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𝐕𝐚𝐥𝐞𝐧𝐭𝐢𝐧

Als ich die Tür des Warteraums aufstieß, hatte ich Angst davor, was ich sehen würde.
Ilay, Cillians Halbbruder hatte mir am Handy nur das nötigste gesagt, doch es reichte mir.
Es reichte mir vollkommen, um zu wissen, dass sie am Boden zerstört sein würde.
Das mein Herz aus Angst um Cillian zu zerspringen drohte, schob ich hinten an, es war nicht wichtig, viel zu unwichtig, als das ich mir darüber hätte Gedanken machen sollen.

"Thea!"

Sie hatten ihr Kleider gegeben, die sie hatte anziehen können, davor war sie nur im Bikini in den Krankenwagen gestiegen.
Thea zitterte, sie sah nicht einmal auf, als ich mich ihr näherte.
Ich zog sie in meine Arme und sie vergrub ihren Kopf an meiner Schulter.
Ich spürte, wie sie weinte und ich ertrug das kaum.
Sie so weinen zu sehen hätte ich niemals gedacht.
Ich hätte es niemals erleben wollen.
Ich setzte mich auf den Stuhl neben ihr und strich ihr langsam über den Rücken.
Bei dem Gedanken weswegen sie so weinte wurde mir übel.
Jetzt ließ ich die schlechten Gedanken doch zu, die sich um Cillian drehten. Ob er lebte, wie es ihm ging.
Mein bester Freund, seitdem ich hier in Jacksonville lebte, lag im Krankenhaus und wir wussten nicht, ob er die Nacht überlebte.
Das zu realisieren tat im Herzen so unglaublich weh, wenn er sterben würde...

"Ich hab ihn gesehen,Val..." ihre Stimme war heiser und leise.
"Es war schrecklich... Da war überall Blut, Val..."
Gänsehaut.
Abwechselnd kalt und warm jagte sie über meine Arme, den Rücken, schnell, ließ mich frösteln.
Diese Angst schien mich nach unten zu zerren, nicht mehr los zu lassen.
Ich drückte das zitternde Mädchen an mich und legte meinen Kopf auf ihren.
Er musste leben.
Niemand hatte es mehr verdient, als Cillian.

Ich sah, wie Ilay durch die Tür des Warteraums kam.
Sein Blick lag starr auf dem Boden vor ihm, er ging langsam, wie in Trance, er schien die anderen in diesem Raum nicht einmal zu bemerken.

Faye hatte sich eben still neben mich gesetzt. Auch sie hatte mich mit ihren Blicken nur gestreift, was sie wohl dachte. Fühlte.
Sie war versunken in ihrer eigenen Welt.

Ich wandte mich ab von den anderen, drehte mich wieder zu Thea, die sich erschöpft an mich lehnte,
"Denk nicht daran, mit deinen Gedanken änderst du es nicht, es macht alles noch schlimmer für dich..."
Die Worte kamen mir so unwirklich vor.
"Es wird alles gut," daran glaubte ich nicht einmal selber. Warum sollte sie es glauben.
Ich konnte mir nicht eingestehen, wie groß meine Angst doch war, deswegen verdrängte ich den Gedanken.
Ich konnte die Bilder jedoch nicht aus meinem Kopf vertreiben.
Unsere letzten Jahre, die Partys, die unzähligen Nächte, die wir durch machten, die Fahrten in seinem Wagen, über dunkle Straßen mit lauter Musik. Das surfen, unsere langen Gespräche, das Lachen, das Streiten. All das das war so weit weg. Es konnte einfach-
Das alles konnte in einer Sekunde vorbei sein.
Cillian war mein bester Freund.
Ich durfte diesen sturen jedoch wunderbaren Menschen nicht verlieren.

Theas Schluchtzen war nicht verstummt, weiterhin zitterte sie.
Und Ilay hörte nicht auf hin und her zu gehen, wie ein Tiger eingesperrt in seinem Käfig. Normal hätte ich ihn angeschnauzt er solle das lassen, allerdings nicht jetzt.
Nicht hier.

Thea krallte ihre Finger in meine Jacke.
"Er darf nicht sterben," flüsterte sie immer wieder, während sie ins Leere starrte.
"Er wird nicht sterben."
"Okay? Er wird nicht sterben," ich sagte das auch, um mich selber zu beruhigen.
Um mir selber Mut zu machen.
Ihr Handy klingelte.
Sie schenckte ihm noch nicht mal einen Blick, weswegen ich kurz entschlossen ran ging.

"Ja hallo?"

"Valentin?! Scheiße man, was ist los? Warum gehst du an das Handy meiner Schwester und wo ist SIE?!"

"Malik-
Hör auf so auszurasten, deiner Schwester geht es gut. Cillian hatte einen Unfall, Thea ist mit ihm ins Krankenhaus gefahren worden, ich, Ilay und Faye sind schon hier."

"Thea ist auch dort? Ist sie verletzt?"

"Sie ist nicht verletzt, Malik, Cillian ist verletzt. Er schwebt in Lebensgefahr."

"Wie ich das einfach als letztes erfahre," ich hörte sein Schnauben und einen startenden Motor.
"Ich bin gleich da," war das letzte, was er sagte.

Da ich den Warteraum für das Telefonat verlassen hatte, kehrte ich kurz darauf zurück und trat kurz zu Ilay.
"Ilay."
Ich stockte und zwang ihn dazu mich an zu sehen und seine Schritte zu unterbrechen.
"Ich bin mir sicher, Cillian wird das schaffen. Er schafft immer alles,"
Ilay schien mich gar nicht richtig wahr zu nehmen.

"Ilay, jetzt komm schon, jetzt hör mich zu. Was bringt es dir, hier hin und her zu rennen wie ein Vollpfosten? Setz dich hin, sonst hast du keine Kraft mehr, um wach zu bleiben!" Kurz glomm Wut in seinen dunklen Augen auf, doch dann schien er zu verstehen, dass ich ihm nur helfen wollte und nickte ergeben.

"Sorry, ich bin nicht ganz bei mir..."

"Das sind wir alle nicht."

Ich sah Ilay kurz hinterher, wie er sich neben Faye nieder ließ und anfing ins Leere zu starren. Genau wie die kurzhaarige blonde. Faye und er waren sich wirklich ähnlich.

Ocean PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt