7~When you think that noone's there to hold your hand~

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"Hetkinen, pikkuinen (Warte einen Moment, Kleine)", hörte ich Mika hinter mir sagen, als ich gerade dabei war, die letzte Wand des Schrankes anzuheben.
Ich wurde etwas rot und sah ihn stutzend an, musste jedoch grinsen: "Pikkuinen?"
Mit meinen 1,78m war ich garnicht so klein, aber verglichen mit Mika, der bestimmt an die 1,90m ragte, dann schon.
Mika streckte mir die Zunge raus und zwinkerte mir kurz zu, bevor er mir mit dem Schrank half und wir die Türen befestigten.
Fertig war er. Endlich. Nach einigen Stunden Arbeit hatte ich jetzt einen ziemlich schönen, großen Schrank, in den meine Klamotten alle reinpassen sollten.
Im Laufe des Tages waren auch meine restlichen Möbel gekommen und so hatte ich bald alles, was mein Herz begehrte.

Gerade saßen wir auf dem Balkon und rauchten still vor uns hin, als Mikas sanfte Stimme die Stille brach: "Ailina?" Ich sah ihn fragend an. "Why don't you tell anything about your past?"
Er sah mich schüchtern an und in seinen aussagekräftigen dunkelgrünen Augen lag ein Hauch von Besorgnis.
Ich blickte wieder in die Ferne auf die Dächer Helsinkis und zuckte mit den Schultern. Sollte ich es ihm sagen? Nein.
"You don't have to tell me. You don't know me really, but if you want to tell it, you can." Ich hörte das sanfte Lächeln in seiner Stimme und atmete tief ein, um die hochkommenden Gefühle zu unterdrücken.
So Angst hatte ich davor gehabt, in Finnland keinen Anschluss zu finden und dann war da Mika einfach und war da. Für mich und auch sonst.
"It's not the best past", murmelte ich leise und spickte kurz zu ihm rüber. Er musterte mich immernoch und nickte schließlich.
Meine Augen fingen an zu brennen, als die Erinnerungen in mir hochkamen.
Der Anruf der Polizei, den ich annahm, als ich gerade 13 war. Als ich nicht verstand, warum meine Mutter plötzlich weinte, nachdem ich ihr das Telefon weitergegeben hatte.
Die Momente im Krankenhaus, in dem ich Tag und Nacht verbracht habe, als meine Mutter dann krank wurde ...
Ein eiskalter Schauer lief über meinen Rücken und ließ mich leicht zusammenzucken, während mein Blick immernoch in die Ferne gerichtet war.
"Pikkuinen (Kleine) ? Hey, it's okay", murmelte Mika plötzlich neben mir und fischte mich in die Realität zurück.
Als er merkte, dass ich mich etwas wegdrehte, wartete er einen Moment und hustete leicht: "As long as you did not kill anyone it's okay, huh?"
Unwillkürlich bildete sich ein Lächeln auf meinen Lippen und ich war ihm unglaublich dankbar dafür, dass er nicht weiter nachfragte, sondern ablenkte. Er wusste einfach, wie man wann reagieren musste.
"No", grinste ich also leise und verzog das Gesicht. "Not that bad."
Mika atmete gespielt erleichtert auf und so saßen wir doch noch den ganzen Abend da, rauchten, redeten und tranken Bier.

Am nächsten Morgen wachte ich gegen 10 Uhr auf und musste bei der Erinnerung an den vorherigen Abend ein wenig grinsen. Abgesehen von meinem kurzen Hänger war es schön gewesen.
An diesem letzten Tag vor meinem ersten Arbeitstag machte ich nicht sonderlich viel.
Ich spielte etwas Gitarre, sang und schrieb an den ein oder anderen Liedern herum.
In Gedanken war ich ganz bei meiner alten Band, die wir damals im Alter von 16 Jahren gegründet hatten. Nach etwa einem halben Jahr hatten wir mit dem Schreiben von eigenen Liedern begonnen und hatten dann langsam immer mehr Auftritte.
Als ich dann gerade 18 wurde, waren wir bestimmt jedes Wochenende unterwegs, hatten Gigs auf Geburtstagen, Feiern, Feten und in Bars.
Nach einiger Zeit wurden wir zu einem Namen in der Umgebung, aber als wir dann auf die 25 zugingen, zerbrach die Band immer mehr.
Wir hatten alle in der Nähe unserer Heimat studiert oder unsere Ausbildung gemacht, aber danach ging es bergab.
Nun, diese 3 Jahre später, als ich da also in meinem Schlafzimmer in Helsinki saß und vor mir hin spielte, fragte ich mich, was aus uns geworden wäre, wenn wir dabei geblieben wären.
Nicht, dass wir nur eine Jugendband gewesen waren, nein. Jede Woche steckte damals voller Arbeit und wir taten alles dafür, um das Beste daraus zu machen. Wir hatten auch schon professionelle Aufnahmen gemacht und ein eigenes Album zusammengestellt, das wir nach Auftritten verkauften.
Aber so war das Leben, gerade läuft alles gut und im nächsten Moment wird einem der Boden unter den Füßen weggezogen.
Man muss nur lernen, damit umzugehen und die Situation wieder verbessern.
Und ich war dort oben im Norden, in Helsinki, auf dem besten Weg, alles richtig zu machen.

Es war Spätnachmittag, als ich schließlich die Gitarre weglegte und die Hausarbeiten erledigte.
Gerade beendete ich den Abwasch, da klingelte mein Handy kurz - eine neue Nachricht.
Von Mika: "Moi pikkuinen. Lauantai-iltana - IFK Helsinki vs Ilves Tampere. Oletko tulossa? (Hallo Kleine. Samstagabend - IFK vs Ilves. Kommst du mit?"
Ich grinste leicht. Eishockey. Seit meinem neunten Lebensjahr war ich nicht mehr live auf einem Spiel in Finnland gewesen. Also musste ich auch nicht lange überlegen, ich hatte ja wohlgemerkt eh nichts vor und antwortete sofort: "Joo, mielellän, kiiti (Ja, gern, danke)!"

Da ich dann schonmal am Handy war, nutzte ich die Möglichkeit, um mich nochmal meiner 'Vergangenheit' zu widmen.
Ich schrieb ein paar ellenlange Nachrichten an meine Tante und an Lea, in denen ich vom Flug, von der Wohnung, dem neuen Auto und Mika erzählte ...

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Sorry, ich kann's nicht lassen, ins Detail zu gehen. Wenn stört, lässt es mich wissen!
Bald kommen die Jungs auch vor ;)

Einblick von Kapitel 8:
Dass Leute vergaßen, das 'Bitte nicht stören'-Schild anzuhängen, war leider kein Einzelfall.

'cause my life belongs to the other sideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt