Nach kurzer Zeit hielt unser Bus an und so schnell ich konnte, stand ich von Kiyans Schoß auf. Natürlich war ich darauf bedacht, meine Decke immernoch eng um mich zu schlingen.
Mein Mate schaute kurz enttäuscht auf den Boden und erhob sich dann selbst. Mir war bewusst, dass er mir folgen würde und so steuerte ich schon auf den Ausgang zu, welcher mir frische Luft und Abstand versprach.
Vor mir trat Marie heraus und blieb auch sofort stehen. Natürlich konnte ich es nicht mehr verhindern und lief direkt in sie hinein. Ich setzte gerade zu einer Entschuldigung an, als ich bemerkte, wie jemand in mich reinlief und meine beste Freundin und ich stolperten zwei Schritte vor. Wir drehten uns um und Tim schaute uns mit einem verschmitzten Lächeln an. "Sorry."
Marie ging auf ihn zu und umarmte ihn. "Alles gut." hörte ich sie zu ihm sagen. Er ergriff ihre Hand und die beiden waren so süß zusammen. Ich grinste vor mich her.
Immernoch mit einem festen Griff um meiner Decke, dreht ich mich um und wusste plötzlich, warum meine beste Freundin so ruckartig stehen geblieben war. Vor mir erhob sich ein riesiges Gebäude, was eher schon einer Villa gleichkam. Das Haus erstrahlte in einem sanften, blassen Gelbton. Die Fenster waren riesig und mit besonderen Symbolen verziert. Das Eingangstor bestand aus zwei Flügeltüren und beide waren offen, welche förmlich dazu einluden, hinein zu gehen. Einfach alles beeindruckte einen und ich konnte meinen Blick gar nicht mehr davon lösen. In dieser schönen Villa sollten wir zukünftig leben? Man konnte keinen Vergleich ziehen mit unserer vorherigen Schule.
"Oh mein Gott. Das hätte ich nicht erwartet." Meine Schwester war genauso sprachlos wie ich.
Zain und Kiyan zogen jeweils einen Koffer in ihrer linken und einen in der rechten Hand. "Soll ich mein Gepäck selbst nehmen?" Mir war es unangenehm, dass mein Mate alles tragen musste, währenddessen ich nichts machte.
"Nein, alles gut. Ich mache das gerne für dich. Ihr beide könnt einfach vorgehen und Zain, Marie, Tim und ich kommen nach."
"Okay, wie du willst." So nahm ich Viola an die Hand und gemeinsam betraten wir unser neues zu Hause. Ich wollte jetzt keine Diskussion entfachen.
In der Eingangshalle wurde es deutlich kühler, was ich auf eine Klimaanlage zurückführte. Fröstelnd ging ich zu Kiyan und kuschelte mich an seine Seite. Wenn er schon mein Mate war und dazu noch ein Werwolf mit erhöhter Körpertemperatur, durfte ich das ja wohl ausnutzen.
Beschützend legte er seine Arme um mich und zog mich noch etwas näher zu ihm. Ich vernahm ein kleines Schnurren und musste daraufhin ein bisschen grinsen. Was eine einfache Umarmung bei ihm auslöste, war unglaublich. Das hätte ich vorher nie erwartet.
Die Koffer standen achtlos neben uns und wir warteten auf irgendetwas, genau wie die anderen, welche in kleinen Gruppen zusammenstanden und sich aufgeregt unterhielten. Auch wir begannen ein Gespräch und ich versuchte Tim etwas kennenzulernen.
Am Ende kam heraus, dass er ein kleiner Sportfanatiker war, aber nicht der typische Jungssport, sondern Standardtanz. Kurz war ich verblüfft und bewunderte ihn danach nur umso mehr. Niemals hätte ich das vermutet. Marie hatte die ganze Zeit über zugehört und schaute jetzt zu ihm auf, direkt in seine Augen, während sie sagte, dass das mega praktisch wäre. Sie müssten für ihren Hochzeitstanz immerhin nicht extra jemanden engagieren, der ihnen das Tanzen beibringen würde. Tim lächelte sie liebevoll an und freute sich merklich, da Marie schon vom Heiraten sprach.
Auf einmal wandten alle Werwölfe ihren Kopf nach links zu einer Holztür. Etwas benachteiligt fühlte ich mich ja schon. Immerhin hatte ich nicht dieses Gehör, das schon Geräusche wahrnahm, die für einen normalen Menschen noch weitere Minuten verborgen blieb. Aber was solls. Ich wartete einfach ab.
Kiyan knurrte leicht und zog mich noch enger an sich heran. Nun passte nichts mehr zwischen uns. Irritiert sah ich zu ihm hoch, da er ja größer war als ich. Seine einzigen Worte darauf waren: "Wer auch immer jetzt kommt, ist ein Mischling."
Jetzt verstand ich die Aufregung. Fast alle übernatürlichen Wesen hatten Angst vor einem Mischling, da er zwei Spezies in sich vereinte und anders war als sie. Niemand wusste bisher, was sie alles konnten und so hielt man eher Distanz, anstatt auf sie zuzugehen.
In meinem Sichtfeld erschien ein älterer Herr mit einem schwarzen Hut und dazu passenden Jeans. Sein T-Shirt war ein verwaschenes grau und sein Blick jagte über die Menge, bis er bei mir hängen blieb. Der mürrische Gesichtsaudruck wechselte kurz zu einem kleinen Lächeln und ich lächelte zurück. Es wirkte kalt, aber man sah an seinem gebückten Gang, dass er schon viel erlebt hatte. Wer weiß schon, was ihn so werden ließ.
Er ging in die Mitte und blickte mir wieder direkt in die Augen. Warum schaute er nur mich an?
Ein lautes Knurren lenkte mich ab und ich wusste, dass mein Mate diesen Laut ausgestoßen hatte. Erschrocken sah ich Kiyan in die Augen und bemerkte, dass sie schon sehr dunkel waren. Wenn ihn jetzt noch eine Kleinigkeit reizen würde, dann hätte sein innerer Wolf keine Gegenwehr mehr und er könnte die Kontrolle übernehmen. Panisch sahen meine Freunde mich an. In ihren Gesichtern las ich überall dasselbe: Mach doch was!
"Wagen sie es noch einmal meine Mate so lange anzuschauen, wird es für sie Folgen haben. Sie gehört allein mir." Seine Worte konnte man mehr erahnen, als wirklich verstehen, da es nur ein wütendes Gegrummel war, was aus seinem Mund kam.
Total gelassen schaute der Mischling uns beide an und sagte, dass es ihm leid täte und es nicht wieder vorkommen würde.
Leben kehrte in meinen Körper zurück und so stellte ich mich vor Kiyan und hatte ein Déjà-vu. Schon das zweite Mal, dass wir in so einer Situation waren. Ich musste später mal ernsthaft mit ihm reden.
Ich zwang ihn in meine Augen zu schauen und umfasste mit meinen Händen sein Gesicht. Sanft streichelte ich mit meinen Daumen über seine Wangen und flüsterte immer wieder beruhigende Worte. Die Anspannung wich langsam aus seinem Körper und seine Augen nahmen auch wieder ihre normale Farbe an. Ich zog ihn in meine Arme und streichelte über seinen Rücken, während ich ihn ganz fest hielt. Er schlang seine Arme auch um mich und drückte sein Gesicht in meine Halsbeuge.
So standen wir auch noch da, als der Mischling anfing, zu erzählen.
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Soulmate - into the unknown
LobisomemLe plus fort est l'amour et non le destin. (Das stärkste Band ist die Liebe und nicht das Schicksal.) Amalia lebt in einer Welt voller Übernatürlichem. Aufgewachsen in ihrer Familie, die nur aus Werwölfen besteht und mit einem besten Freund an ihrer...