Kapitel 28

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„Manchmal genügt es nicht, mutig zu sein. Manchmal muss man kompromisslos vorgehen." - Lyla Micheals

Olivers rote Blut stand direkt im Kontrast zu seiner so hell aussehenden Haut. Plötzlich schien sich jedoch alles wie in Zeitlupe vor meinen Augen abzuspielen. Während mir ein ohrenbetäubender Hilfeschrei entfuhr, kam im selben Augenblick ein eben so blutroter Pfeil aus dem Nichts und erwischte Alvin in der Schulter, der daraufhin quälend langsam zu Boden fiel.

Das Messer fiel aus seinen Händen klirrend zu Boden und alles lief wieder in gewohnter Geschwindigkeit ab. Was war hier auf einmal los und woher kam dieser rote Pfeil?

Es dauerte jedoch nicht lang, da stand Alvin auch schon wieder auf seinen Beinen und zog sich, ohne mit der Wimper zu zucken, den Pfeil aus der Schulter. Oliver, der sich mit Hilfe der Ablenkung endlich von ihm losreißen konnte, lag nicht weit von ihm entfernt auf den Boden.

So sehr, wie es mich überrascht hatte, dass auf einmal ein roter Pfeil aus dem Nichts kam, schien es auch Alvin aus dem Konzept gebracht zu haben. Sofort drehte er sich in die Richtung, aus der er den Pfeil vermutete.

„Ey! Suchst du mich?", ertönte plötzlich die freche Stimme einer jungen Frau, deren Gesicht unter einer roten Kapuze und einer eben so roten Maske versteckt war. Man könnte meinen sie sei eine rote Variante von Green Arrow. Sie hockte angriffslustig auf der Kante vom Dach hinter mir und lenkte nun die Aufmerksamkeit von Alvin und mir auf sich. Was hatte sie vor?

Alvin gab ein lautes und fürchterliches Knurren von sich, was nur so brodelte vor Wut. „Ich hätte wissen müssen, dass deine kleinen schwachen Freunde sich nicht raushalten können", knurrte er und ging in großen kräftigen Schritten auf die junge Frau zu. Sie war sehr klein und zierlich, was mir Sorgen bereitete, dass sie vielleicht gar keine Chance gegen Alvin haben könnte.

Während Alvin auf sie zu ging, raste ich schnell zu Oliver, der noch immer am Boden lag und versuchte sich aus den Fesseln zu befreien. Ich zögerte nicht lang und griff nach dem fallengelassenen Messer, um ihn befreien zu können.

Nachdem er seine Gliedmaßen wieder alle ohne weitere Probleme bewegen konnte, stand er auf, fokussierte mich mit einem dringlichen Blick und sagte leise, aber dennoch bestimmend: „Bring dich in Sicherheit. Wir regeln das." Völlig perplex blieb ich wie angewurzelt stehen, als er einfach so lossprintete und sich ohne Weiteres vom Hausdach fallen ließ.

Mit einem lauten Schrei hechtete ich in seine Richtung. Ich dachte gar nicht daran, von hier zu verschwinden. Auf keinen Fall würde ich Oliver allein hier mit Alvin zurücklassen. Alvin war noch immer in einen Kampf mit der jungen Unbekannten verwickelt und schenkte dem Verschwinden von Oliver keinerlei Beachtung.

Schnell streckte ich meinen Kopf über den Abgrund, konnte Oliver jedoch nirgends erkennen. Laute Schüsse lenkten meine Aufmerksamkeit wieder auf das Kampfgeschehen am anderen Ende des Daches. Ein maskierter Mann hatte sich nun ebenfalls eingemischt. Er war groß und vor allem sehr kräftig gebaut. Auf seinem Kopf trug er eine Art Helm und in seiner Hand hielt er eine Pistole, die er in den Himmel gerichtet hatte.

Alvin und die Frau hielten für einen Moment inne. Während Alvin abgelenkt war, nutzte sie die Gelegenheit, sich ebenfalls vom Dach zu stürzen. Was um alles in der Welt ging hier gerade ab?

„Ah ... Wie ich sehe hat Oliver alle seine Freunde mobilisiert", lachte Alvin. Er wirkte noch immer gefasst und unbesiegbar, aber in seinem Gesicht zeigten sich schon deutlich die Spuren des Kampfes. „Wen hat er noch alles engagiert, um mich zu ‚besiegen'?" Spöttisch kam er auf den Mann zu gelaufen, der sich keinen Zentimeter rührte.

Dann kamen auf einmal die Frau und Oliver aus zwei verschiedenen Richtungen von den umliegenden Gebäuden gesprungen und umzingelten Alvin von allen Seiten.

Während der schwarz gekleidete Mann seine Waffe auf ihn gerichtet hatten, hatten Oliver und die Frau ihre Bogen bis zum Anschlag gespannt. Sie umkreisten ihn.

„Alvin es ist vorbei!", schrie Oliver in einer besonders tiefen Stimme über das komplette Dach. Der Umzingelte geriet für einen Moment in einen unsicheren Zustand. Das hatte Alvin wahrscheinlich nicht kommen sehen. Ich erkannte es in seinen Augen. Er wusste nicht weiter. Oliver und seine Mitstreiter kamen ihm immer näher. Alvin drehte sich hektisch in alle Richtungen. Dann fokussierte er sich plötzlich auf Oliver, der fast genau vor ihm stand.

„Glaub ja nicht, dass es hier schon vorbei ist", sagte er in einer drohenden Stimmlage. Kaum hatte er fertig gesprochen, drehte er sich blitzschnell um und rannte Richtung Abgrund. Sofort schossen die beiden Pfeile los und ein Schuss aus der Pistole löste sich. Alles erwischte Alvin und für einen kurzen Moment konnte ich erleichtert ausatmen in der Hoffnung, dass es jetzt endlich vorbei war, aber da hatte ich mich getäuscht.

In einer einfachen und schnellen Bewegung hatte Alvin noch im Laufen sich die beiden Pfeile aus der Schulter gezogen. Die Schusswunde, die ihm am unteren Bein getroffen hatte, schien ihn jedoch nicht weiter zu kümmern. Schlicht gesagt: Die Waffen hatten keinerlei Chance gegen ihn.

Unbekümmert stürzte nun er sich dem Dach hinunter. Wären wir unter anderen Umständen hier, würde ich mich tatsächlich fragen, ob den hier keiner was von den Leuten mitbekam, die sich hier vom Dach stürzten.

Schnall rannten die Drei an die Kante, um ihren Feind erkennen zu können. Auch ich konnte mich endlich von meinem „Versteck" lösen und lief auf sie zu, um ebenfalls in den Abgrund zu blicken.

Jedoch war da nichts. Die Autos auf der Straße, die mehrere Meter unter und lag, fuhren alle ganz normal. Und nichts machte den Eindruck von einem toten Menschen, der gerade von einem hohen Gebäude gestürzt war.

Ich schaute noch eine gefühlte Ewigkeit hinunter. Erst eine Hand, die mich sanft an meinem Arm berührte und somit ein starkes Kribbeln in mir erwachte, holte mich wieder zurück in das Hier und Jetzt.

„Er ist weg", sagte Oliver leise und sah mir dabei mit einem intensiven Blick in die Augen, sodass man meinen könnte, er blickte direkt in meine verängstigte Seele.

Im Gegensatz zu mir schien er nun die Ruhe selbst. Während ich vor Angst zitterte, stand er ruhig und fest da. „Es ist erst einmal vorbei, Feya", flüsterte er nun leise und zog meinen Körper sanft an seinen. Als ich seinen intensiven Geruch wahrnehmen konnte, begann ich mich allmählich zu entspannen.

„Ja, ‚erst einmal'", wiederholte ich skeptisch seine Worte so leise, dass es keiner hören konnte. Denn ich war mir mehr als nur sicher, dass wir schon bald wieder von Alvin hören würden.

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