Seit etwa fünf Minuten starre ich gebannt auf die Karte. Was soll ich nur nehmen?
Gebratener Lachs mit gedämpftem Gemüse oder doch eine lieber eine einfache Pizza? Aber dann könnte er denken, ich ernähre mich ungesund, und das als Medizinstudentin. Über den Rand meiner Karte hinweg schaue ich zu Alec, der vis a vis von mir sitzt. Dieser schaut aufmerksam umher und scheint die Ruhe zu geniessen.
Da wir heute sehr früh dran sind, sind wir fast die Einzigen im Restaurant. Nur ein anderes Paar sitzt auf der gegenüberliegenden Seite vom kleinen Saal.
"Was nimmst du?", frage ich ihn. Vielleicht hilft er mir auf die Sprünge.
"Pizza Margarita", zwinkert er mir zu.
Ich betrachte wieder meine Karte. Doch diese will mir nicht viel sagen.
"Das nehme ich auch", sage ich kurzum, da ich mich einfach nicht entscheiden kann. Das kann ich nie.
Während mein Blick immer wieder zu dem anderen Pärchen fliegt, nippe ich am Rotwein und versuche die unangenehme Stille zu überstehen und seinen Blicken auszuweichen. Was so gar nicht funktioniert.
"Was ist?" Der tiefe Vibrator in seiner Stimme lässt mich beben. Ich sehe dem Tischmuster nach und versuche herauszufinden, wie man das wohl gestrickt hat. Ob das irgendwelche Kinder aus Srilanka waren?
"Lucie!" Ich sehe auf.
"Was ist los?" Aufrichtig blickt er mich an, und ich auf meine Hände, deren Finger ich nicht stillhalten kann.
"Ich ..."
Die Vorhänge des Restaurants sind beige, meine Lieblingsfarbe. Mike mochte diese Farbe noch nie.
"Wie findest du die Farbe der Vorhänge?", frage ich ihn und deute darauf.
"Was?" Alec scheint die Welt nicht mehr zu verstehen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen mustert er zuerst die Vorhänge, dann mich.
"Wie findest du die Farbe?", wiederhole ich meine Frage.
"Ähh ..." Noch einmal sieht er zu den Vorhängen.
"Schön."
Meine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln.
"Gut", sage ich. Daraufhin schüttelt Alec nur den Kopf.
"Ist bei dir alles in Ordnung?" Unbeholfen lacht er und streift sich mit dem Handrücken über die Stirne, als hätte er geschwitzt.
"Eigentlich ... sollte ich jetzt mit Mike dasitzen", flüstere ich.
Stille herrscht und es scheint, als würde man das Kauen der andern zwei Gäste hören.
"Du wirst Schluss machen", bestätigt er und auch da wird mir erst wieder klar, dass das hier kein Traum ist. Aber es fühlt sich an wie einer. Auf Wolke sieben.
"Ich ..."
"Lucie. Du wirst doch Schluss machen, oder?"
Unsere Augen treffen sich und es ist, als würde ein neues Universum entstehen.
"Oder?", wiederholt er.
"Ich ... ja, ich will."
Erleichtert atmet er auf und leht sich zurück.
"Haben Sie bereits etwas ausgesucht?" Der Kellner taucht plötzlich neben unserem Tisch auf. Er trägt einen Anzug, obwohl ich dachte, das hier wäre ein nicht so schickes Restaurant. Darunter verstehe ich ein Restaurant, das kein Kaviar in Goldschälchen serviert. Neben dem Kellner fühle ich mich glatt wie ein Hefekloss. Ich habe mich Zuhause nur kurz etwas anderes übergezogen, dann sind wir direkt los. Das Restaurant ist nur etwa fünf Minuten von meinem Appartement entfernt und da ich kein anderes Auto auf meinem Parkplatz sah, nehem ich an, Alec ist mit der Bahn gekommen.
"Ja, zweimal Pizza Margarita, bitte", bestellt Alec. Ich werfe dem Kellner nur ein freundliches Lächeln zu und konzentriere mich dann wieder auf mein Gegenüber.
Als der Kellner weg ist, greife ich nach meinem Glas und nehme noch mals einen kräftigen Schluck.
"Es ist nur", fange ich an. Während ich versuche, die richtigen Worte zu finden, greift Alec über den Tisch hinweg nach meiner Hand.
"Hast du Angst?" Und ob ich das habe.
"Ja, ein bisschen." Wer hätte das denn nicht? Ich meine, wir kennen uns kaum, es ist total verrückt. Aber es hat sich nur noch nie etwas so richtig angefühlt.
"Ich glaube, ich kann es ihm nicht sagen", flüstere ich. Daraufhin seufzt er nur.
"Komm", sein Daumen streicht über meinen Handrücken, "lass uns einfach den Abend geniessen und heute nicht mehr darüber nachdenken."
"Okay", stimme ich zögerlich zu obwohl ich weiss, dass ich noch die ganze Nacht darüber nachdenken werde. Ich greife nach seiner Hand, die meine Streichelt. Sie fühlt sich so warm an und gibt mir das Gefühl, geborgen zu sein, beschützt zu werden. Feine Haare zieren seinen Handrücken. Meine Finger bahnen sich wie von selbst einen Weg höher zu seinem Arm. Ich möchte ihn am liebsten verschlingen.
Er ist so anders als Mike.
Als er lacht, horche ich auf.
"Was?", frage ich verlegen.
"Nichts", sagt er schmunzelnd, "nichts."
Er zieht meine Hand von seinem Arm und nimmt sie in die seine.
"Was machst du morgen?"
"Fuck!", sage ich so laut, dass sich das andere Paar zu uns rüberdreht. Peinlich berührt drehe ich mich ab und schaue Alec mit grossen Augen an.
"Was ist?", fragt er, als wäre jemand gestorben.
"Morgen ist Sonntag", erkläre ich.
"Ja?"
Ich ziehe meine Hände aus seinen und vergrabe meinen Kopf darin. Scheisse, scheisse, scheisse.
"Ich habe am Montag einen riesen Test, ich habe heute gar nicht gelernt." Ich weiss nicht, was schlimmer ist. Vergessen zu lernen oder in der Öffentlichkeit laut zu fluchen.
"Ich muss nach Hause", stelle ich panisch fest.
"Hey, Lucie. Sieh mich an." Die Panik in meinen Augen scheint jeder hier mitzubekommen, denn eine Kellnerin dreht sich zu uns um. Wie konnte mir das nur passieren? Ich war den ganzen Tag so abgelenkt, dass ich gar nicht an die Uni gedacht habe. Nur an ihn. Wir haben heute nichts anderes getan, als uns zu berühren, unsere Haut zu schmecken, uns zu küssen.
Eine Berührung am Arm reisst mich aus den Gedanken. Ich habe gar nicht mitbekommen, was Alec gesagt hat.
"Du schaffst das, okay? Du hast noch den ganzen Sonntag vor dir." Während ich in seine Haselnussaugen schaue und das Goldbraun auf mich wirken lasse, entspannen sich meine Muskeln minim.
"Aber bitte, geh jetzt noch nicht."
Sein Streicheln lässt ein angenehmes Prickeln auf meiner Haut zurück.
"Okay."
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Unumgehbare Lust (Abgeschlossen)
Romance~ enthält sexuelle Inhalte (18+) ~ 💗 "Al", wimmere ich. Er drängt sich noch fester an mich, bis ich ihn hart an meiner Mitte spüre und hört nicht auf, mich tief und innig zu küssen. Ich will ihn packen, ihm seine Klamotten vom Leib reissen und ih...