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Zufrieden stehe ich vor Hagrids Hütte. Ich habe komplett vergessen, dass er eventuell in Sorge sein könnte, weswegen ich mich sofort nach meiner letzten Stunde an diesem Dienstag - Zauberkunst - zu ihm aufgemacht habe. Heute war auch ein erstaunlich guter Tag. Ich habe gut geschlafen, bin ausgeruht aufgewacht, der Unterricht war interessant und ich hatte heute keine unerfreulichen Begegnungen! -An so etwas könnte man sich echt gewöhnen!- Ich muss nur lächeln. Ich habe echt unnormal gute Laune... Enthusiastisch klopfe ich an der großen Holztür. "Mach Platz Fang!", erklingt kurz darauf die Stimme von Hagrid und nur eine Sekunde später knarzt die Tür laut als Hagrid sie öffnet. Ich strahle ihn an, seine Mimik verändert sich vor meinen Augen von Erstaunt zu Freudig. "Saphira!", dröhnt der Riese über das ganze Gebiet, sodass Vögel im Wald aufgeschreckt werden und wahrscheinlich das ganze Schloss es mitbekommen konnte. Mit einer beherzten Umarmung drückt mich Hagrid in sein gemütliches Haus. -Oh Gott, ich glaub lebend kommen wir hier nicht mehr raus!- ~Meine Knochen....~ stöhne ich innerlich. Hagrids Umarmungen sind sehr ... speziell. Erleichtert atme ich auf, als mein Freund mich wieder loslässt. "Wo hast'n du gesteckt? Wie geht es dir?", werde ich gleich darauf von Fragen bombardiert. Schmunzelnd beobachte ich Hagrids Fürsorge und will ihm sagen, dass ich einfach in der Bibliothek war, aber mein Unterbewusstsein unterbricht mich: - Er kennt doch die Wahrheit!- Ich schlucke und schließe meinen Mund wieder, starre auf den Boden. Auch Hagrid bemerkt meinen Stimmungswechsel. "Hör mal, wenn's dir nich passt, musst du nichts sagen. Du-", ich stürze auf Hagrid und umarme ihn so feste ich kann. Er ist wirklich so verständnisvoll! Ich kann nicht fassen, dass ich so einem Menschen begegnen konnte. Nach ein paar Augenblicken stehe ich wieder auf eigenen Beinen und reiße mich zusammen: "Mir geht es jetzt gut, Hagrid. Es war einfach Vollmond und...", meine Stimme ist kurz vor dem Brechen, aber dieses Mal schlucke ich den Kloß runter und forme mit meinen Händen Fäuste, um gegen diese verdammt Panik zu kämpfen.

"Es war Vollmond und ich musste mich wieder in das schreckliche Monster verwandeln!", rufe ich den Satz raus, den ich eigentlich nie im Leben laut aussprechen wollte. Hagrid guckt erstaunt, er hat nicht meinen kleinen lauten Ausbruch erwartet, klopft mir aber mehrere Male auf die Schulter, sodass ich leicht in meine Knie sacke. "Das is echt stark von dir, vergiss das nich! Ich bin stolz auf dich!" Ich muss aufschluchzen vor Freude, Hagrid versteht mich!, und lächel ihn an. "Danke", weine ich, während ich ihn wieder umarme. -Du wirst gerade echt zur einer anhänglichen Memme, dass ist dir schon bewusst?- ~Ach halt die Klappe!~ muss ich schmunzeln. Nach diesen recht emotionalen fünf Minuten setzte ich mich zu Hagrid an den Tisch und er schüttet uns beiden Tee ein. Schon fängt ein belangloses Gespräch über Zauberwesen an, bei dem ich mich einfach pudelwohl fühle. In Hagrid habe ich einfach einen unglaublichen Freund gefunden...

Mich streckend laufe ich gerade die Treppe in den siebten Stock hoch, als ich ganz leise jemanden dumpf zu Boden gehen höre. Wohl eher spüre, denn die Vibration von dem harten Aufprall erreicht meine sensiblen Sinne. Aus Reflex sprinte ich wieder die Treppe runter, um durch einen versteckten Geheimgang zu rennen und zu dem Fall zu gelangen. Was ich sehe lässt mich stutzen. Was macht denn Severus Snape auf dem Boden? Hier, im sechsten Stock? -Er ist aber nicht alleine...- Missmutig starre ich auf Sirius und James, die vor Snape stehen und ihre Zauberstäbe erhoben haben. Remus treibt sich im Hintergrund und ignoriert das ganze Geschehen und Peter, dieser Feigling, versteckt sich hinter den beiden vorderen Jungs und betrachtet das ganze ehrfürchtig.
"Schniefelus, warum wäscht du dir nicht einmal deine Haare? Ach nee, du hast ja nicht das Geld für Seife!", spottet Sirius. ~Ich habe echt nicht gedacht, dass die Rumtreiber zu Mobbing fähig wären!~ - Sie erschienen doch eigentlich ganz harmlos, jetzt abgesehen von ihren Streichen an die Schülerschaft und Lehrerschaft.-

In mir brodelt eine unbändige Wut auf, trotz des eigentlich guten Tages. -Beruhig dich! Du bist eine Hexe, du hast einen Zauberstab, es wird nichts nützen, wenn du sie angreifst und verletzt! Bitte!- fleht mein Unterbewusstsein. Ich schüttel mich. Der Schmerz überflutet mich. Ich krümme mich zusammen und gebe einen lautlosen Schrei von mir. Meine Gedanken führen plötzlich zu dem Waisenhaus, wie mich Brenda und Luca und ihre Clique immer gepiesackt und herumgeschubst haben, wie sie mich gehänselt haben. Die Wut brodelt plötzlich noch einmal stark auf, dass mir einfach schwarz vor den Augen wird und ich nur noch die Schmerzen spüre. Doch gleichzeitig ist da noch dieser klare Bereich in meinen Kopf, welcher wie das Licht in der Dunkelheit gegen die verschlingende Schwärze kämpft. Ich höre noch ganz weit entfernt, wie Sirius und James weiter Severus hänseln und die Wut lodert weiter wie eine Flamme auf. Niemand verdient es, gehänselt zu werden! Ab einem Moment kann ich nicht mehr die geballte Kraft in mir halten und ich schreie gequält laut auf, lasse die Kraft los.



Der braunhaarige Junge mit der Narbe im Gesicht schaut erschrocken auf. Seine Härchen an seinen Armen richten sich auf, als der durchdringende Schrei ihm durch Mark und Knochen geht. Auch die gut aussehenden Jungs mit den dunklen Haaren, der eine mit einer Brille, zucken zusammen und starren wie gelähmt nach vorne. Ein Quieken ertönt von dem pummeligen Jungen, der sich zitternd auf den Boden geworfen hat. Selbst der hagere Junge mit blasser Haut und schwarzen, recht öligen Haaren bleibt wie erstarrt liegen. Ihm ist der Schreck in seinem sonst emotionslosen Gesicht anzusehen. Noch keiner von den Jungen hat solch einen grausamen Schrei gehört, voller Schmerz und Qualen, und er war so laut, so durchdringend, dass sie sich kaum rühren können. Das ganze Schloss ist selbst wie versteinert, alles hält für einen Moment den Atem an. Und gerade als der Schrei wieder verstummt ist und alle wieder aufatmen, breitet sich Schwärze wie eine Druckwelle durch das ganze Schloss, ja, bis zum Wald und noch weiter aus. Sie ist so tief und undurchdringlich, dass es den Menschen erscheint, sie wären für immer verloren. Der Schreck sitzt tief, selbst als die Dunkelheit verschwunden ist und nichts an ihrem Ursprungsort zurück lässt als einen kleinen, dunklen Krater.

Während die Lehrer noch mit pochenden Herzen sich im Lehrerzimmer zusammen treffen, wo doch selbst Dumbledore nicht die leiseste Ahnung hat, was passiert sein könnte, und der Riese am Waldrand versucht, seinen Hund zu beruhigen und sich selbst das Herz hält und alle Tierwesen und Zauberwesen im dunklen verbotenem Wald sich in Herden zusammen treffen und sich auf ihre jeweilige Weise beraten und auch andere Zauberer und Hexen außerhalb von Hogwarts paralysiert vor sich hin starren, sind alle Schüler wie vom Donner gerührt auf ihrem Platz. Jedem zittern die Beine, und manche besonders emphatischen und empfänglichen Schüler waren sogar bewusstlos geworden, als sie die Kraft hinter dem eben passierten zu spüren bekamen. Nur einer lehnt selbstgefällig an einer Statue und grinst vor sich hin. Zufrieden mit sich und seiner Welt macht er sich auf und verschwindet hinter der Biegung, um zu seinem angeblichen Gemeinschaftsraum zu kommen.



Der erste Schritt ist getan... Und sie ist mächtiger, als wir alle dachten...

(Notiz vom Autor)

Die ersten zwei Paragraphen sind aus der Erzähler-Perspektive, der dritte ... etwas anderes, also nicht wundern. 

Saphira Hills - Schwingen der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt