Ich war ziemlich sicher, dass ich den Test komplett in den Sand gesetzt hatte. Dieses Wissen könnte vielleicht daran liegen, dass ich schonmal in der kurzen Zeit nicht alle Fragen beantworten konnte. Zudem ist es auch noch so gewesen, dass ich keine Ahnung habe, was Kiyan sich für seine Zukunft wünscht oder auf welchen Charakterzug er sehr viel wert legt. Die Krönung war jedoch die Frage, was er an seiner Mate lieben würde.
Nennt mir bitte mal eine Person, die das alles richtig beantworten konnte. Dass ich nicht immer, oder besser gesagt fast nie, die richtigen Antworten wusste, wurmte mich nicht so sehr, wie das Wissen, dass Nele schon fünf Minuten eher fertig war und aufgestanden ist, ohne mich noch einmal eines Blickes zu würdigen.
Seit dieser Aktion von ihr, empfand ich ein Gefühl, was ich, wenn ich es nicht besser wüsste, als Eifersucht beschrieben hätte. Es fraß sich in meine Gedanken und ich hielt mir immer Kiyans letzte Worte vor Augen, um mich etwas zu beruhigen. Dieser ganze Mist hatte einzig und allein mit der Matebindung zu tun. Ich war sonst nie eifersüchtig und dementsprechend neu war das Gefühl für mich.
Ich lief den Flur entlang und war so in Gedanken versunken, dass ich nicht wirklich auf meinen Weg achtete und schon gar nicht auf die Menschen oder besser gesagt magischen Wesen, die mir entgegen kamen. So war es keine Überraschung, dass ich plötzlich mit jemanden zusammenstieß.
Ich taumelte einige Schritte zurück und hob meinen Kopf, da ich mich gleich darauf entschuldigen wollte. Mir blieben die Worte aber in meinem Hals stecken, als ich erkannte, wer da vor mir steht. Seine Augen funkelten dunkelgrün und schauten mich abwartend und auch ein bisschen frech an. Seine Lippen waren zu einem kleinen Grinsen verzogen und als wir uns nun in die Augen schauten, so breitet sich auf seinem Gesicht ein echtes Lächeln aus. Seine blonden Haare lagen heute ordentlich auf seinem Kopf und fielen ihm diesmal nicht in die Stirn. Er trug ein dunkelgrünes T-Shirt, was seine Augen nur noch mehr strahlen ließ, kombiniert mit einer einfachen Jeans.
"Hayle." Überraschung spiegelte sich in meiner Stimme wieder und doch konnte ich nichts dagegen tun, dass sich auf meinem Gesicht ein kleines Grinsen schlich.
"Geht es dir gut, mon làngle?" Seine Stimme war unverändert angenehm und trotz des ehrlichen Interesses darin, verschwand das belustigte Funkeln nicht ganz aus seinen Augen.
"Mir geht es gut." Ich rieb mir etwas über meinen linken Arm, da sich eine Gänsehaut darüber zog. Entweder lag es an der Kälte, die auf einmal in diesem Flur aufkam oder mich ließ die Begegnung mit Hayle etwas fühlen, was ich jedoch schnell in die hinterste Ecke meiner Gedanken stopfte und es verschloss. Das durfte nicht sein.
Schnell schüttelte ich meinen Kopf und bemerkte somit nicht, dass Hayle einige Schritte auf mich zugekommen war und nun direkt vor mir stand. Seine Nähe wurde mir erst so richtig bewusst, als warme Finger mein Kinn leicht nach oben drückten und mich so zwangen in seine grünen Augen zu schauen.
"Wirklich?" Er sprach leise zu mir und so blendete ich alles um mich herum aus und sah nur noch Hayle. Er brachte mich dazu, immer ehrlich zu sein und das auszusprechen, was ich auch wirklich dachte. Er zwang mich dazu, ehrlich zu mir selbst zu sein.
"Ich weiß auch nicht. Wir mussten gerade einen Test über unsere Mates schreiben und ich habe den total vergeigt. Das beweißt einfach nur wieder, wie wenig Kiyan und ich uns kennen. Mit ihm scheint es oft so schwer und dann gibt es Momente wie heute, als er mich nach einem Date gefragt hat, wo ich ihm einfach nicht wiederstehen kann und da ist dann auch noch Nele." Ich blickte kurz nach unten, seufzte auf und dann wieder zu Hayle, als ich flüsterte: "Ich verstehe mich selbst nicht mehr."
Gleich darauf fand ich mich in seinen Armen wieder und er drückte mich fest an sich. Seine Wärme umhüllte mich wie ein schützender Kokon und ich war versucht, mich an ihn zu kuscheln und ihn nie wieder loszulassen. Stattdessen drückte ich ihn aber auch nur kurz an mich und brachte dann wieder etwas Abstand zwischen uns. Ich hatte immer noch Verpflichtungen gegenüber Kiyan und ihm eine Chance gegeben.
"Die Matebindung ist eine sehr komplizierte Angelegenheit und in all meinen Lebensjahren habe ich nur wenige Matepaare getroffen, die ab dem ersten Tag glücklich verliebt waren oder schon nicht mehr ohne den anderen Leben konnten. Ich habe sowieso meine eigene Meinung dazu."
"Wie alt bist du denn?" Meine Neugier hatte wieder einmal die Oberhand gewonnen und die Worte waren aus meinem Mund gekommen, ehe ich mich selbst stoppen konnte.
Kurz lachte er auf und schaute mich dann gespielt tadelnd an. Sein belustigtes Funkeln war wieder zurück. "Man fragt doch nicht jemanden nach seinem Alter. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich unsterblich bin."
Meine Wangen erhitzten sich etwas und doch konnte ich es mir nicht nehmen lassen, ihm meine Zunge kurz rauszustrecken. "Dann eben nicht, du Geheimnisträger." Grinsend verdrehte ich meine Augen und wusste, dass er meinen Scherz verstand.
Hayles Augen nahmen einen herausfordernden Ausdruck an. "Willst du es wirklich wissen?"
Ich nickte nur entschlossen und seine dunkelgrünen Augen blitzten kurz auf. Langsam schlich er auf mich zu und sagte dann verspielt: "Wenn ich es dir verrate, dann bist du mir aber was schuldig."
"Echt jetzt?" Ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust, um Zeit zu schinden und eine Barriere zwischen uns aufzubauen. "Dann könntest du ja alles von mir fordern. Das Risiko ist mir zu hoch."
Hayle bemerkte anscheinend, dass ich kurz davor war, abzulehnen. "Du darfst auch einmal ablehnen und es ist nichts weltbewegendes, was ich von dir fordern werde. Nur eine kleine Sache."
Da er auch zum Teil ein Werwolf war, beherrschte er den Hundeblick fantastisch und setzte ihn nun auch ein. Entschlossen wollte ich mich davon nicht beeinflussen lassen. Je länger ich ihn aber ansah, desto mehr schwankte mein Entschluss und irgendwann stieß ich einen genervten Seufzer aus. "Na gut, aber nur einen kleinen Gefallen und ich darf immer noch selber entscheiden, ob ich das machen will oder nicht."
Als er das hörte, richtete er sich auf und lächelte gewinnend. "Ich wusste doch, dass ich dich überzeugen kann, mon l'angle."
"Und hör auf mich so zu nennen. Ich bin nicht dein Engel." Wieder lachte er kurz auf.
"Wenn du wüsstest, wie falsch du damit liegst."
Verwirrt schaute ich ihn an, konzentrierte mich aber im gleichen Moment auf etwas anderes: "Also, wie alt bist du jetzt?"
"Ich bin 307 Jahre alt." Sanft lächelte er mich an, währenddessen ich leicht geschockt dastand und mein Geschichtswissen lebendig wurde. Er hatte erlebt, wie Napoleon Bonaparte fiel und hatte vielleicht sogar als Soldat im ersten Weltkrieg gedient. Zudem kam ja auch noch der zweite Weltkrieg hinzu und immer mehr Ereignisse strömten in meinen Kopf.
Ich bewunderte, wie viel er schon vom Leben lernen konnte, aber trotzdem gefiel mir die Vorstellung nicht, dass er viel Zeit hatte, um auch die dunklen Seiten zu sehen. Vielleicht schon zu viele.
"Was hast du nur alles mit angesehen?" Bedauernd, aber auch mitleidig schaute ich in seine Augen und legte meine Hand leicht auf seine Wange. Sein Blick veränderte sich und ich sah die Last der Jahrhunderte darin. Jeglicher Schalk war verschwunden und er ließ mich sehen, was er wirklich fühlte.
Irgendwann schüttelte er seinen Kopf leicht und legte seine Hand auf meine, die immer noch an seiner Wange lag. Leicht drückte er sie und zog unsere Hände dann an seine Brust.
"Darf ich dir einen Rat geben, mon l'angle?" Doch Hayle wartete auf keine Antwort und sprach einfach weiter. "Le plus fort est l'amour et non le destin."
Ich versuchte es zu schnell zu übersetzen, was mir aber nicht gelang. Währenddessen hatte er sich umgedreht und wollte weggehen. Ich musste aber wissen, was es bedeutete und so rief ich ihm hinter, dass er mir doch bitte sagen soll, was das heißt.
Ein letztes Mal blickte er über seine Schulter und schaute mich an. "Das stärkste Band ist die Liebe und nicht das Schicksal."
Dann ging er und mir blieb nichts anderes übrig, als zu verfolgen, wie er sich immer weiter von mir entfernte.
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Soulmate - into the unknown
Manusia SerigalaLe plus fort est l'amour et non le destin. (Das stärkste Band ist die Liebe und nicht das Schicksal.) Amalia lebt in einer Welt voller Übernatürlichem. Aufgewachsen in ihrer Familie, die nur aus Werwölfen besteht und mit einem besten Freund an ihrer...