Kapitel 15 - Überarbeitet

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Äußere Krisen bedeuten die große Chance, sich zu besinnen.

-Viktor Frankl (Dr. med. et Dr. phil., österreichischer Neurologe und Psychiater, Professor für Logotherapie an der Universität San Diego)

»Sergio? Bist du schon oder noch in deinem Arbeitszimmer?«, erkundigt Rowan sich als er die Tür langsam öffnet. Ich gebe ihm keine Antwort, er kann sehen, dass ich das Licht an habe und an meinem Schreibtisch sitze, über eine Akte gebeugt. »Ich habe noch mehr Kinder gefunden und Heath hat endlich eine Nachricht gesendet. Die Frage ist, wie weit ich die Suche ausbreiten soll? Land, Kontinent oder auf die Welt? Und bis zu welchen Alter soll ich gehen? Muss ich noch auf mehr achten?«

Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück und sehe ihn an. »Wie hast du bisher gesucht?«, erkundige ich mich als ich meine Kaffeetasse in die Hand nehme. Kalt. Sitze ich hier schon so lange? Ein Blick auf die Uhr verrät mir, das es schon längst Sieben Uhr ist. Genervt sehe ich meinen Kaffee an. Kalt kann ich ihn auch nicht trinken und die Zwillinge sind schon mit dem Frühstück dran. Soll ich es wirklich riskieren in die Küche zu gehen? Nein. Da kann ich besser bis zum Frühstück warten. So dringend brauche ich auch keinen Kaffee.

»Bisher habe ich bis zu einem Alter von Zehn Jahren gesucht und nur auf diesem Kontinent. Aber deine Gefährtin meinte, dass Eliott und Lily könnten von einem anderen Kontinent kommen. Das behaupten die beiden auf jeden Fall. Aber wir können nicht bestimmen welches, und die Frage ist: seid wann sammelt Jules Ferana die Kinder und experimentierte an den Kindern herum. Vor allem aber, haben die es nur auf die Kinder beschränkt? Ich will gar nicht wissen mit wem er alles seine Experimente gemacht hat. Aber auch gibt es einen Problem mit meinem Bericht.«

»Welches Problem hast du denn?«, frage ich Rowan gerade heraus, der sich nervös durch seine blonden Haaren fährt. »Und die Suche würde ich auf die ganze Welt ausbreiten. Kannst du nicht besser andere Gemeinsamkeiten suchen? Zum Beispiel die Art der Entführungen, der Rang der Wölfe, die Wagen die benutzt wurden oder das Alter der Kinder. Diese Kinder wurden von Einzelgänger entführt oder an sie verkauft. Also such Wölfe mit niedrigem, Kinder die plötzlich gestorben sind, obwohl sie gesunde waren. Und Kinder die von Rudel gewechselt sind und worüber es jetzt keine Akten mehr gibt. Such vor allem da, wo es viel Aktivitäten von Einzelgängern gab.«

»Was soll ich über Lorcan schreiben? Ich habe keine Ahnung, wie ich das formulieren soll und ich will mich auch nicht unbedingt damit beschäftigen.«, gesteht Rowan während er sich in meinem Besuchersessel fallen lässt. Nervös geht er sich noch einmal durch die Haare und sieht mich dann wartend an. »Ich weiß nicht mal, wie ich das beschreiben soll ohne das es schlecht auf unser Rudel zurückfällt. Ich will es eigentlich gar nicht beschreiben, Sergio.«

»Wir werden den Jungen nicht erwähnen.«, fange ich an und knacke meine Finger. »Den Jungen wird es erstmal nicht geben, bis wir die Situation unter Kontrolle haben. Keiner von uns will sich damit beschäftigen. Ich hoffe nur, dass Hunter Einsicht zeigt. Lian hat schon genug Probleme. Lorcan kann von der Situation nicht profitieren und er hat bestimmt eine Familie die ihn vermisst oder die glaubt er wäre Tod. Sollte Hunter keine Einsicht zeigen, dann vielleicht der Junge selber.«

»Meine Suche ist schon eingeschränkt, bisher habe ich aber nur Kinder deren Eltern Alpha und Beta sind heraus genommen und die, die irgendwie mit Beratern des Königs verwandt oder Mischlinge sind.«

»Was ist den Rowan? Du siehst mich schon so an. Wie kann ich dir weiterhelfen?«, erkundige ich mich und verschränke wartend, die Arme. Der Blond haarige beißt sich auf der Unterlippe und weicht meinem Blick aus.

»Es- Glaubst du wirklich der Junge sollte bei uns bleiben? Wir sind nicht wirklich familientauglich und keiner von uns ist Psychologe. Und du kannst nicht abstreiten, dass wir einen beschäftigen sollten, wenn das mit unserem Rudel so weiter geht. Ich weiß, dass wir anders sind als andere. Wir besprechen fast alles und Lian bestimmt eigentlich nichts alleine. Wir werden in alles mit einbezogen und wir sind uns in mancher Hinsicht näher als Blutverwandte. Jedoch glaube ich, dass wir nicht so weiter machen sollten. Heath gehört erst seit kurzem zu unserem Rudel und schon ist er mit seiner Gefährtin verreist, zu einem anderen Kontinent. Luca wird immer schlimmer und Keith kann seinen Bruder auch nicht immer kontrollieren. Wir geraten langsam außer Kontrolle und Charlie kann nicht alles alleine machen.«, bricht es aus Rowan heraus, ohne Punkt und Komma.

»Da hast du schon recht. Es gibt nur wenig, was Lian alleine bestimmt. Wir sind in gewissen Hinsicht auch gezwungen einiges gemeinsam zu besprechen und zu bestimmen. Es gibt Regelungen, die wir schon lange so haben und die sollten wir verändern. Aber wir können nicht alles ohne die Zustimmung des Königs ändern. Und leider, gehört zu unserem Rudel kein Arzt und es steht uns keiner zu, solange er nicht ein Teil von unserem Rudel ist. Mit anderen Worten müsste unser Arzt gleichzeitig ein Krieger sein. Es gab in letzter Zeit viele Veränderungen, das hat uns allen aus der Bahn geworfen. Es wird sich schon wieder fügen, Rowan. Habe nur Geduld und solltest du Probleme haben, kannst du immer mit Lian oder mir darüber sprechen oder doch jemanden ganz anderen. Egal zu welcher Uhrzeit. Und nun lass uns endlich frühstücken.«, meine ich aufmunternd zu dem jüngsten Krieger.

»Ich bin immer noch nicht wirklich überzeugt davon.«, murrt Rowan während er aufsteht, den Stuhl anschiebt und mir ein halbherziges Lächeln schenkt. »Danke für dein Angebot. Ich werde auf jeden Fall deinen Rat beherzigen.«

»Wir sind eine Familie, das war das Kriegsrudel immer und bleibt es auch.«, meine ich und klopfe Rowan, ermutigend auf die Schulter. Das lächeln dass er mir schenkt, ist nicht wirklich überzeugend, aber ich kann ihm seine Zweifel auch nicht ganz nehmen. Es sind die gleichen Zweifel, die mehrere von uns haben.

»Keith hat bestimmt wieder Pfannekuchen und Waffeln für Cailey gemacht. Wir wissen jetzt alle was ihr Lieblingsessen ist.«, lacht Rowan leise als er die Küche betritt. Am Esstisch sitzen schon die meisten und auch unser Gast. »Finn hast du die Druckerpatronen gefunden?«, erkundigt Rowan sich als er sich auf seinen Platz fallen lässt.

»Weißt du ob die Kinder mit essen?«, fragt Keith mich während ich meinen kalten Kaffee in die Spüle kippe.

»Nein, ich war schon länger in meinem Arbeitszimmer und habe mir etliche Gedanken, über unseren Gast gemacht.«, beantworte ich seine Frage und nehme ihm einen Teller voller Waffeln ab. Meine Gefährtin betritt die Küche mit ihren zwei Kindern und Cailey sieht mich mit großen Augen an und dann auf die Waffeln.

»Sergio! Da bist du ja! Guten Morgen.«, schreit sie, rennt auf mich zu und umarmt meine Hüfte. »Sind die alle für mich? Die kann ich aber nicht alle alleine essen! Und wer ist das? Gehört er zum Rudel? Warte ist das der Junge von den Entführern? Ich will auch Ahornsirup zu meinen Waffeln. Ganz, ganz, ganz viel!«

»Die sind alle für dich. Sag "Danke" zu Keith und Luca, die haben sie dir gebacken. Hast du denn gut geschlafen und hast du schmerzen, Prinzessin?«, frage ich die fünfjährige, stelle die Waffeln ab und schiebe ihren Stuhl an, nachdem sie Platz genommen hat. Cailey sieht mich mit einem strahlenden Lächeln an.

»Ich hab dich lieb, Sergio!«, äußert Cailey leise und nimmt sich eine Waffel. »Und dich auch, Finn und Ellias und alle anderen auch! Kann ich nachher Bellas Hüte sehen? Wer bist du denn jetzt?«, fragt sie Lorcan fröhlich.

»Spätzchen, warte bis alle sich hingesetzt haben.«, rügt Paige Ihre Tochter sanft und gesellt sich zu ihr. »Und den Jungen kennst du doch. Dass ist Lorcan, er hat dir gestern geholfen.«

»Du bist aber nicht höflich. Mama sagt immer, dass wir uns einen "guten Morgen" wünschen sollen.«, klagt das kleine Mädchen.

»Hmh.«, brummt der Junge, sieht Cailey an und dann wieder auf seinen Teller, der immer noch leer ist. Aus den Augenwinkeln sieht er Hunter an und dann zu Lian. Wenigstens unterdrückt er seine Nervosität, ganz gut. Ich muss mir was für den Jungen überlegen und ich weiß, nicht was.

»Sergio reichst du mir die Butter? Wo bist du denn mit deinen Gedanken?«, fragt meine Gefährtin mich mit Ungeduld in der Stimme während sie ihre Hand hinhält. Ich schenke ihr ein Lächeln und reiche ihr die Butter.

»Am Esstisch, reden wir nicht über die Arbeit.«


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