Kapitel 6

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Wir begaben uns direkt zu der Adresse auf dem Zettel. Die Tür war mit einem Code gesichert, der ebenfalls auf dem Papier stand. Wir konnten ungehindert die Wohnung der Japanerin betreten.

Sie war klein, sehr klein und wirkte eigentlich viel mehr wie eine Zelle. Kaum hatten wir die Tür geöffnet, standen wir im Haupt-Wohnraum, in dem sich auch die Küche befand. Es war sehr spartanisch eingerichtet, wirkte kühl und modern. Der Raum maß nicht mehr als 15 m² und zwei weitere Räume grenzten an. Ein Badezimmer mit 4 m²und ein Schlafraum mit 9 m². An Deko wurde auch hier gespart und die Möblierung war hell, schlicht und elegant.

Während wir warteten, setzten wir unsere Brillen auf um zu recherchieren, was in dieser Zeit so los war. Das Spiel war wirklich dominant und jeder war davon abhängig. Die von der Regierung angeordnete Jagd dauerte täglich eine Stunde. Sie sorgte dafür, dass die Bewohner des Landes ihre tägliche Bewegung bekam. Das Ranking, das ein jeder erreichte, hatte Auswirkungen auf den Job und seine Bezahlung. Wer fleißig sammelte und sich viel bewegte, bekam nämlich den Besseren. Und das schien nicht nur in Japan so zu sein, auch in anderen Teilen der Welt.

War es unsere Aufgabe das zu beenden? Es schien doch zu funktionieren. Vielleicht mussten wir noch einen Blick hinter die Kulissen werfen? Wir warteten nicht wirklich lange. Schon öffnete sich die Tür und Miss Japan trat ein.

„So, da bin ich. Doctoress, Marcus. Jetzt werde ich mich euch auch richtig vorstellen. Mein Name ist Miyu Watanabe, Ich bin der Commander der Polizeiwache dieses Ortsteils." Sie nickte uns resolut zu und wir gaben uns die Hände. „Mittlerweile weiß ich, wer ihr seid. Ich habe mich in die geheimen Datenbanken gehackt und euch in einer anderen Zeit wiedergefunden." Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich von einer eiskalten Fratze zu einem liebevollen Lächeln mit geröteten Wangen, als sie Marcus ansah. Aha! Also doch! Kenn mir einer die Frauen. Mein Blick hüpfte zu Marcus und seine Augen glänzten, als er sie betrachtete. Dieser Schlawiner! Ich war verunsichert. Warum machte er mir immer Avancen um dann doch wieder tausende Blicke auf andere zu verteilen? War es ein Sport für ihn? Oder...

Zugegeben, sie war schon ein hübsches Ding, mit dem ich es optisch nicht unbedingt aufnehmen konnte. Also eigentlich gar nicht. Aber wir waren für etwas anderes hier, als Analysen des Verhaltens hormongesteuerter Menschen zu betreiben. Ich schnaubte, leider nicht nur innerlich. Beide sahen mich an, als wäre ich Antje, das Walross.

„So, gut dann scheint ihr Sinneswandel ja daran zu liegen, dass sie uns glauben, dass wir die Wahrheit gesagt haben?", hakte ich nach.

„Ja, so sieht es aus. Und ich brauche ihre Hilfe. Sie haben Recht, wenn sie denken, dass mit Pokemon was nicht stimmt. Ich beobachte das auch schon ein paar Tage. Es muss etwas mit dem intergalaktischen Zirkus zu tun haben, der demnächst zu uns zu Besuch kommt. Wir werden die ersten sein, bei denen er eine Vorstellung gibt." Sie machte eine Pause. Das gab mir Zeit nachzudenken. Intergalaktischer Zirkus, da war doch mal was...und es war nichts gutes.

„Sie haben einen Teil der Gullydeckel als Zutrittspunkte angemietet. Das ist verdächtig und zwar richtig." Ihre Augen funkelten, sie glommen regelrecht. „Aber etwas nachweisen können wir ihnen bislang nicht." Sie zuckte mit den Schultern.

„Es ist wie immer und hat sich auch in dieser Zeit nicht geändert. Es muss erst etwas passieren, bevor die Menschen aktiv werden. Damit sie es wissen, wir sind nicht freiwillig hier. Wir wurden gerufen." Ich ging zur Ausgangstür. „Der Plan ist folgender: Wir müssen zur Tardis. Wir werden ein paar Scans durchlaufen lassen und dann werden wir uns die Hauptzentrale von Niantic ansehen."

Ohne Widerworte und brav wie zwei kleine Wauwaus folgten die beiden mir zur Tardis.

Zielstrebig schritt ich an die Konsole, mein Schatten, Marcus, folgte mir. Ohne uns weiter abzusprechen, setzten wir einige Umgebungsscans in Gang, sowie solche, die nach unnormalen Bewegungen im Netz suchten. Miyu stand staunend in der Tardis und drehte sich um sich selbst. „Das ich das mal sehe...Soviel größer als von außen..." Wir ließen ihre Aussage unkommentiert.

„So", wandte ich mich von der Konsole ab. „Während die Scans laufen, haue ich mich ein wenig aufs Ohr. Sie können sich überlegen, ob sie hier bleiben wollen, ohne etwas anzufassen, oder ob sie wieder zu sich nach Hause wollen." Obwohl ich nicht böse schauen wollte, tat ich es offensichtlich, denn sie erschrak vor mir und sagte keinen Piep. Marcus – wie sollte es auch anders sein – kam ihr zur Hilfe. „Ich könnte ihnen die Tardis zeigen, zumindest einen kleinen Teil", flötete er. Etwas in mir explodierte. Peng! Das war ja, das war ja wie „Ich zeig dir meine Briefmarkensammlung" oder „Kommst du noch rauf mit auf einen Kaffee?". War das etwa Eifersucht, die sich da in meinem Herzen breit machte? Ja, war es wohl. Contenance! Für Eifersucht hatte ich keinen Platz in meinem Herzen, ich musste sie irgendwie verbannen. „Ja, macht das doch. Wird bestimmt sehr interessant für sie, Miyu. Herr Schenkelberg kennt sich hier bestens aus", machte ich auf dem Absatz kehrt und stratzte in mein Zimmer. Mit Absicht verursachte ich fiese Geräusche mit meinen Chucks und knallte die Tür.

„Hat die immer so schlechte Laune?", fragte Miyu unschuldig und schulterzuckend.

„Na, meist ist sie ganz lieb. Leidet nur unter Schlafmangel, die Gute. Dann ist sie ungenießbar."

Trotz meiner Gefühle schlief ich zwei Stunden und es war auch bitter nötig gewesen. Das Kostüm hatte ich über einen Stuhl gehangen und als es jetzt darum ging, es wieder anzuziehen, verging meine Lust auf pink. Ich ließ den Schrank rotieren und entschied mich für einen schwarzen Bleistiftrock mit hoher Taille, doppelreihigen Deko-Knöpfen am Bund und einem neckischen Schlitz mittig vorn, der das Gehen erleichterte. Dazu kombinierte ich eine weiße Stretchbluse mit spitzem Kragen, leicht schimmernde hautfarbene Strumpfhosen und spitze, schwarze Pumps. Die Cat-Eye-Brille durfte nicht fehlen. Ich puderte mir noch einmal das Gesicht ab und legte einen knallroten Lippenstift auf. Trotz meines Hüftgolds würde ich sicherlich als scharfe Sekretärin vom Chef durchgehen. Sollte dem Schenkelberg doch der Mund offen stehen. Pah!

Die Absätze klackerten wunderbar auf dem Bodenbelag der Tardis. So war nicht zu überhören, dass ich antrabte. Und als hätte ich es gewusst, striff Marcus Blick mein Auftreten mehr als lange. Und er schluckte. Yes!

„Oh, da sind sie ja wieder. Gut schauen sie aus und ein tolles Schiff haben sie", gurrte die asiatische Schönheit in sanftem Singsang.

„Vielen Dank", sagte ich resolut und sah Marcus über den Rand meiner Brille hinweg an. Es wirkte. Ich stellte mich an die Konsole um einen Blick auf die Ergebnisse der Scans auf dem Monitor zu werfen. Er stellte sich so dicht neben mich, das Körperkontakt unvermeidbar war.

Er räusperte sich: „Du bist gemein." Seine Stimme war nur ein Flüstern.

„Ist das so?", flüsterte ich zurück und versetzte ihm einen sanften Schubs mit der Hüfte.

„Du Hexe." Er kniff mir verstohlen in den Hintern.

Ich warf ihm einen amüsierten Seitenblick zu.

„Oh ,man. Du machst mich fertig", raunte er heiser, während ich mir das Lachen verkneifen musste.

„Wenn ihr mit dem, was immer ihr da gerade macht, fertig seid, können wir dann mal überlegen, wie es weiter geht?", brachte sich Miyu wieder ins Spiel und ich war doch etwas peinlich berührt.

„Selbstverständlich, lassen sie mich noch die Ergebnisse ansehen", warf ich ihr einen zuckersüßen Blick über die Schulter zu und starrte wieder auf den Monitor. Was war das?

The Doctoress - Go! (9)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt