Kapitel 11

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„Nichts ist wertvoller als jemand, der ehrlich zu dir ist."

„Feya Boyet", dreckig grinste mich die Person an, der ich in meinem Leben geschworen hatte, nie wieder unter die Augen zu treten und sie einfach zu vergessen. „Alvin Ellis", bemerkte ich trocken und schluckte hart. „Schön, dass ich dich endlich wieder sehen kann", bemerkte er und sah mich dabei mit einem fast schon liebevollen Blick an.

Fast könnte man meinen, dass dies der perfekte Schwiegersohn wäre. Der Mann, der eine Frau in aller Hinsicht glücklich machen würde, doch das war er nicht.

Alvin Ellis war der Teufel in Person. Mein Ex-Freund. Ich war ihm damals in Los Angeles verfallen. Blind vor Liebe hatte ich alles für ihn getan und er hatte mich einfach schamlos ausgenutzt. Nachdem er von meiner wahren Gestalt erfuhr, begann er immer wieder die krankesten Sachen an mir auszuprobieren. Ich war auch noch so dumm und naiv, ließ ihn einfach machen.

Nachdem ich ihn dann endlich entkommen konnte, hätte ich niemals damit gerechnet, dass er eines Tages wieder hier vor mir stehen würde. Und vor allem nicht nach so einer kurzen Zeit.

Seine schwarzen Haare hingen ihm lose ins Gesicht. Er gab sich also immer noch keine Mühe für eine anständige Frisur. Auch sein Körper hatte sich in den vergangenen Monaten kein bisschen verändert. Immer noch hatte er die gleiche muskulöse Statur, wie damals. Nur seine Haut war blasser geworden und er sah geschafft aus.

„Wie hast du mich gefunden? Was machst du hier?", stellte ich gleich mehrere Fragen. Eigentlich hätte ich sofort meine Beine in die Hand nehmen und wegrennen sollen.

Er lachte auf. Sein Lachen war so ekelhaft, dass ein unangenehmes Gefühl meinem Rücken hinauf kroch. Ich hatte Angst. Und als er sich dann auch noch neben mich setzte, seine große kalte und ungepflegte Hand nach mir ausstreckte, um sie an meine Wange zu legen, war es um mich geschehen.

Blitzschnell griff ich nach meiner Tasche und rannte. Die Leute drehten sich fragend zu mir herum, doch das war mir mehr als nur egal. Ich rannte, als würde es um mein Leben gehen und indirekt tat es das ja auch.

Obwohl ich nun schon die Hälfte der Strecke nach Hause gesprintet war, lag mir noch immer sein widerliches Lachen in den Ohren und ich spürte seinen dreckigen belustigten Blick auf mir. Noch immer konnte ich nicht fassen, dass er hier in Star City war.

Plötzlich rannte ich in jemanden hinein. Erschrocken und aus Angst es würde sich bei der Person um Alvin handeln, schreckte ich sofort zurück und sah die Person verstört an.

Oliver.

Sein anfangs belustigtes Grinsen wandelte sich schnell in einen sehr ernsten Blick um. „Feya? Alles in Ordnung bei dir?", besorgt versuchte er nah meinem Arm zu greifen, doch ich wich zurück. „Feya?", mit etwas mehr Nachdruck kam er immer weiter auf mich zu, „Was ist los mit dir?"

„Er ... Er ist hier", sprach ich das Unvermeidliche aus, „Er ist hier in Star City!" Plötzlich wurde mir schlecht und schwindlig zugleich. Das letzte was ich sah, war Olivers verwirrter Blick, ehe mir alles schwarz vor Augen wurde ...

Mühevoll blinzelte ich gegen das grelle Licht an. Nachdem ich mich endlich an die Helligkeit gewöhnt hatte, konnte ich meine Umgebung genauer betrachten. War alles vielleicht nur ein schlechter Alptraum gewesen?

Doch wieso lag ich nicht in meinem Bett? Sofort schoss mir das Adrenalin in die Adern. Ich war doch nicht etwa bei ihm? „HAVA!", schrie ich voller Kraft und sprang von diesem Bett auf. Ich hatte keinerlei Ahnung, wo ich hier war. Panisch rannte ich im Raum auf und ab. „Hava?", immer wieder rief ich nach meiner Schwester, doch ich erhielt keinerlei Antwort.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein kampfbereiter Oliver, der bis auf die kleinste Faser angespannt war, erschien im Raum. Suchend sah er sich um, damit er die mögliche Gefahr direkt ausschalten konnte.

Als er jedoch nichts ausmachen konnte, entspannte er sich wieder. Dann schaute er mich sichtlich besorgt an. Ängstlich starrte ich ihn an. Mein schneller Herzschlag beruhigte sich allmählich, als ich ihn erkannte und nicht eine gewisse andere Person.

„Hey ...", langsam und vorsichtig kam er auf mich zu, um mich sanft in den Arm zu nehmen. Völlig überrumpelt schlang ich Hilfesuchende meine Arme um seinen kräftigen Körper. Dabei durchströmte mich eine Welle der Sicherheit und Geborgenheit. „Dir geht es gut", stelle er erleichtert für sich fest.

„Wo bin ich?", fragte ich ihn. „In meinem Schlafzimmer", antwortete er mir mit einem gewissen Unterton, der mitschwang. Ich löste mich von ihm und sah ihn erleichtert in sein Gesicht. „Möchtest du drüber reden?", fragte er und zog mich mit zu seinem Bett, wo wir uns gemeinsam hinsetzten.

„Ich weiß nicht ...", gestand ich. Es war eine schwierige Sache. Was sollte ich ihm sagen. Ich konnte doch nicht einfach so sagen: Hey, mein Ex-Freund hat mich unter den schlimmsten und widrigsten Bedingungen gefoltert. Würde er mir glauben? Sicher nicht.

„Ein wirklich sehr, sehr schlauer Mensch sagte einmal zu mir: ‚Geheimnisse haben Gewicht'", begann er mir zu erzählen und schaute dabei gedankenverloren aus dem Fenster, so als würde er an den Moment zurückdenken, in dem ihm das erzählt wurde, „‚Je mehr du für dich behältst, desto schwerer wird es, sich zu bewegen'."

„Das ... das ist wirklich sehr klug", antwortete ich, „Wer hat dir das gesagt?" Oliver lachte kurz belustigt auf. „John", sagte er schließlich und sein Lachen war warm und aufrichtig. Die beiden wirkten wie zwei unzertrennliche Freunde. Ich wünschte ich hätte auch so eine Erfahrung von herzensguten Freunden sammeln können. Für mich stand jedoch fest, dass Hava für immer meine einzige Freundin bleiben würde, da nur sie von meinem Geheimnis wusste.

„Alvin Ellis", begann ich schließlich zu sprechen. Oliver wandte seinen Blick vom Fenster und sah mich wieder mit einem warmen und sicheren Blick an. Irgendwas sagte mir in diesem Moment, dass ich ihm all meine Sachen anvertrauen konnte. „Er ist mein Ex-Freund und ich ... ich war einfach nicht darauf vorbereitet, ihn jetzt wiederzusehen. Ihn überhaupt wiederzusehen."

Oliver spannte sich augenblicklich an. „Hat er dir was getan?", fragte er. Ich glaube nicht, dass er sich vorstellen konnte, wie schlimm die Dinge tatsächlich waren. Ohne etwas auf seine Frage zu erwidern, stand ich auf. Was er mit einem verwirrten Blick quittierte.

Ich stellte mich vor ihn und zog langsam mein T-Shirt nach oben, sodass er einen freien Blick auf meinen nackten Bauch hatte, dem ich ihm nun einfach so präsentierte. Kurz weiteten sich seine Augen. Zahlreiche Narben „schmückten" meinen Körper. Hauptsächlich an Stellen, die niemand sah. Alvin wusste, wie man einen Menschen verletzte, aber so, dass die Außenwelt davon nichts mitbekam.

„Das ist wirklich ...", kläglich versuchte er das alles mit einem Wort zu beschreiben. Aber wie sollte ein einfacher Bürgermeister das alles mit einem Wort schon zusammenfassen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm sowas schon öfter passiert ist. Geschweige denn, dass er überhaupt je in seinem Leben schon mal eine Narbe abbekommen hat. Seine Haus sah so makellos aus.

Ich ließ das T-Shirt wieder sinken. „Er hat mir das alles angetan", gab ich zu, „Und weißt du was das schlimmste ist?" Kurz sah ich ihm mit einem eindringlichen Blick in die Augen. Wut kam in mir auf. Nicht auf Alvin oder sonst jemanden, sonder auf mich selbst. „Es waren nicht die Schmerzen oder so. Ich war so dumm und naiv, hab mich von ihm einwickeln und das alles mit mir machen lassen. Ich bin so dumm!"

Tränen kamen in mir auf. Szenen tauchten vor meine Augen auf, die eigentlich kein Recht hatten, sich wieder in mein Leben einzumischen.

Sanft umgriff Oliver mit seiner großen warmen Hand nach meiner und zog mich wieder neben sich auf das Bett, ehe er die andere an meine Wange legte. Vorsichtig wischte er eine dieser lästigen Tränen aus meinem Gesicht. Auf einmal fühlte es sich so an, als würde die Zeit um uns herum still stehen.

Ich versank in seinen wunderschönen grün-grauen Augen und konnte alles um mich herum vergessen. Langsam näherte er sich mit seinem Gesicht wieder meinem. Wir grinsten beide, als uns gleichzeitig das letzte Mal in den Sinn kam, als wir so eng beieinander standen und es beinah zu dieser Situation gekommen wäre. Doch dieses Mal lenkte uns nichts ab oder unterbrach uns.

Endlich konnte ich seine Lippen auf meinen spüren.

Arrow's BubbleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt