Kapitel 33 - Kiyans Bitte

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Nach und nach waren auch alle anderen noch an unseren Tisch dazu gekommen und so herrschte wieder eine ausgelassene Stimmung. Jedes Mal, wenn die Tür auf magische Weise aufging, stockte mein Atem und ich hatte ein bisschen Angst, dass Kiyan hereinkommen würde. Komischerweise hatte ich ihn bis jetzt noch nicht gesehen oder durch unsere Verbindung gespürt. Ich wollte jedoch nicht weiter darüber nachdenken und stopfte mir ein bisschen was von meinem Obstsalat in den Mund. Mein Hunger war zwar immer noch nicht zurückgekehrt, aber ich musste etwas im Bauch haben, um zumindest halbwegs fit zu wirken.

Als letztes waren Marie und Tim Händchen haltend an unseren Tisch gekommen. Als meine beste Freundin mich sah, wurden ihre Wangen sofort rot und sie schaute betreten nach unten. Ich musste grinsen. Währenddessen strahlte Tim mit der Sonne um die Wette und man spürte einfach, dass er sehr glücklich war. Ich konnte ihn verstehen. Soweit ich weiß, war das ihr allererster Kuss gewesen.

Ich freute mich sehr für die beiden. Marie ist gleich, nachdem sie alle begrüßt hatte, zu dem Buffet gestürmt und hatte Tim einfach so stehen gelassen. Der nahm es jedoch mit Humor und lachte darüber, da er den Grund dafür bestimmt erahnte.

Es dauerte nicht lange und meine beste Freundin kam schmollend wieder zurück an unseren Tisch und setzte sich enttäuscht neben mich. Kurz stupste ich sie an. "Hey, was ist los?"

"Es gibt keine Croissants mehr. Selbst der Kakao ist verschwunden. Ich wusste, dass wir eher herkommen sollten, aber Tim wollte unbedingt noch mit mir kuscheln." Zum Ende des Satzes hin, nahm ihr Gesicht wieder eine rötliche Farbe an und ihr Stimme wurde immer leiser.

Strahlend sah ich auf meinen Teller und schob ihr diesen hinüber. "Ich dachte mir schon, dass ihr noch etwas Zeit für euch braucht und so habe ich dir ein Croissant mitgenommen."

Als Marie ihr Lieblingsgebäck auf meinem Teller sah, breitete sich auf ihrem Gesicht ein strahlendes Lächeln aus, sodass sie ihrem Mate fast Konkurrenz machte und sie fiel mir förmlich um den Hals. Lachend erwiederte ich ihre Umarmung. Mehr brauchte es nicht, um sie glücklich zu machen. Es waren die kleinen Dinge, an die man in einer Freundschaft denken musste.

Immer wieder kamen mir Zains Worte in den Kopf und ich wusste zudem nicht, welchen Grund es gab, dass Kiyan nicht zum Frühstück kam. Er war ein Werwolf und musste mehr Kilokalorien zu sich nehmen als ich. Wie wollte er den Tag denn überstehen?

Schnell schüttelte ich meinen Kopf. Mein Mate war schon groß und konnte sich, um sich selbst kümmern.

Meine Schwester sah auf ihr Handy und machte uns alle darauf aufmerksam, dass wir so langsam in unsere erste Unterrichtsstunde mussten. Zain und Viola gingen zuerst, da sie in einen anderen Kurs belegten, da beide ein Jahr älter waren. Danach standen auch alle anderen auf und wir bewegten uns langsam Richtung Keller. Man hatte uns während des Frühstückes mitgeteilt, dass unser Raum kurzzeitig geändert wurde und wir uns somit in einen anderen Raum einfinden sollten.

Liam und ich hatten uns während der Durchsage zwar verwirrt angeschaut, gleich darauf jedoch mit den Schultern gezuckt und einfach weitergegessen. Außerdem hatte Nele versucht wieder seine Aufmerksamkeit durch irgendein superwichtiges Thema auf sich zu lenken.

Es dauerte nicht lange und eine Fahrtuhlfahrt später, standen wir schon vor einer Tür. Kiyan hatte ich immer noch nicht gesehen und so langsam wurde ich immer unruhiger. Wenn ihm etwas zugestoßen wäre, hätte ich das doch durch unsere Verbindung mitbekommen oder?

Allein dieser Gedanke ließ mich wieder etwas herunterfahren.

Wir standen bestimmt schon seit fünf Minuten allein vor der Tür, als Nele es nicht mehr länger aushielt und ihre Neugier siegte. "Ich gehe da jetzt rein. Ich verstehe nicht, warum wir unsere Zeit mit warten verschwenden sollten, wenn wir nicht einmal wissen, worauf wir warten."

Das war das erste Mal, dass ich ihr dankbar dafür war, dass sie eine noch größere Neugier besaß, als ich. Sie zögerte noch kurz und zog dann die Tür auf, um mit meinem besten Freund an ihrer Hand in den Raum zu gehen. Auf Grund der Matebindung der beiden hätte sich Liam bestimmt in tausend unbekannte Räume begeben, nur damit sie beieinander waren, aber ich versuchte mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass das eigentlich ganz normal war. In jedem Lehrbuch, dass wir damals während des Unterrichtes lesen mussten, stand, dass man sich nach dem anderen sehnte und das in jeder Minute. Nur konnte ich Kiyan und mich, nicht mit den normalen Fällen vergleichen.

Wieder warteten Marie, Tim und ich wenige Minuten schweigend, bis die Tür wieder aufging und ein lächelnder Liam seinen Kopf aus der Tür rausstreckte und uns mit einem Winken seiner Hand zu verstehen gab, dass wir hereinkommen sollten.

Also gingen wir nacheinander in den unbekannten Raum und auch meine beste Freundin und Tim hielten Händchen. Als ich mich umschaute und die anderen Matepaare begutachtete, wie sie alle beieinander standen und sich verliebt anschauten oder Händchen hielten, überkam mich mit voller Wucht das Gefühl der Einsamkeit.

In diesem Moment hätte ich mir nicht mehr gewünscht, als so normal zu sein, wie die anderen Paare um mich herum. Warum fiel ich immer aus dem Raster? Selbst in meiner Familie war ich die einzige, die sich nicht in einen Wolf verwandeln konnte und somit war ich schon immer anders gewesen.

Bevor ich mich zu tief mit Fragen beschäftigen konnte, auf die ich jetzt keine Antworten finden würde, ging die Tür hinter mir auf und fiel mit einem kleinen Geräusch zurück ins Schloss.

Hätte ich kein Kribbeln auf meiner Haut gespürt und hätte sich mein Herzschlag nicht um ein vielfaches verschnellert, hätte ich mich nicht einmal umgedreht. So wusste ich jedoch, dass mein Mate gerade angekommen sein musste und nun konnte ich ihn nicht ignorieren. Alles in mir drängte mich dazu, mich umzudrehen und ihn in seine wunderschönen eisblauen Augen zu schauen.

Noch bevor ich dies tun wollte, verstärkte sich die Wärme in meinem Rücken und Kiyans Brust drückte sich an mich. Sein warmer Atem traf die empfindliche Haut an meinen Hals, sodass mich ein angenehmer Schauer überrieselte.

Mein Mate beugte sich leicht vor und flüsterte mir leise ein paar Worte in mein Ohr. "Heute Abend würde ich dich gerne ausführen. Erlaubst du es mir?"

Soulmate - into the unknownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt