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Komplett ausgepowert lasse ich mich auf den Stuhl in der Bibliothek fallen. ~Ich kann echt nicht mehr...~ stöhne ich innerlich auf. - Geh doch dieses eine Mal einfach jetzt schlafen!- schlägt mir mein Unterbewusstsein eine Lösung vor, doch ich zucke mit den Schultern: "Was würde es mir bringen..." "Was würde dir was bringen?", ertönt eine Stimme hinter mir, welche zum kaum merklichen Zusammenzucken meinerseits führt. Ich würde jetzt gerade echt gerne heulen. Schon wieder ein Mensch! Kann ich nicht einmal alleine sein?! Mit zusammengezogenen Augenbrauen drehe ich mich um und blicke dem braunhaarigen Rawenclaw-Schüler in die Augen. "Das hat dich einen Dreck anzugehen.", zische ich nicht gerade sehr erfreut über die Anwesenheit ihm zu. Anscheinend scheint er nicht nur eine neugierige Rotznase zu sein, er ist auch noch ein dummer Rawenclaw, und mit angespannten Muskeln verfolge ich ihn mit Blicken, wie er sich an meinen Tisch setzt. "Ich bin Lucas.", stellt sich der Junge mir vor. Ich verdrehe meine Augen: "Habe ich gefragt? Nein!", wende mich anschließend meiner Tasche zu. Auf mich warten Hausaufgaben in Geschichte der Zauberei, Verteidigung gegen die dunkle Künste und Pflege magischer Geschöpfe. -Zum Glück müssen wir in Kräuterkunde nur die Kräuterknolle züchten und pflegen!- Ich stimme zu. Da muss ich wenigstens keine Aufsätze in Kräuterkunde schreiben. Ich hole meine Pergamentrolle und meine Feder raus, aber bevor ich aufstehen kann, um zu dem Thema Wasser-Tierwesen ein Buch zu holen, bemerke ich, dass der Junge immer noch da ist! "Sag mal, verstehst du nicht die menschliche Sprache?!", rege ich mich auf, schüttel aber meinen Kopf und verschwinde hinter den Regalen. ~Irgendetwas ist komisch...~  -Ich vertrau ihm nicht. Wer ist das? Haben wir ihn je hier gesehen?- ~In unserem Jahrgang ist er schon einmal nicht. Aber...~ mir geht ein Licht auf, was mich so an ihm verwirrt. Geschockt bleibe ich stehen. Meine Wut! Sie ist gerade unglaublich...zahm. Was hat dieser Junge? Wer zum Teufel ist er?! Gehetzt renne ich zu dem Regal mit den Büchern zu magischen Geschöpfen und rufe einfach mit dem Accio-Zauberspruch das hoffentlich richtige Buch zu mir. Schnell renne ich zurück zu meinem Platz, aber von dem Jungen ist keine Spur mehr zu sehen. Ich reibe mir mehrere Male über die Augen. ~Gott, ich habe schon Entzugserscheinungen! Ich glaube ich sollte mich gleich mal hinlegen.~ Mein Unterbewusstsein stimmt mir auch verwirrt zu. 

Während ich einen Paragraph über Kelpies versuche zu schreiben, wandern meine Gedanken immer zu dem Jungen. Es ist nicht so, dass mich nur seine Anwesenheit verwirrt hat - und seine Wirkung auf meine Wut, die sich trotz seiner Provokation wirklich nicht bemerkbar gemacht hat - irgendetwas war auch einfach in seiner Erscheinung...ich weiß nicht... falsch? Ich lege meine Feder hin. So kann ich mich doch kaum konzentrieren! Genervt denke ich über diesen Lucas nach. Zwei Minuten später schüttle ich mich kurz und dränge den Gedanken an ihn ganz tief in die Ecke meinen Gedächtnisses. Konzentration! Mit meinen letzten zusammengeklaubten Resten schreibe ich die zweieinhalb Pergamentrollen zu Ende und setzte mit mir zufrieden einen Punkt auf das Pergament. ~Endlich!~ jubele ich, aber meine Euphorie wird schnell wieder verdrängt: -Vergiss nicht, du hast noch Geschichte der Zauberei und Verteidigung gegen die dunklen Künste-  ~Na vielen Dank aber auch.~ Demotiviert packe ich meine benötigten Sachen wieder aus. 

Mit einem erleichterten Seufzen husche ich leise aus der Bibliothek. Das Abendessen habe ich schon längst verpasst, aber ich bin vollkommen zufrieden mit meiner Arbeit und kann mir so einen Abstecher in die Küche gönnen. Ich hatte einen erstaunlich guten Abend. Keine Kopfschmerzen. Keine Schwächeanfälle. Keine Kontrollverluste. -So ist das Leben schön!- ~Hundert pro!~ Meine Arme streckend laufe ich um die Ecke und stoße schon wieder mit den Rumtreibern - mit Sirius - zusammen. Das gibt es doch nicht! "Oh, sorry, eh, Saphira, richtig?", spricht mich Sirius an. Ich starre in seine grauen Augen und wende mich schließlich ab, um an ihm vorbei zu rauschen, werde aber von James, der sich vor mich stellt, aufgehalten. Ich drücke meine Kiefer zusammen. ~Wollen sie mich verarschen?!~ -Äh, war das eine rhetorische Frage?- "Hey, du, sag mal, hatten wir was in Verteidigung auf?", versucht James eine Konversation zu starten. Ich seufze auf: "Ja, theoretische Vorbereitung auf Rotkappen, zwei Rollen Aufsatz. Noch was?" ~Wieso habe ich das gesagt.~ -Vielleicht verschwinden wir jetzt einfach? Ich will echt nicht den guten Tag verderben lassen!- Mit einer schnellen Handbewegung verabschiede ich mich von den Rumtreibern, obwohl Sirius gerade über den Unterricht was sagte, und verschwinde in Richtung der Küche. -Es hat auch keinen Sinn sich zu verstecken, sie wissen eh schon, dass du den Zugang zur Küche kennst-  Bedauernd nicke ich. Leider. So wird mir keine Ruhe gegönnt sein... 

Schnellen Schrittes tauche ich in der Küche auf und werde mal wieder von mindestens drei Hauselfen belagert, vorab Blinky. "Miss Saphira! Wollen Sie das Übliche?", fragt mich die Elfe mit Enthusiasmus in der Stimme. Auch wenn mir bei dem Gedanken an frisches, saftiges Fleisch der Sabber gefühlt runterläuft, will ich wirklich keine unangenehme Situation riskieren und fordere dieses Mal nur: "Danke Blinky, aber nein danke. Ich hätte gerne einfach nur ein schwach gegartes Brathähnchen. Geht das in Ordnung?" "Aber natürlich, Miss! Wir machen alles zu Ihren Diensten! Keine Sorge, es wird Ihnen gleich alles fertig angereicht!" Ich bedanke mich nickend. Blinky ist wirklich eine unglaublich süße Elfe, und ich muss einfach nur über ihre Fürsorge lächeln. Ach wenn das in der Natur der Elfen liegt, irgendwie ist Blinky für mich ein ganz besonderes Wesen. 

Das Hähnchen, welches mir vorgelegt wird, riecht schon einmal appetitlich. Zwar bin ich kein übergroßer Fan von gebratenem oder gekochtem Fleisch, aber dieses hier schmeckt vorzüglich! Einfach auch nur, weil das innere Fleisch kaum  durchgegart ist. Ich seufze auf vor Glückseligkeit. Im nächsten Moment stellen sich mir die Nackenhaare auf. -Die Aura des Raumes hat sich verändert...- ~Hier ist irgendwer!~ Paranoid schaue ich mich um. Auch manche Hauselfen sehen verwirrt in eine Richtung, wenden sich aber schnell wieder ab. ~Wer ist da?! Ich kann jemanden riechen!~ Mit zusammengezogenen Augenbrauen starre ich auf die Wand gleich neben dem Eingang. -Die Person ... - ~Es sind mehrere!~ Ich spüre tief in mir die Wut. Aber gleichzeitig ist sie noch so schläfrig, dass ich wie noch nie Kontrolle über mich habe. Seufzend beende ich mein Mahl etwas gesitteter - dieses Mal esse ich mit Besteck - und gebe den Teller einem vorbeieilenden Hauselfen mit einer kunterbunten Schürze ab. Hastig stehe ich auf, nehme meinen Rucksack und verschwinde durch den Ausgang, mit einem intensiven Blick in die Richtung der unsichtbaren Personen. ~Ich bin mir ziemlich sicher, dass es James und Sirius sind~ Mein Unterbewusstsein stimmt mir zu. Tja, ihr könnt euch vor mir nicht verstecken, auch nicht unter einem Tarnumhang!

Saphira Hills - Schwingen der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt