Kapitel 2

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„Die Vergangenheit ist Geschichte, die Zukunft ein Geheimnis und jeder Augenblick ein Geschenk."

Der Tag verging wirklich wie im Flug. Hava und ich hatten gut damit zu tun, all unsere Kartons auszuräumen. Eigentlich hatten wir gar nicht so viele Möbel und Sachen aus unserem alten Leben mitgebracht, aber auch die wenigen Dinge mussten in unseren neuen vier Wänden ordentlich platziert werden. Außerdem war auch noch viel Arbeit übrig, denn Hava bestand darauf, dass wir die Räume neu streichen würden. So kam es, dass unsere Zimmer gerade alle einer riesigen Baustelle glichen.

„Meinst du, dass unser Bürgermeister wirklich nochmal vorbeikommen wird?", fragte mich Hava und in ihrer Stimme konnte ich leichte Enttäuschung vernehmen. Schließlich war der Nachmittag längst vorbei. „Keine Ahnung. Das ist mir eigentlich auch egal. Als Bürgermeister hat er sicherlich viel besseres zu tun, als zwei neue Frauen in der Stadt zu begrüßen, die noch nicht mal einen richtigen Job haben", antworte ich  und stieg von der Leiter ab. Genau in dem Moment, als würden wir belauscht werden, klingelte es an der Tür. Dies mal war es Hava, die aufsprang und die Tür öffnete.

„Sorry, dass es etwas später geworden ist, aber es war viel los", hörte ich die überaus männliche Stimme von Oliver. „Ach kein Problem. Wir hatten bis eben auch noch viel zu tun", erklärte meine Schwester und bat den Besuch hinein. Doch die Schritte, die ich vernahm, klangen nicht nur nach zwei Personen. Neugierig ging ich zu ihnen und erkannte gleich mehrere Personen, die durch unsere Tür kamen.

„Guten Abend, wir sind Familie Black", begrüßte uns ein schon etwas älterer Mann und deutete dabei auf eine Frau und ein Mädchen im Teenageralter, die allerdings wenig beeindruckt auf ihrem Smartphone herumtippte. Etwas überrascht stellte ich mich neben meine Schwester, die uns beiden mit den anderen bekannt machte. „Freut mich Sie kennen zu lernen. Ich bin Hava und das ist meine Schwester Feya." Wie heute Morgen bei Oliver erreichten wir auch bei den drei neuen eine ähnliche Reaktion. Auch sie konnten anscheinend nicht glauben, dass wir tatsächlich Geschwister waren.

„Gut, ich habe uns Essen mitgebracht. Vielleicht können wir uns dann alle ein bisschen besser kennenlernen", ergriff nun Oliver das Wort wieder und unterbrach somit das peinliche Schweigen. „Oh, wie nett, kommt mit", bemerkte meine Schwester und führte unseren Besuch zum Esstisch. Ich folgte mit einem gewissen Abstand. So viele Menschen auf einem Raum waren mir nicht geheuer.

Da wir noch nicht genug Stühle hatten, musste jemand wohl oder übel auf dem Sofa Platz nehmen. „Wartet, ich schiebe euch das Sofa schnell hier ran", sagte Oliver und im nächsten Moment hatte er auch schon sein Jacket über den Stuhl gehangen, um unser Sofa im Alleingang besser an den Tisch schieben zu können. Das Muskelspiel, was sich unter dem weißen Hemd abspielte, lenkte die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. „Wow, scheint als könnte der Bürgermeister noch mehr, als nur die Stadt zu regieren", staunte Hava nicht schlecht. „Ach, wenn ihr nur wüsstet ...", hörte ich ihn leise zu sich selbst sagen, was keiner der anderen Anwesenden zur Kenntnis nahm.

Sogar die desinteressierte Tochter von Familie Black hatte für einen kleinen Moment ihr Handy aus der Hand gelegt, um den Mann vor ihr zu beobachten.

Völlig unbeeindruckt wischte sich Oliver den imaginären Staub von den Händen und führte das Gespräch unbeirrt weiter. „Ich habe was vom Asiaten geholt und hoffe, dass das so in Ordnung ist?", fragend schaute er einmal in die Runde. „Das ist aber sowas von in Ordnung", stimmte meine Schwester sofort begeistert ein. Als sein Blick auf mir landete, nickte ich nur zögerlich. „Gut, dann bedient euch."

Jeder hatte sich schnell eine Packung des Essens gegriffen und Platz genommen. Aus reiner Gastfreundschaft hatten wir Familie Black an unserem Esstisch platziert. Hava war gerade mit Frau Black in ein sehr intensives Gespräch vertieft. Ich saß auf dem Sofa und beobachtete das ganze Geschehen mit etwas Abstand. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und zuckte heftig zusammen. Obwohl ich hier in Sicherheit war, fühlte es sich so an, als würde der Schmerz meinen Körper noch einmal durchfahren. Erinnerungen an Los Angeles tauchten plötzlich vor meinem Auge auf.

„Oh, ich wollte dich nicht erschrecken", entschuldigte sich Oliver, nahm neben mir Platz und holte mich somit wieder zurück. Er hatte sich mittlerweile das Hemd an den Ärmeln hochgekrempelt, was seine starken Arme noch mehr zum Vorschein brachte. „Alles gut", versuchte ich mich heraus zu reden, doch in seinem Blick konnte ich ein wenig Misstrauen erkennen, so als habe er mich durchschaut.

„A-also der Bürgermeister nimmt sich für jeden neuen Bewohner so viel Zeit?", fragte ich nach, damit er nicht länger mit seinem Blick meine Seele durchsuchen konnte. „Ähm ... eigentlich nicht", gab er offen zu und griff mit seiner Hand ertappt in seinen Nacken, „Ich wohne direkt gegenüber und dachte, ich sage meinen neuen Nachbarn mal hallo." „Du wohnst direkt gegenüber?", wollte ich mich versichern und schaute ihn erstaunt an. Er nickte. „Krass. Der Bürgermeister wohnt direkt gegenüber." Er grinste mich an. „Wie kommt ihr voran?", fragte er mich mit Andeutung auf die herumstehenden Farbeimer und Leitern. „Naja ... Wir sind keine geborenen Handwerker", antwortete ich ehrlich und lehnte mich ein kleines Stück näher in seine Richtung, um flüstern zu können, „und ehrlich gesagt hat Hava zwei linke Hände. Das wird hier niemals fertig werden." Sein Grinsen wurde ein Stück kräftiger.

„Du scheinst kein Mensch zu sein, der oft lacht", bemerkte ich und sofort wurde seine Miene wieder ernst. Das war dann wohl mal wieder ein Schritt zu weit Feya. „Du scheinst auch kein Mensch zu sein, der anderen schnell vertraut", konterte er mit einer sehr ernsten Stimme und sah mich mit einem festen Blick an. Er wusste gar nicht, wie sehr er damit ins schwarze getroffen hatte. Bin ich so durchschaubar, wenn er das in so kurzer Zeit herausfinden konnte?

Nach kurzer Zeit wand er seinen Blick wieder von mir ab, räusperte sich kurz. „Hava, wenn ihr mal meine Hilfe beim Streichen oder Möbel aufbauen braucht, dann zögert nicht, bei mir drüben zu klingeln", sagte er nun zu meiner Schwester, die ihn dankend anstrahlte. Kurz griff er in sein Jacket, welches in der Zwischenzeit auf der Sofalehne gelandet war, um eine kleine Karte herauszuholen. „Hier habt ihr meine Nummer, wenn was ist, zögert nicht, sie zu verwenden." „Das ist wirklich sehr nett", bedankte sich Hava aufrichtig und nahm die Visitenkarte entgegen.

Ich stand auf, um mich von der Runde zu entfernen, denn langsam spürte ich wieder dieses große Verlangen nach Wasser in mir, welches ich sofort stillen musste. So ging ich in die Küche, um mir eine Flasche Wasser zu nehmen. Kaum hatte ich sie angesetzt, ertönte hinter mir die Stimme von Oliver.

„Ich würde auch etwas nehmen", sagte er und stellte mir sogleich sein Glas vor die Nase. Kommentarlos goss ich ihm das Wasser ein, ehe ich nun endlich selbst das lebenserhaltende Elixier zu mir nehmen konnte. Sein starrer Blick brannte auf meiner Haut. „Wie kommt es eigentlich, dass ihr ausgerechnet hier nach Star City kommt?", wollte er von mir wissen. Perplex ließ ich meine Flasche wieder sinken. Mit einer so direkten Frage hatte ich nicht gerechnet, weshalb mir so schnell auch keine gute Antwort einfiel.

Glücklicherweise begann jedoch sein Handy zu klingeln und er drehte sich von mir weg, um den Anruf entgegenzunehmen. Nach kurzer Zeit hatte er doch dann auch schon wieder aufgelegt und richtete sich wieder an mich. „Das war mein ... Büro ... es gibt einen kleinen Notfall. Da muss ich hin", erklärte er mir. Ich erkannte jedoch, dass dies nicht der Wahrheit entsprechen konnte, harkte aber nicht nach.

„Okay, dann schönen Abend noch und vielen Dank für deinen Besuch", verabschiedete ich mich von ihm, nachdem er sich auch von den anderen verabschiedet hatte. „Ja und wie gesagt, wenn was ist, ruft an." Ich nickte, dann drehte er sich um und ging in einem sehr schnellen Schritt die Treppe nach unten.

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