Es war eine Schnapsidee gewesen, heute Abend noch an den See zu gehen. Die Biese weht wie verrückt und es ist viel zu kalt, um ins Wasser zu gehen. Das kann man schon nur daran feststellen, dass Mike eingehüllt auf meinem Badetuch kauert.
"Oh mein Gott", bibbert er.
Ich muss lachen.
"Was?", fragt er mich überrascht. Immer noch am Kichern, schüttle ich den Kopf und streiche über seinen Arm.
"Nichts, nichts", antworte ich, "es ist nur so süss."
"Ach, sei doch still. Ich war wenigstens im Wasser." Mike zwinkert mir zu und schaut sich um. Ich tue es ihm gleich. Fast alle Badegäste sind gegangen. Nur noch der Eisverkäufer steht an seinem Stand und ein paar wenige Jugendliche spielen Volleyball. Mein Blick schweift zurück zu Mike. Vorhin, als ich mich gesonnt habe, wollte er unbedingt kurz ins Wasser. Ich denke nicht, weil er sonderlich Lust dazu hatte, sondern, um mir etwas zu beweisen. So ist er immer. Er muss mir immer beweisen, dass er der taffe Mann ist.
Ein gutes Beispiel war heute auch unser Golfturnier. Ich hätte ihn schlagen können, was ich aber mit Absicht nicht getan habe. Er wäre viel zu beleidigt gewesen und es hätte sein Ego verletzt. Gott sei dank ist dieses golfen endlich vorbei. Ich habe die Minuten gezählt.
Ja, das Ego und die Zielstrebigkeit von Mike bringt ihn ziemlich weit. Aber manchmal trappt er auch ins Leere. Ich kann mich noch an unseren Urlaub in Botswana erinnern. Er war wunderschön, bis Mike das Gefühl hatte, Würmer essen zu müssen. Und darauf direkt wieder gekotzt hat. Würmer sind eine botswanische Delikatesse, welche dort mit vergnügen verzehrt wird. Und Mike musste wieder mal was beweisen. Der Gedanke daran lässt mich leise auflachen. Wenn man daran denkt, wie eitel und spiessig Mike ist, könnte man dies glatt als einen Witz halten.
"Wieso lachst du denn jetzt schon wieder?"
"Mir ist gerade in den Sinn gekommen, dass du damals in Botswana Würmer gegessen hast."
Daraufhin verzieht er nur das Gesicht und schüttelt den Kopf. Und im nächsten Moment liege ich auch mit dem Rücken im Gras. Überrascht sehe ich auf. Ein sommerlicher Männerduft umhüllt mich. Aber nicht wie er, denke ich. Ich darf jetzt nicht an ihn denken. Mike liegt oben ohne über mir. Durch seine dünne Badehose fühle ich sein bestes Stück. Es ist nicht steif. Es ist einfach nur da. Wie würde es sich wohl bei Alec anfühlen?
Um mich endlich von diesem Mann abzulenken, drück ich meine Lippen auf die von Mike. Ihm entwischt ein überraschtes Keuchen. Ein Keuchen, das mich in diesem Moment ganz und gar nicht anmacht.
Manchmal passieren Dinge, in die man sich viel zu sehr, viel zu schnell hineinstürzt. Und wenn man einmal drin ist, kommt man nicht so schnell wieder hinaus. Und manchmal denke ich, dass ich mich gegen Mike hätte entscheiden sollen. Gegen diese Liebe, die ich mir selber vorspiele. Aber manchmal, da bin ich froh, dass ich mich für ihn entschieden habe. Aber nicht heute. Heute ist ein ganz anderer Tag. Seit diesem Archivkeller stört ein anderer Mann meine Gedanken. Nimmt meinen Kopf ein. Ich muss unaufhörlich an seine Ausstrahlung denken, an seine ungewöhnliche Schönheit. Und an diesen Körperbau. Ich kann mich dagegen nicht wehren. Ich kann nichts anderes tun als Nachts wach zu liegen und mich nach ihm zu verzehren. Er verfolgt mich selbst in meinen Träumen.
Aber es sind nicht die Lippen von Alec auf meinen, sondern die von Mike. Nur mit halbem Kopf beisammen, küsse ich Mike. Denn von herumknutschen kann bei uns nicht gross die Rede sein. Einzelne, leichte Küsse, federleichtes Hauchen und Liebkosten. Um ihn in seinem tun zu unterbrechen, fange ich an zu lächeln. Er zieht seinen Kopf zurück und sieht triumphierend zu mir herunter.
"Du bist hier süss." Er stupst mit seiner Nase gegen meine. Ein paar Sekunden noch schauen wir uns gegenseitig in die Augen. Seine glänzen bernsteinfarben, die Haut drum herum jedoch wirkt recht matt. Allgemein ist Mike ein sehr heller Typ. Schon bei diesem Wetter heute hat er bestimmt eine halbe Tube mit fünfziger Sonnencreme eingestrichen. Ob Alec bei Sonnenschein braun wird?
Ich stosse Mike leicht zurück. "Komm", spreche ich zu ihm, "wir gehen uns umziehen."
Als wir unsere Sachen gepackt haben, machen wir uns händchenhaltend auf den Weg zu den Umkleidekabinen.
"Bis dann." Mit diesen Worten löst sich Mike von mir und geht in den Männerbereich. Als er ausser Hörweite ist, atme ich einmal tief aus. Ich kann mich nicht konzentrieren, denn meine Gedanken schweifen immer wieder zu Alec ab. Ob er nächste Woche wieder da sein wird?
Als ich aus der Umkleide komme, ist Mike noch immer nicht fertig. Das ist keine Ausnahme. Bei jedem anderen Paar ist der Mann das Opfer, der immer auf die Frau warten muss, die sich am aufbrezeln ist. Bei uns ist es das komplette Gegenteil. Ich habe auch keine Ahnung, was Mike so lange da drin macht. Vielleicht seine Haare gelen, Klamotten glätten oder Intimhaare bürsten. Ganz ehrlich, ich weiss es nicht. Er will einfach niemandem eine Steilvorlage bieten. Aber wenn ich aufrichtig bin, dann könnte er sich auch manchmal einfach gehen lassen. Dann könnte ich dies vielleicht auch tun.
"Hey", höre ich eine Stimme ganz nah. Da weit und breit niemand anderes zu sehen ist, muss dies wohl an mich gerichtet sein.
"Hey", erwidere ich. Gegenüber von mir steht ein grosser Typ. Nicht so gross wie Alec, denke ich.
"Ich habe dich schon eine ganze Weile beobachtet", er streicht sich durch sein kurzes schwarzes Haar,"und ich finde dich wunderschön, wenn ich das so direkt sagen darf." Er muss Italiener sein. Natürlich gebe ich zu, dass er sehr hübsch ist aber was hat das schon zu bedeuten. Dieses Lächeln, dass er mir zu wirft, schreit förmlich Fuckboy. Und dieser Anmachspruch - bitte.
"Vielen Dank", entgegne ich mit zusammengebissenen Zähnen.
"War das dein Freund?" Er kommt einen Schritt auf mich zu, ich gehe einen zurück.
"Ja", antworte ich so gelangweilt wie möglich.
"Sehr schade. Ich hätte dich gerne auf einen Drink eingeladen." Im Augenwinkel erkenne ich Mike, der auf uns zukommt. Und plötzlich habe ich eine Idee.
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Unumgehbare Lust (Abgeschlossen)
Romantik~ enthält sexuelle Inhalte (18+) ~ 💗 "Al", wimmere ich. Er drängt sich noch fester an mich, bis ich ihn hart an meiner Mitte spüre und hört nicht auf, mich tief und innig zu küssen. Ich will ihn packen, ihm seine Klamotten vom Leib reissen und ih...