Kapitel 11

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Wir verließen das Dach und traten auf die Straße, die mittlerweile menschenleer war. Das Geräusch, das das Voltobal beim Bewegen verursachte, war weit zu hören. Es schienen weitere seiner Art auf den Straßen in den anderen Vierteln unterwegs zu sein. Eine Bedrohung, der wir uns stellen mussten.

Wie als hätte es uns gerochen, näherte sich das Geräusch und das Voltobal machte kurz vor uns halt um uns sein fieses Gesicht zuzeigen. Schon öffnete es sein Maul um uns aufzunehmen, als es zu flackern begann. Etwas schien mit der Stromversorgung nicht zustimmen. Schnell zückte ich den Schallschrauber und setzte ihn auf das Voltobal an. Es war kein Lebewesen im eigentlichen Sinne, eher eine Maschine ähnlich einer KI, bestehend aus Stahl und jeder Menge Elektronik. Doch...

Schwarz. Alles um uns herum. Anscheinend hatte das Voltobal seine Energie wieder gefunden und uns verschlungen. Wir hörten das Bowlingkugel-Geräusch. Erstaunlicherweise wurden wir nicht herumgewirbelt. Auch hier musste Technik verwendet worden sein um die pysikalischen Gegebenheiten außer Kraft zu setzen. Vielleicht eine Kugel in der Kugel, die eine Gegenrotation verursachte. „Marcus?", fragte ich in den Raum.

„Anwesend", tönte es voll ganz aus meiner Nähe und schon spürte ich zwei tastend voraus gestreckte Hände an Dingen, die am weitesten von mir abstanden. „Oh, Doctoress bist du das?"

„Ja...", knurrte ich. „Miyu?"

Ächzend und stöhnend schien sich eine Person in mehreren Metern Entfernung zu erheben. Wie konnte das sein? War der Voltobal außen kleiner und innen Größer, wie meine Tardis? Schien so.

„Bitte sprecht weiter, dann kann ich euch besser lokalisieren", bat Miyu. Gesagt, getan. Miyu kam näher. Ein seichtes Ruckeln ging durch unser Gefängnis. Ich kramte nach dem Schallschrauber und musste feststellen, dass dieser nicht funktionierte. „Verdammt aber auch!", fluchte ich. Langsam aber sicher schienen die Wände etwas heller zu werden und spendeten uns Licht. Wir stellten fest, das wir in einer Leuchtkugel gefangen waren, auf deren Hälfte ein gläsernerBoden eingezogen war. Eine Kugel in der Kugel sozusagen. Durch den Boden schimmerten Metallteile, Kabel, Platinen, LEDs - alles Dinge, die für den Betrieb der Kugel nötig waren. Immer noch fragte ich mich, warum der Schallschrauber seinen Dienst verweigerte. Eigentlich tat er das nur bei Holz. Ich überlegte. Transparentes Holz? Ich hatte mittlerweile schon so vieles gesehen, was es gar nicht geben sollte. Warum dann nicht transparentes Holz? So musste es sein und nicht anders.

Ein erneutes Ruckeln ging durch die Kugel. An der hellen, leuchtenden Wand zeichnete sich in einem grünen Streifen der Umriss einer Tür ab, die sich wie eine Schiebetür öffnete. Wir traten in einen tristen weißen Gang, der eng war und an dem sich nichts befand, an dem man sich irgendwie orientieren konnte. Aber Geräusche hörten wir. Jubeln, Kreischen, Applaudieren, das Stampfen von Füßen, Kampfgeräusche und alles direkt über uns. Schnell stellten wir fest, dass der Gang wie ein Oval verlief. Wir trafen auf weitere Menschen, die aus weiteren Schiebetüren traten. Alsbald war es voll und es war ein Drängen und Schieben. Dann öffnete sich die Decke und der Gang fuhr nach oben. Wir standen mitten in der Arena des intergalaktischen Zirkus. Unseren Blick in die Höhe gerichtet, sahen wir die Massen von Zuschauern mit ihren Brillen auf den Rängen hocken. Alle, die in der Arena standen, trugen keine Brillen. Dies war das erste, was mir auffiel. Bei meinem Schallschrauber tat sich immer noch nichts. Ich versuchte ihn auf verschiedene Frequenzen einzustellen. Nada. Ich suchte den Blickkontakt zu Marcus und Miyu. In unseren Köpfen schien sich derselbe Gedanke zu drehen: Wir werden kämpfen müssen. Marcus suchte meine Hand und hielt sie fest. So ernst war es noch nie. Das spürten wir alle hier.

Auf einem riesigen Display, der von der Decke hing, stand: „Round one: Karpador, WP 10, Special Features: Platscher, Verzweifler. 3-2-1-Go!" Eine Tröte verursachte ein grässliches Geräusch. Daraufhin fielen 50 Karpadore von der Decke, allesamt in der Größe einer Katze. Weiß, rot, orange leuchteten sie, zappelten mit ihren Flossen und machten diese fischeigene Lippenbewegung, wie sie bei Karpfen immer zu finden war, wenn sie nach Luft schnappend auf dem Trockenen lagen. Sie sehen harmlos aus, dachte ich, bis mich ein gigantischer Wasserschwall von den Socken haute. Ich musste überlegen, gegen was die Viecher nicht mochten. „Feuer – Eis – Gestein – Stahl ...", ging es durch meinen Kopf. Dann blieb ich bei „Pflanze" hängen. Aber hier gab es keine Pflanzen. „Elektro", überlegte ich laut,während ich hektisch versuchte den Wasserschwällen auszuweichen. „Du hast recht. Der Strom wird durch Wasser in das Pokemon geleitet. Doppelter Schaden", keuchte Miyu und rappelte sich vom Boden auf. Sie war wie Marcus und ich und alle anderen völlig durchnässt. Die Kleidung und Haare klebten, das Makeup war verlaufen. Paniert mit Sand vom Fußboden der Arena waren wir auch noch.

Ich hatte einen Moment zum Durchschnaufen. Mein panischer Blick suchte die Wände ab. Eine Steckdose? Ein loses Kabel? Igendwelche sonstigen Anschlüsse? Irgendwas, von dem ich Strom ziehen konnte? Wie bewerkstelligte ich es, ohne dass der Strom durch die Wasserfontänen auf die Menschen geleitet wurde und sie verletzte, die Karpadore zu treffen? Fakten auf den Tisch. 50 Menschen, 50 Karpadore, 1:1. Die Wasserfontänen waren eine Lade-Attacke, dass hieß, sie brauchten ein wenig um wieder einen Schwall Wasser auf uns zu lassen. Irgendwie schaffte ich es, dass alle eine Reihe bildeten. Jeder Mensch gegenüber eines Karpardors. Die Menschen wie auch die Fische dicht an dicht. Wir warteten den Wasserschwall ab, alle Menschen traten einen Schritt zurück und ich betete, dass der Schallschrauber jetzt funktionierte und wenigstens eine geringfügige Menge an Strom in den ersten Fisch abgeben konnte. Brzzz! Flapp, flapp, flapp, flapperten keine Flossen mehr. Die Fische fielen zur Seite, zogen eine letzte Fischschnute und lösten sich dann in tausende von Pixeln auf.

„Abgefahren! Wir kämpfen gegen digitale Monster, die Wasser auf uns gespuckt haben", zuppelte ich an meiner nassen Kleidung. „Ja,", seufzte Marcus und starrte auf den Inhalt meiner Bluse, die leider etwas durchsichtig geworden war. Ich rempelte ihn an. „Sorry, ich kann nichts dafür. Es passiert einfach so", grinste er, wissend, dass diese Ausrede bei mir kein Gewicht hatte. Ein paar Voltobal materialisierten sich und trieben uns aus der Arena zurück in unsere „Kugeln". „Hast du gut gemacht, Doctoress", lobte Miyu mich. Doch ich hatte das ungute Gefühl, dass das noch nicht alles war. Ich versuchte hier mit dem Schallschrauber wieder etwas anzufangen, aber er ging nicht. Eine halbe Stunde später öffnete sich die Schiebetür erneut. Diesmal wollten wir die Kugel nicht verlassen, jedoch begann diese ein Eigenleben zu entwickeln und warf uns durch Schrägstellung des Bodens einfach hinaus. Auch die Wände und der Boden des Flurs wiesen uns deutlich an, wohin wir zu gehen hatten: in die Arena.

The Doctoress - Go! (9)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt