Dann kam doch was, eine Durchsage: „Werte Damen, Herren und Kinder. Leider haben wir ein technisches Problem, dass es uns derzeit unmöglich macht Pokemon in die Arena zu lassen. Das Problem wird schnellstmöglich gelöst."

Wir drei sahen uns an und waren heilfroh einen kleinen Aufschub zu bekommen. Das gab uns Gelegenheit uns mit den 47 anderen Teilnehmern zu unterhalten. Vielleicht fanden wir heraus, wer sie waren und was uns verband.

Miyu, ganz Polizistin, checkte diese Tatsache als erste und begann mit einer jungen, drahtigen Frau, die aussah, als wäre sie Antreiberin in einem Boot-Camp. Der grimmige Blick aus ihren grünen Augen und der streng gebundene, blonde Pferdeschwanz verliehen ihrem Aussehen eine gewisse Fiesheit. „Hallo, ich bin Miyu. Im wahren Leben eine Polizistin und ich versuche herauszubekommen, was hier passiert, warum man gerade uns in die Arena geholt hat und was überhaupt dieser ganze Arena-Aufriss soll. Hast du ne Idee?", begann sie ganz locker und charmant ihre Fragerunde.

„Ne Idee? Ja, die hab ich. Meine Idee ist, so schnell wie möglich hier heraus zu kommen", antwortete sie schnippisch. „Was dieser ganze Rotz soll, das frage ich mich allerdings auch und ich wäre durchaus an der Antwort interessiert. Ich bin Sandy, in diesem Land gerade zufällig, weil ich einen Fortbildungskurs in asiatischer Kampfkunst mache um sie in meinem Erziehungslager für rebellische Teenies einsetzen zu können. Ich war mal bei der Navy. Vielleicht hilft das weiter."

Miyu überlegte. „Bei der Navy... Hmm. Das ist wirklich was besonderes. Wir drei sind Polizistin, Wissenschaftlerin und Mr. Sixpack da ist ein absolutes Allroundtalent. Ich werde mal weiter fragen, wie es beiden anderen so ist." Miyu bedankte sich und wechselte den Platz.

Auch Marcus und ich klinkten uns in die Interviews ein, so waren wir einfach viel schneller.

Marcus versuchte es bei einem untersetzten, kleinen Mann mit Halbglatze, seines Zeichens ein echter Japaner. Er stellte sich als stadtbekannter Lokalpolitiker vor.

Ich knöpfte mir den Typen vor, der die Idee hatte das Damhirplex zu reiten. Und siehe da. Noch ein Tourist. Ebenfalls einer, der nicht der Arbeiterklasse zuzuordnen war, sondern ein äußerst intelligenter und humorvoller Neurowissenschaftler. Er musste ein echter Überflieger sein, denn er war erst 23.

Unsere Gespräche verliefen recht kurz. Wir wussten ja nicht, wann es wieder los ging, und wollten so viele kontaktieren und ansprechen wie möglich. Alle schafften wir nicht, bis die nächste Durchsage ertönte. Es waren gerade mal 15 Minuten vergangen.

„Werte Damen, Herren und Kinder. In fünf Minuten wird der Arenakampf fortgesetzt. Zeit sich noch etwas zu knabbern an unseren Verkaufsstellen zu holen."

Miyu, Marcus und ich formierten uns wieder zu einer kleinen Runde.

„Was habt ihr herausgefunden?", fragte ich.

„Alle, die ich befragt habe, sind sehr einflussreiche Leute. Politiker, Extremsportler oder Wissenschaftler", sagte Miyu.

In Marcus Gesicht las ich, dass er schon ein Muster erkannt hatte. „Das ist bei mir auch so."

„Ja, bei mir auch. Mit diesem Wissen fühlt es sich so an, als ob sie alles versammelt haben, was Rang und Namen hat und sich in dieser Region aufhält. Nur, warum?", dachte ich laut.

„Das frage ich mich auch. Und warum auch Touristen? Das macht doch keinen Sinn." Miyu begann unruhig hin und her zu laufen, während sich die Gedankenrädchen in ihrem Hirn drehten.

„Wir werden schon noch dahinter kommen. Es geht wieder los." Marcus hatte eine Meldung auf der Anzeigetafel gesehen. Dort wurde ein Countdown herunter gezählt. 3-2-1-0, ein Gong ertönte und wieder spawnten in der Arena Pokemon.

Miyus, Marcus und mein Blick trafen sich. Wir waren 'not' amused. Bislang war noch niemand wirklich zu Schaden gekommen. Klar, wir waren nass geworden und klar, hatte ich ein paar blaue Flecken vom Sturz vom sich entmaterialisierenden Damhirplex. Aber ernsthafte Verletzungen oder Tote gab es bislang nicht. Das könnte sich jetzt schnell ändern.

Diese Pokemon waren nicht ganz so groß wie die Damhirplex. Sie waren in pink und lila auch recht niedlich anzusehen, wenn man von ihrem stachelbewährten Schwanz absah und ihren Kneifzangen. Es waren Skorpione, zu deren schnellen Attacken das Zielen mit dem Giftstachel gehörte und zu deren Hauptattacken das Werfen einer Matschbombe zählte. Mir blieb nicht viel Zeit ihr Verhalten zu studieren.

Schon brüllte mir Marcus zu: „Renn, Doctoress, renn!" Also rannte ich. Rannte in meinem kaputten Rock mit T-Shirt über'm Heck, rannte  in meinen Chucks, deren Schnürsenkel sich langsam öffneten, rannte, bis ich mich aufs Mett packte. Der Piondragi grinsend über mir, mit seinen Zangen klappernd und wild mit seinem Giftstachel zuckend. „Könnte bitte jemand die Zeit anhalten?", jammerte ich im Augenblick des Todes und begann zu schwitzen, als wie in Zeitlupe der Stachel auf mich zukam, bereit zu zustechen und sein tödliches Gift in meinen Brustkorb zu injizieren.

Doch, der Stachel hielt nur Millimeter vor mir an. Ich sah, wie sich ein Tropfen an seiner Spitze bildete, und wartete auf den finalen Stoß. Dieser blieb aus. Das Pokemon wirkte tatsächlich wie eingefroren, so als ob die Zeit wirklich stehen geblieben wäre. Das gab mir die Gelegenheit mich unter dem Stachel weg zu rollen und durchzuschnaufen. Erst jetzt realisierte ich, dass auch die anderen Piondragi genau dasselbe Problem hatten. Aber die Zeit war nicht stehen geblieben. Das Publikum buhte, ihm fehlte augenscheinlich die Action. Nach und nach realisierten alle Arenakämpfer, dass wir eine Chance hatten etwas zu ändern. Doch was?

Das Glück schien auf unserer Seite. Auf dem Display wurde eine Nachricht der Spielleitung angezeigt und verkündete: „Verehrtes Publikum, leider haben wir erneut ein technisches Problem und müssen die Piondragi aus dem Spiel nehmen. Wir entschuldigen uns für die Umstände. An unseren Verkaufstellen erhält jeder Gast nun ein Freigetränk."

Flupp, waren die Piondragi aus der Arena verschwunden und alsbald auch die Zuschauer von ihren Rängen um sich ihr Freigetränk zu holen. Auch wir „wurden verschwunden". Denn man trieb uns zurück in unsere Kugeln.

„Das wäre ja beinahe ins Auge gegangen", wäre ich am liebsten in Ohnmacht gefallen, fiel anstatt dessen aber lieber in Marcus Arme und an seine – nackte – Brust, seinen betörenden Duft einatmend.

„So kann es weiter gehen", nuschelte er in mein Haar und kicherte. Obwohl ich es nicht sah, würde er bestimmt ein teuflisches Grinsen in seinem Gesicht tragen. Was ich aber mitbekam war, dass Miyu und er Augenkontakt haben mussten und sich beide einen hochgereckten Daumen hinhielten. Miyu kicherte.

Wir saßen und warteten, saßen und warteten auf die nächste Runde. Wir hatten keinen Bock mehr. Es begann uns auszuzehren.

The Doctoress - Go! (9)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt