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Ich sah in den unschuldigen blauen Himmel, der von keiner einzigen Wolke verdeckt wurde.
Er war perfekt.
So perfekt.
Viel zu perfekt.

"Ich?" Ich räusperte mich.

"Es ist nicht annähernd so... So..." ich suchte nach Worten.

"Schrecklich, schmerzhaft, dunkel, wie meine Vergangenheit?" 
Cillians Blick verdunkelte sich.

"Jeder der so ist wie... wir," er warf mir einen kurzen Blick zu. "Hat etwas schlimmes erlebt." 

Ich senkte meinen Blick auf den Boden unter mir.
Lies all die Bilder zurück kommen.
Langsam erschienen sie mir, ich schien sie zu sehen. Ich fühlte sie.

"Es lief alles... Wirklich alles perfekt. Zu perfekt. Zu perfekt, dass das Schicksal es so nicht belassen konnte. Mein... Dad hat hier einen Job gefunden. Ist hier her gezogen und hat uns mitgenommen. Die Menschen waren nicht freundlich." 

Ich strich mir über meinen Arm.
Mir war plötzlich kalt. Eiskalt.
Meine Härchen an Armen und Beinen stellten sich auf.

"Sie redeten. Sie redeten über uns. Wir, die Familie aus Deutschland."

Ich schluckte. "Meine Eltern haben angefangen zu streiten. Es wurde immer, immer mehr. Jeden Tag, jede Stunde, jedes verdammte Treffen der beiden endete im Streit.
Sie haben tagelang kein Wort mit einander gesprochen. Tagelang gestritten. Manchmal..." 
Meine Stimme brach.

"Manchmal höre ich Dads Stimme immer noch im Haus. Seine Schreie. Seine Beleidigungen."
Ich schüttelte den Kopf.

"Mum fing an zu trinken. Schmiss den Job. Kam tagelang nicht nach Hause, während Dad Sachen zerstörte vor Zorn. Malik und ich... Manchmal kam es mir so vor als hätten sie uns vergessen.
Die Nachbarn haben nur noch über uns geredet. Über die Familie, in der sich die Eltern nur noch anschreien. Obwohl es bei ihnen nicht anders war. 
Dann ist Dad die Hand ausgerutscht. Meine Mum hat ihn raus geschmissen. Und Dad ist nie wieder aufgetaucht. Seitdem habe ich sie vielleicht ein paar mal zu Gesicht bekommen."
Ich schloss die Augen. Dads Stimme hallte wieder und wieder durch meinen Kopf.
Nächte hatten sie sich angeschrien, Teller nach einander geworfen und Gläser herunter geschmissen. Und egal wie oft ich gebettelt hatte sie sollen aufhören, sie haben immer weiter gestritten. Nicht mal hatten sie aufgehört, als ich sie unter Tränen angefleht hatte.

"Unsere Eltern sind sich eben ähnlich. Siehst du? Bei dir war es physisch. Bei mir... Körperlich."

Meine Augen waren glasig, als ich den Kopf hob und Cillian ansah.

"War es meine Schuld?" Fragte ich flüsternd. 
Das hatte ich mich immer gefragt. Ob sie sich unseres Wegen so gestritten hatten. Oder doch wegen etwas anderem.
Aber warum sollte ausgerechnet Cillian das wissen?
Er zerdrückte seine Zigarette in den Händen.

"Das ist das schlimmste."
Er wandte den Blick ab, suchte einen Punkt am Horizont, den er schließlich fand und ihn anstarrte.

"Am Ende gibt man sich selber die Schuld. Obwohl man einen scheiß dafür kann."

Ich fuhr mir neben der Spur durch die Haare. "Du gibst dir die Schuld?" 
Cillian lächelte traurig.

"Ich habe gelernt, wer die Schuld an all dem hat. Ilay aber nicht." 
Ich hob den Kopf und richtete meine Augen aufmerksam auf den Jungen vor mir.

"Was glaubst du warum er das Haus angezündet hat? Warum er so viel andere Scheiße getrieben hat? Warum er das alles getan hat?"
Er schlug mit der Faust fest auf die Motorhaube, sodass ich glaubte eine leichte Delle zu erkennen.

"Weil er mit all dem nicht klar kommt! Weil er sich die Schuld daran gibt!" Er riss seinen Ärmel hoch und zeigte mir seinen linken Arm.
Verziert mit Tausenden und abertausenden Narben, verheilt, aber doch immer sichtbar.
Blass, schmerzhaft, Mackel. Mackel, die ihn zeichneten. 
Tränen traten mir in die Augen.

"Um unserem Erzeuger zu zeigen, was für ein Arschloch er ist. Und das schlimmste ist. Ihn juckt das nicht. Ihn interessiert es einfach nicht. Es ist ihm verdammt egal. Er ist reich, er hat Macht. Alles was wir tun, um ihm zu schaden, schadet ihm nicht. Im schlimmsten Fall schaden wir nur uns selber."
Ich wollte ihm helfen, irgendetwas sagen, aber mein Mund blieb geschlossen.
Mir fehlten die Worte.
Diesen Jungen vor mir so gebrochen zu sehen tat mir weh. So verdammt weh.

"Er will, dass ich die Firma einmal übernehme. Und dafür hat er versucht mich..." 
Er sah in die Ferne. "Gefügig zu machen." 
Er schüttelte den Kopf.

"Aber wenn Ilay 18 ist, dann werde ich verschwinden, für immer. Und die Firma. Wird er verlieren. Weil die ganze Welt erfahren wird, was er getan hat."
Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich.
"Ich werde ihm zeigen, wer ich bin, was ich kann."
Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Die Haut an seinen Fingerknöcheln war spröde. Rissig.

"Und ich werde all meine Freunde mitnehmen. Damit er ihnen nichts tun kann."

Ihn so voller Hoffnung zu sehen, machte mich glücklich. Glücklicher, als ich je gedacht hätte zu werden, nachdem er mir seine Geschichte erzählt hatte.

"Und dann will ich nach Europa. Und du und Valentin, ihr werdet mir eure Heimat zeigen."
Ich? Meine Augen wurden groß.

"Denkst du ich lass dich hier, Prinzessin? Und nehme deinen zukünftigen Ehemann mit?"
Mein Mund klappte auf.

Cillian konnte wieder lachen. "Du und Valentin und Faye. Ilay, Ali und Leo. Willow und wer auch immer. Ich nehme euch alle mit."
Ein kleines Lächeln schlich auf meine Lippen, brachte meine Mundwinkel dazu sich zu heben.

Ich würde mitkommen, schon alleine um ihn lachen zu sehen.

"Du bist perfekt Cillian."

Ohne ihn zu fragen umarmte ich ihn und er schloss ebenfalls seine Arme um mich.

"Ich weiß," wisperte er.

Ocean PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt