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"Wann treffen wir uns?"

"Ich bin in einer halben Stunde bei dir, du schaffst es doch bis dahin zu Hause zu sein, oder?"

"Für dich schaffe ich alles," murmelte ich und wich einigen Passanten aus, die mir entgegen kamen.
Ich schnappte ein paar Wörter auf, die ich jedoch nicht zu vollständigen Sätzen verbinden konnte und ich fragte mich, warum ich sowas überhaupt versuchte.
Ich war viel zu leicht ab zu lenken.

Valentins Worte holten mich in die Wirklichkeit zurück und ich fing an wie eine verrückte zu grinsen.
"Ich liebe dich Babe," in seiner Stimme schwang ein amüsierte Unterton mit.

"Ey! Hast du mich gerade gebabet? Tu das nicht, da komm ich mir immer so..."
Ich verzog das Gesicht. "Unanständig vor." Mir war kein besseres Wort eingefallen.

Ich hörte, wie er anfing zu lachen.
Ich konnte mir sein Lächeln auf den Lippen und die leuchtenden blauen Augen förmlich vorstellen. 

"Unanständig ja? Du bist also immer anständig?"

"Du weißt doch was ich meine, Val!"

"Leider nicht..."

"Du bist mies."

"Wenn ich könnte würde ich dich jetzt küssen, kleine. Beeil dich, ich bin schon fast bei dir!"
Zum Glück war er nicht hier, sonst würde er sehen wie rot ich geworden war.
Warum wurde man überhaupt rot?
Konnte man das nicht irgendwie abstellen?

"Und ich weiß ebenfalls, dass du jetzt rot geworden bist, dafür kommst du lieber noch schneller her. Sonst sterbe ich vor Sehnsucht nach dir."

"Ich liebe dich auch Valentin," damit legte ich hastig auf.

Bevor ich weiter ging holte ich erst einmal tief Luft.
Er verwirrte mich und machte mich gleichzeitig zum glücklichsten Menschen auf der Welt.
In Gedanken versunken schlenderte ich weiter und bemerkte den jungen Mann nicht, auf den ich zu steuerte.

Erst kurz bevor ich in ihn hinein gelaufen wäre, hob ich den Kopf und blieb abrupt stehen, bevor ich uns beide auf den Boden

"Troy?" Mein Blick huschte zwischen seinem ertappten Gesicht und dem Werkzeug in seiner Hand hin und her.

Dann sah ich zu dem Anwesen hinter dem Zaun, vor dem er lehnte.
Mein Gehirn fing an zu arbeiten.

"Du willst doch nicht..."
Troy unterbrach mich harsch.

"Und wenn es so wäre?"
Mein Mund klappte auf.

"Und wenn es so wäre?" Wiederholte ich seine Worte langsam und ließ sie mir durch den Kopf gehen.

"Würde vermutlich jeder normale Mensch die Polizei rufen..."
Troy hob die Augenbrauen. Er blieb relativ ruhig, hielt das Werkzeug weiter locker in der Hand und beobachtete mich einfach nur.
Aus seinen schmalen dunklen Augen.

"Troy... Das ist strafbar!"

"Meinst du ich bin dumm?"

"Und wieso..."

"Nicht jeder kann in einer teuren Villa leben und Geld haben."
Owen musste es ihm erzählt haben.

"Und du glaubst deswegen ist mein Leben einfach? Wir haben nur noch wenig Geld, Troy, trotzdem breche ich nirgendwo... ein."

"Owen und Atlas und auch ich wir brauchen das Geld nun mal. In dieser Villa haben sie zu viel davon."
Ich fuhr mir ein wenig ratlos durch die Haare.

"Was ist wenn jemand anderes dich gesehen hätte?" Ich konnte nicht anders als besorgt zu sein.
Vielleicht hätte ich wütend sein sollen oder entsetzt, jedoch war ich nichts von alle dem.
Im Gegenteil, irgendwo tief in mir verstand ich ihn ja auch ein wenig. 
Ich kannte seine Familie nicht, weder seine Eltern, noch seine Geschwister, ich wusste nur was für Freunde er hatte.
Und was er den ganzen Tag so tieb und vor allem wo.
Vielleicht ging es ihm finanziell wirklich so scheiße?
Troy war mir immer noch unheimlich, er sah eben aus wie ein Drogendealer, aber irgendwo in seinen dunklen Augen erkannte ich auch eine Spur Hoffnung, oder Sorge, oder beides.
Und das machte den Jungen menschlich.
Außerdem konnte er wirklich charmant und freundlich sein, wenn er wollte.
Oder er war eben ein eiskalter Arsch.

"Verdammt Troy, du bist zum Haare raufen," murmelte ich und verdrehte die Augen. 
Ich hörte ein belustigtes Schnauben.

"Ich bin auch zum verlieben."

"Wer würde sich in dich verlieben? Eine Mülltonne?"

"Deine kleine süße blonde Freundin, wie hieß sie noch gleich?"

"Faye?!"

"Ah, ja genau die. Sie ist bestimmt noch naiver und gutmütiger als du Engelchen."
Naiv und gutmütig?
Ich verzog mein Gesicht und verschränkte die Arme.

"Nur weil ich nicht sofort zur Polizei renne, bin ich doch nicht gleich gutmütig. Und naiv bin ich erst recht nicht!"

"Und du siehst sogar, wenn du wütend sein willst, lustig aus."
Empört schnaubte ich.
Oh Wunder, oh Wunder:
Troy war ein Arsch.

"Du bist wirklich, wirklich dumm, Troy, aber ich kann dich eh nicht aufhalten. Lass dich bitte einfach nicht erwischen! Ich habe dich nie gesehen und ich kenne dich nicht," fauchte ich, dann setzte ich mich schnell in Bewegung, ohne zurück zu blicken.

Ich konnte nicht leugnen, obwohl ich ihn ja eigentlich nicht ausstehen konnte, er machte mir Sorgen. Genauso wie Atlas und vor allem Owen, denn irgendwann würden sie so richtig, richtig tief in der Scheiße stecken. 
Und wenn Owen im Gefängnis landen würde... Das konnte ich mir nicht ansehen.
Ich sah kurz nach oben, in den farbenfrohen Himmel.
Warum musste das Leben so kompliziert sein?
Das blau und das weiß der Wolken, bildeten keinen starken Kontrast zu einander und es sah aus, als würden riesige Zuckerwatten Berge vorbei wandern.

Aber selbst dieser wunderschöne Anblick, konnte nicht über meine Angst hinwegtäuschen. Immerhin wusste ich dass Troy eine Straftat begehen würde und ich tat nichts dagegen.
Ich vergaß es einfach. Und bei Gott, ich hoffte, dass nie, wirklich nie irgendjemand davon erfuhr.
Mein Herz beruhigte sich erst wieder, als ich um die nächste Ecke verschwunden war und mich niemand aufgehalten hatte.

Ocean PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt