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*William*

„Wir ziehen das jetzt durch! Ich bin da! Und zu trauern ist okay!" ermutigte mich Harry erneut, als wir schon vor dem Tor zum Friedhof standen. Ich nickte nur nochmal kurz und ging dann weiter. Ich ging voraus, da ich ganz genau wusste wo ich hin musste, also lief ich zielgerichtet in eine Richtung. Harry folgte mir einfach stumm, als wir da waren blieb ich abrupt stehen und der Mensch lief fast in mich rein. Zögernd drehte ich mich um 90 Grad und stand nun vor dem Grab meiner Zwillingsschwester, genauso langsam legte ich die weiße Rose vor den Stein. Wir standen ungefähr eine Stunde vor dem Stein, ich dachte viel nach und erinnerte mich an sie, ich konnte meinen Blick nicht von ihrem Namen lösen und spürte einige Tränen an meiner Wange. Harry stand still neben mir und verstand einfach wieder alles, die Tränen und meine Trauer, während ich alles wieder erlebte, ich hörte sie rufen, sah sie bluten und rennen, es tat weh, aber es tat auch gut mal daran zu denken und zu weinen. "Es tut weh." flüsterte ich "Und das ist gut, denn du hast Schmerzen wenn du eine Wunde hast und Wunden heilen. Du wirst es nie vergessen, aber es wird besser werden, vor allem da es schon fünf Jahre her ist. Es wird besser." "Danke... Wir sollten wieder los..." "Was hälst du davon wenn du mich wieder nach Hause bringst und dann nach Hause fährst und Tamara oder so anrufst? Mal mit irgendjemandem reden?" schlug Harry vor, doch ich schüttelte den Kopf. "Ich hab eine bessere Idee. Wir fahren zusammen zu mir, essen Eis und Schokolade und Pudding und Tiefkühlpizza und was auch immer und ich erzähl dir was über uns Werwölfe, alles was ich weiß. Damit du dich wenigstens wie einer fühlen kannst." er schien kurz zu überlegen, nickte dann und dann gingen wir wieder. Glücklich darüber von diesem deprimierenden Ort weg zu sein, lächelte ich die ganze Fahrt über. Vielleicht war es ein Fehler dass ich wieder zuließ dass er bei mir ist, aber schon sein Geruch machte mich schwach, seine Worte, seine Sorge, sein kompletter Charakter, man musste ihn einfach mögen. Außerdem musste ich endlich sicher sein was ich fühlte und das ging nur wenn er bei mir war. Und vielleicht fühlte er sich mehr als Teil des Rudels wenn er mehr über uns wusste, Jack hatte mir zwar schon vor Wochen aufgetragen ihm alles zu erzählen, aber ich hatte nie Zeit oder Lust dazu.

Die folgende Woche verlief wieder relativ normal, ich hatte Harry alles erzählt und ihn am Abend nach Hause gefahren. Wir waren jeden Tag wieder im Wald und haben nach Spuren gesucht, bis jetzt aber nichts gefunden. Natürlich hatten wir uns auch wieder gestritten nachdem wir wieder so einen Moment zwischen uns hatten und ich wieder so eine Angst vor meinen Gefühlen hatte, ihn von mir stieß. Da ich ihn aber irgendwie mochte, hatte ich mich wieder zehn mal entschuldigt und es war wieder alles wie vorher.

Auch gerade liefen wir wieder durch den Wald, einen Teil in dem wir noch nicht waren. Zwischen uns war wieder ungefähr ein Meter Abstand und wir sahen überall hin, nur nicht in die Richtung des anderen. Mir stieg ein metallisch blutiger Geruch in die Nase, ich griff nach Harry's Hand damit er stehen blieb. "Was ist?" "Blut." ich lief los, folgte dem Geruch und zog den Menschen mit mir. Schon nach den ersten paar Schritten stellte ich fest dass es ein Reh war und als wir es sahen, blieb Harry kurz geschockt stehen. Ich sah ihn kurz an um zu sehen ob er damit klar kommt wie das arme Tier aussah. Es war komplett auseinander gerissen, sogar für mich - Ich hatte schon einiges ähnliches gesehen - war es schlimm so etwas zu sehen. "Es ist ein Monster..." stellte der Mensch fest und sah weg "Ja das ist es und wir werden es finden und rächen was es getan hat." ich ließ ihn los und ging zu dem Reh. "Es ist noch nicht lange tot, ist aber ohne viele Schmerzen gestorben. Ich rieche das Monster an ihm. Es ist männlich, ein Werwolf bei dem nur ein Elternteil übernatürlich war, also ein Schattenwandler. Ich weiß nicht was er noch für eine Kraft hat, er hat aber aufjedenfall die Fähigkeit so etwas anzurichten..." stellte ich fest, da der Kopf des Tieres ziemlich unbeschädigt war, strich ich über das blutverschmierte Fell und schloss ihm die Augen. "Ehur ni Nedierf." murmelte ich "Was bedeutet das?" "Ganz einfach: Dreh die Wörter um." er überlegte kurz "Ruhe in Frieden..." dann kam er zu mir. "Wir müssen es finden..." er kniete sich zu mir und betrachtete es mitfühlend, ich nickte und erhob mich. An einem Eichenbaum wuchsen irgendwelche kleinen Blumen die ich pflückte, dann ging ich zu Harry zurück, tippte auf seine Schulter und hielt ihm die Blumen hin. Er lächelte mich an, ich erwiderte das Lächeln und beobachtete wie er die Blumen zu dem toten Reh legte. "Jedes Wesen hat es verdient mit Respekt verabschiedet zu werden." murmelte ich nachdem der Mensch aufstand und sich neben mich stellte "Und vor allem wenn es so gehen musste..." ergänzte er. Dann drehten wir uns um und gingen weiter. "Ich war noch nie in diesem Teil vom Wald." meinte Harry nachdem wir schon eine Weile liefen "Ich glaub ich war einmal hier, als Jack mit mir die Reviergrenzen abgelaufen ist, hat Felix bestimmt auch schon hinter sich. Das muss jeder machen der neu im Rudel ist, damit er weiß wo er sein darf und machen darf was er will, also jagen und so. Aber der Alpha der hier einfach jagt und verwandelt darf das gar nicht, weil es eben nicht sein Revier ist und das weiß er eigentlich weil Jack immer wieder an der Grenze entlang läuft und seinen Geruch verteilt." "Heißt das kurz gesagt dass hier in der Nähe eine Grenze ist?" "Nein, ganz genau hier." ich blieb stehen und hielt auch Harry auf. "Du stehst schon auf der anderen Seite." erklärte ich weiter "Wie weit sind wir gelaufen?" "Das weiß ich nicht... ich hab's nich so mit Entfernungen, was ich aber weiß ist dass wir vielleicht zwei Stunden oder so gelaufen sind und langsam zurück sollten weil es schon Nachmittag ist und ich dich bald nach Hause bringen sollte." "Und wenn ich nicht nach Hause will?" "Dann gehst du eben nicht nach Hause." "Und wenn ich die 'andere Seite' ein bisschen erkunden will?" "Das sollten wir nicht tun..." "Aber würdest du es nicht auch wollen?" "Aber wir sollten das trotzdem nicht tun." meine Aussagen ignorierend ging er ein paar Schritte weiter und drehte sich dann zu mir. "Wieso? Angst? Oder riechst du einen sehr, sehr mächtigen Alpha der uns was antun könnte?" er lief rückwärts weiter "Ehrlich gesagt scheint hier länger kein Alpha gewesen zu sein, also wovor sollte ich Angst haben?" "Weiß nich, sag du es mir, wieso kommst du nicht mit?" er lief wieder zwei Schritte. "Das ist wirklich eine sehr schlechte Idee, was wenn doch etwas passiert?" "Gib es zu: du hast Angst. Armer kleiner Werwolf, du hast Angst." provozierte er mich weiter und brachte mich doch dazu auch noch einen Schritt zu laufen. "Komm weiter." forderte er, um ihn ein bisschen zu überraschen, verwandelte ich mich und sprang direkt zu ihm. "Du siehst als Wolf so majestätisch aus." stellte er lächelnd fest und betrachtete mich, vorsichtig strich er über mein dunkles Fell. "Das ist ja super weich!" er fing an zu grinsen und streichelte über meinen Kopf. Ich legte mich hin "Ich dachte irgendwie dass ihr so groß seid wie normale Wölfe, aber du bist ja fast dreimal so groß." staunte er ohne seine Hand von meinem Fell zu nehmen. Irgendwie genoss ich seine sanften Berührungen, stand jedoch wieder auf und nickte in die Richtung in die wir eigentlich weiter gehen wollten. "Stimmt, gehen wir." er lief los und ich trottete auf meinen Pfoten neben ihm her und sah mich aufmerksam um damit ihm nichts passierte. Ich drehte meine Ohren in alle Richtungen und suchte dauerhaft nach Gerüchen. "Weißt du was?" er sah mich an und ich erwiderte seinen Blick weiterhin aufmerksam "Ich glaub ich muss keine Angst haben, weil du aufpasst..." stellte er lächelnd fest, ich nickte und sah mich weiter um. "Du bist aber viel zu angespannt, locker mal ein bisschen deine vielen Muskeln auf." er grinste frech und wäre ich ein Mensch wäre ich ziemlich rot geworden weil er das gesagt hatte. Da er erst jetzt zu realisieren schien dass er mir ein Kompliment gemacht hat, wurde er rot und löste seinen Blick von mir. Schulter an Schulter liefen wir also durch ein fremdes Revier, ich war aufmerksam und bereit ihn zu verteidigen, falls es nötig wird und er sah sich alles an. Gerade kamen wir bei einem See vorbei und er blieb stehen und sah aufs Wasser, ich stand neben ihm und war immer noch aufmerksam. "Wölfe trinken in der Wildnis doch auch aus Seen, könntest du das auch machen?" ich nickte "Hast du es schon mal gemacht?" ich nickte wieder und ging dann zum See und beugte mich zum Wasser runter. Ich trank ein paar Schlücke und merkte dann dass auch Harry zu mir kam, er kniete sich auf die Wiese und formte seine Hände zu einer Schale. "Denkst du ich kann das auch trinken?" ich steckte meine Schnauze ein Stück unters Wasser und als ich sie wieder an der Luft hatte, schnupperte ich kurz. Weder in der nähe noch im Wasser war irgendetwas giftiges oder lebendiges, also nickte ich zögernd. Langsam schöpfte er ein bisschen Wasser in seine Hände und trank zwei kleine Schlücke davon. "Schmeckt aufjedenfall nach Wasser. Und sollte ich in den nächsten zwei Tagen sterben dann hast du es endlich durchgezogen und mich umgebracht." lachte er, auch mir konnte man ansehen wie amüsiert ich darüber war, spätestens als ich ihn anstupste und schubste. Er lag auf der Wiese und lachte, ich stand über ihm und stupste ihn immer wieder an, er versuchte mich weg zu schieben. "Du bist zu groß!" beschwerte er sich lächelnd, um ihn weiter zu ärgern legte ich mich auf ihn, so dass mein Kopf auf seiner Brust lag. "Und schwer bist du auch." lachte er weiter hin, in diesem Moment stellte ich fest dass er mir wirklich sehr, sehr, sehr verdammt wichtig geworden ist, ich liebte es wenn er lachte und glücklich war. "Sollten wir zurück gehen?" fragte er als ich mich wieder hinstellte, ich legte den Kopf schief um zu fragen ob er das denn wollte. "Wenn ich es richtig deute, dann willst du wissen ob ich zurück möchte und wenn du das fragen willst ist meine Antwort Nein. Ich finde es echt schön hier, wäre bestimmt toll noch ein bisschen rum zu laufen, aber es wird bald dunkel." er setzte sich auf, ich lehnte meinen Kopf zu ihm runter um ihm aufzuhelfen. Er schlang seine Arme um mich und ich zog ihn hoch, da ich ein Stück größer war als er, stand er nun nicht mehr auf dem Boden. "Kannst du mich wieder ein Stück runter lassen?" bat er grinsend, da ich es wirklich mochte wenn er so von mir abhängig war, ging ich erst ein paar provozierende Schritte. "William!" er klammerte sich an mir fest, da er nicht wirklich weit über dem Boden war, sondern nur fünf Zentimeter oder so, ließ ich ihn einfach runter. "Das war ja gar nichts." stellte er lachend fest ohne mich los zu lassen "Du bist so warm..." er schmiegte sich an mich, was mich ehrlich gesagt ein bisschen überforderte. Da ich ihn ja aber wirklich mochte, konnte ich nicht anders als meinen Kopf auf seine Schulter zu legen. Nun standen wir also da, in einem fremden Revier und umarmten uns so gut es ging, ich als Wolf mit meinem schwarzen Fell und er hielt sich an mir fest und ließ sich wärmen. "Wir sollten wirklich gehen..." murmelte er in mein Fell und lockerte dann seinen Griff, ich hob meinen Kopf etwas an und er löste sich von mir. Zögernd liefen wir wieder los, ich aufmerksam neben dem Jungen der einfach lächelte. Irgendwann verwandelte ich mich zurück, wich ihm aber keine Sekunde von der Seite, zwischen uns war immer noch ein kleiner Abstand. Bis ich merkte dass ihm kalt war, ich näherte mich ihm noch ein Stück, so dass wir uns wieder berührten und ich ihn ein wenig wärmen konnte. Als wir endlich das Auto erreichten war es schon dunkel und als wir drinnen saßen und ich los gefahren war, sah ich kurz auf die Uhr. "Schon neun Uhr..." stellte ich laut fest "Ja, das war ein langer Tag..." "Irgendwie ja schon und weißt du was?" "Was denn?" "Wir haben schon fast das ganze Revier erkundet und eigentlich nicht besonders viel gefunden, uns fehlt nicht mehr viel und wir sind kaum weiter gekommen." "Kann schon sein, aber vielleicht sind wir nur nicht weiter gekommen weil es hauptsächlich in dem Teil ist in dem wir noch nicht gesucht haben." "Möglich. Wir werden es morgen herausfinden. Und wir sind da." ich hielt vor dem Haus in dem er wohnte. "Wir sehen uns morgen..." "Ja, ich komme zur selben Zeit wie immer, vielleicht auch schon früher. Gute Nacht Harry." "Gute Nacht William." er stieg lächelnd aus und ging nach Hause. Ich wartete noch bis er die Tür geschlossen hatte und fuhr dann selbst nach Hause.

Wolves - Fighting For Love (Wird Überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt