Kapitel 21

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"Was machst du hier?"

"Wir sollten miteinander reden." Die Sonnenstrahlen lassen seine hellbraunen Haare blond erscheinen. Wenn ich ehrlich bin, bin ich kein grosser Fan von blonden Haaren, aber Alec scheint nun alles zu stehen.

"Ach, sollten wir das?" Ich habe keine Ahnung, woher der plötzliche Mut kommt. Anscheinend hat mich Mia mit ihrem Selbstbewusstsein angesteckt.

"Ja, das sollten wir." Alecs Mundwinkel zucken.

Sein abwartender Blick zwingt mich, die Tür zu öffnen und ihn hereinzulassen. Er trägt eine frische Jeans mit einem T-Shirt und einer leichten Jacke. Ich muss mich zusammenreissen, ihn nicht direkt anzusabbern. Ich nehme an, dass er auf der Strasse oft angeschaut wird, so gut wie er aussieht.

Als er sich die Schuhe abgestreift hat, dreht er sich zu mir und mustert mich mit einem Grinsen, das ich als sehr jugendlich beschreiben würde. Und als ich an mir hinunterschaue, merke ich bereits, wie sich meine Blutbahnen an die Arbeit machen und meine Wangen mit zu viel Blut versorgen. Mein Gesicht glüht. Denn als ich nach Hause kam, habe ich mich direkt umgezogen und weil ich heute keinen Besuch mehr erwartet habe und auch nicht mehr vorhatte, irgendwohin zu gehen, habe ich mich in mein Lieblings-Gammel-Outfit geworfen. Ein Trainerset von Mickey Mouse. Absolut peinlich.

"Süss", bemerkt er.

Ich tue so, als wäre es nichts grosses, zucke mit den Schultern und gehe an ihm vorbei. Alec folgt mir quer durch den Flur ins anschliessende Wohnzimmer.

"Willst du was trinken?", frage ich und beobachte währenddessen, dass er sich sehr neugierig in meiner Wohnung umsieht. Ich habe nicht viel Dekoration oder irgendwelche Bilder. Jedes Mal, wenn Mia da ist, will sie mir ganze Bilderserien aufhängen und tonnenweise Pflanzenerde beschaffen, damit ich meinen Balkon mit Blumen beschmücken kann. Ich finde es ganz einfach nur unnötig und ehrlich gesagt nervig, wenn immer überall Dinge herumstehen, die verstauben. Und überhaupt muss man viel mehr putzen.

"Nein, danke", antwortet er höflich.

Ich steure auf den Sessel zu, mit dem Vorgedanke, dass ich nicht direkt neben ihm sitzen muss. Alec hingegen macht es sich auf meiner Coach bequem. Unbeteiligt versuche ich aus dem Fenster zu starren und dem unangenehmen Gespräch aus dem Weg zu gehen.

"Woher hast du eigentlich meine Adresse?", schiesst es mir durch den Kopf, was ich sogleich laut ausspreche. Ich weiss nicht wieso, denn bei den meisten Personen bin ich sehr zurückhaltend und sage nicht immer gleich, was ich denke. Aber nicht bei ihm. Bei ihm ist alles anders.

"Marlies hat sie mir gegeben."

Diese werde ich am Montag sogleich zur Rede stellen, wieso sie das getan hat. Und ich weiss schon jetzt, dass sie mich mit einer Tasse dämpfenden Kaffee zufrieden stellen wird. Ich kann ihr einfach nicht böse sein. Marlies ist mein Lieblingsmensch.

"Hmm ", gebe ich nur von mir.

Alec seufzt. Ich denke, wir beide wissen nicht, worüber wir genau sprechen sollten.

"Es ist verrückt", sagt er nach einiger Zeit. Mein Blick fliegt zur Coach und ich drehe mein Oberkörper in seine Richtung, welcher ich bis jetzt abgewandt habe.

"Was ist verrückt?", frage ich.

"Das mit uns", sagt er ruhig. Die Zeit steht stillzustehen und jedes noch so kleine Geräusch steht im Vordergrund. Ich habe das Gefühl, ihn bis hier rüber atmen zu hören. So wie er auf meinem Sofa sitzt, das macht mich an. Es ist unglaublich. Auf eine Art unglaublich peinlich, einfach, weil mir alles peinlich und unangenehm ist. Und es ist unglaublich, welche Gefühle dieser Mann bei mir auslöst. Die Ellbogen hat er auf den Knien abgestützt, der Oberkörper nach vorne gebeugt. Sein Blick fokussiert mich.

"Aber es ist nichts zwischen uns", versuche ich mit dem Wissen, dass ich nicht dagegen ankomme. Denn es ist was zwischen uns, das wissen wir beide. Und das abzustreiten, bringt klipp und klar einfach nichts. Trotzdem versuche ich es.

Mit einem schräg geneigten Kopf sieht er mich an und wirft mir einen Du-kennst-die-Wahrheit-Blick zu.

Um meine Nervosität zu verbergen, spiele ich mit meinen Fingern.

"Ist dein Freund da?"

"Nein", werfe ich in den Raum. Und es hört sich verhöhnt an.

"Gut", sagt er, worauf sich meine Augen direkt wieder auf ihn richten. Die Strahlung, diese Anziehung zwischen uns, ich weiss nicht, ob die gut ist.

"Wann kommt er zurück?" Unsere Augen lassen nicht voneinander ab.

"Ich weiss nicht", flüstere ich, "vielleicht nächstes Wochenende."

Alec scheint erleichtert zu sein, denn er lehnt sich zurück und verschliesst die Hände hinter dem Nacken. Die Jacke hat er schon ausgezogen, weswegen ich seine zarte Haut bestaunen kann. Die Muskeln zeichnen sich klar durch sein T-Shirt ab. Er bemerkt, dass ich ihn mustere.

"Was möchtest du?", fragt er.

"Was?" Ich verstehe nicht, was er damit meint. Normalerweise kann ich etwas erahnen, doch jetzt habe ich keine Ahnung, in welcher Beziehung er das meint.

"Was willst du?", fragt er noch einmal.

"Ich ... Ich weiss nicht", gebe ich zu. Denn das entspricht der Wahrheit. Ich habe keine Ahnung was ich will.

"Was willst denn du?", stelle ich ihm die Gegenfrage.

"Dich", schiesst es direkt aus ihm heraus und ein weiteres Grinsen erscheint.

Daraufhin kann ich nichts sagen, denn ich bin ziemlich schlecht darin, ehrliche Diskussionen zu führen.

"Liebst du ihn?"

Bei dieser direkten Frage zucke ich zusammen, was Alec bemerkt.

"Ich meine nur, weil du ... naja." Er scheint vorsichtig zu sein. Aufmerksam und vollkommen interessiert schaut er mich an. Es ist ungewohnt, eine solche Präsenz zu fühlen. Mike ist immer da, aber irgendwie dann doch nicht. Und Alec, der sitzt auf meiner Coach, ist vollkommen bei mir und scheint mir alle Aufmerksamkeit geben zu wollen.

"Ich weiss es nicht", antworte ich auf seine Frage.

Als Alec weiter spricht, ist seine Stimme so leise, dass ich genauer hinhören muss.

"Ich kann nicht aufhören an dich zu denken", gibt er ehrlich erneut zu und fährt sich einmal durch die Haare, welche vom Wind eh schon völlig zerzaust waren.

"Ich auch."

"Und jetzt?"

"Das frage ich dich", gebe ich mutig von mir und sehe ihn fordernd an. Ich versuche mich an Mias Worte zu erinnern. Denk nicht so viel, geniess es einfach.

Als Alec vom Sofa aufsteht, scheint der Boden zu beben. Er scheint noch grösser zu sein und seine Ausstrahlung lässt mich noch tiefer in den Sessel zurücksinken.

"Ich würde vorschlagen", er bewegt sich langsam auf mich zu, "dass wir das wiederholen, was wir heute Morgen getan haben." Bei diesen Worten fängt mein Herz an, doppelt so schnell zu schlagen. Und als er sich vor meinem Sessel auf die Knie fallen lässt und meine Hüfte anfängt zu streicheln, kann ich kaum noch atmen.

"Was hälst du davon?", neckt er mich.

Ich bringe nur noch ein Nicken zustande.

Unumgehbare Lust (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt