Kapitel 10 - Abschied

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Langsam floss der Tropfen an der Scheibe hinunter, wurde immer schneller während er andere mit sich riss und verschwand schließlich aus meinem Blickfeld. Nach ihm der nächste, der übernächste und immer so weiter. Ein endloser Lauf.
Der Regen hatte wieder eingesetzt und prasselte nun schon seit Stunden auf das Anwesen nieder. Der Himmel war eine einzige Brühe aus dicken, grauen Wolken. Kein Licht der aufgehenden Sonne drang hindurch und alles war in einer nächtlichen Dunkelheit gefangen. Das Bett knarrte bei der kleinsten Bewegung und durchbrach die Stille so dass ich Angst hatte das gesamte Haus aufzuwecken. Ich zog die Decke weiter zu mir nach oben, bedeckte Mund und Nase und wendete den Blick vom Fenster ab. Doch an schlafen war nicht zu denken und ich wälzte mich von einer Seite auf die andere. Ich versuchte vergeblich einzuschlafen doch die Last von Reijis Worten klebte wie ein alter Kaugummi in meinem Kopf fest. Ich seufzte tief. Nur noch vier Tage, nur noch diese winzig kleine Zeit lang würde ich hier sein. Und dann? Was kommt dann, wie soll es weitergehen? All das hängt an mir und droht mich zu ersticken.
Was wird aus Shu und mir wenn ich nicht mehr hier bin?
Wird er mich einfach vergessen, aus seinem Kopf verbannen und so tun als wäre nie etwas geschehen?
Oder wird er im jeden Preis versuchen mich zurückzuholen?
Je mehr ich darüber nachdachte desto schlimmer wurde es. Auf der einen Seite wollte ich Shu unter keinen Umständen verlassen aber andererseits gibt es auch auch noch die andern fünf und von ihnen fort zu sein war eines der schönsten Vorstellungen die ich hatte. Aber wohin soll ich, im Heim werde ich nicht mehr lange bleiben können auch wenn es kein schlechter Ort ist wie viele immer denken, aber ich bin langsam Erwachsen und muss lernen auf eigenen Beinen zu stehen, einen Job finden. Ein normaler Bürger wie jeder andere werden. Doch was genau ich möchte, ist mir selbst noch ungewiss. Nur eine Sache war mir wirklich klar. Egal was auch passiert ich möchte immer mit Shu zusammen bleiben.
Dieser Gedanke beruhigte mich etwas und ich schaffte es endlich in einen unruhigen Schlaf zu fallen.

Seine Arme schlossen sich um mich, drückten mich beruhigend an ihn. Ich tat dasselbe. Seine Wärme durchströmt meinen Körper und ließ mein Herz schneller schlagen. Ich vergrub mein Gesicht in seinem Hemd. Und dann floss die erste Träne.

Reiji hatte es eben beim Frühstück verkündet, sein Ton war dabei fröhlichee gewesen als sonst, als wäre es ihm recht das ich nicht länger bleibe und alles durcheinander bringe. Laito hatte mir nur einen traurigen Blick zugeworfen. Ob er Shu meinte oder mein Blut wusste ich nicht. Kanato hatte Teddy traurig von der Nachricht erzählt, die anderen murmelte nur ihren Kommentar dazu. Es schien ihnen allen, Shu ausgenommen, egal zu sein. Schließlich war ich kein Mädchen das bei allem um Gnade winselte, bei dem es Spaß machte in ihre verängstigt Augen zu sehen. Doch ich hörte kaum zu und stach mit der Gabel das Eigelb des Spiegelei auf. Die gelbe Flüssigkeit breitete sich langsam über den ganzen Teller aus, bis mein Brötchen durchweicht war. Obwohl ich seit gestern nichts richtiges mehr gegessen hatte bekam ich trotzdem nichts herunter.
Alle Blicke waren nun auf Shu gerichtet, der bis jetzt keinen Ton gesagt hatte. Er saß wie erstarrt auf seinem Stuhl. Er verharrte in seinen Bewegungen, blickte Reiji ungläubig an und bat ihn dann das eben gesagte zu wiederholen. Seine Stimme war leise und rau. Als er Begriff das es ernst war blickte er endlich zu mir hinüber. Doch ich erwiederte nicht, zu groß war meine Angst seinen Blick zu sehen sondern starrte wie festgewachsen auf die Tischdecke. Ich konnte es einfach nicht ertragen seinen traurigen Blick zu sehen. Seine blauen Augen die immer schimmern während er mich ansah waren nun bestimmt trübe. Es war gespenstisch still. Die Blicke hafteten abwechseln an mir und Shu. Schließlich nickte er daraufhin nur stumm und erhob sich. Er blickt noch kurz abfällig zu den anderen bevor er den Raum verließ. Sein unangerührter Teller blieb zurück. Das Zufallen der Tür hallte durch die Totenstille im Raum. Als die anderen sich schließlich nacheinander zurückzogen erhob auch ich mich und ging eilig zum Musikzimmer. Ich wollte ihn sehen, ihn umarmen, seinen süßen Duft einatmen und einfach nur bei ihm sein. Doch als ich die Tür aufstieß war der Raum dahinter verlassen. Der Flügel stand einsam in der Ecke. Die Rollläden waren zugezogen. Eigendlich hatte ich ihn hier erwartet. Ich suchte lange nach ihm, bevor ich ihn in meinem Zimmer fand.
Er stand draußen auf dem Balkon und starrte in Richtung Mond, der heute Nacht jedoch von Wolken verdeckt war. Obwohl der Winter bereits dem Ende entgegen ging und die Frühblüher ihre Köpfe aus dem Boden recken war es kalt. Er bemerkte mich, sein Blick traf meinen. Für einen Moment wusste keiner wie er reagieren sollte. Schließlich seufzte er kurz und öffnete seine Arme. Ohne zu zögern ließ ich mich hineinfallen. Er war trotz der Temperaturen angenehm warm. Sein fester Griff gab mir Halt. Und dann liefen sie hinunter. Ich konnte es nicht länger aushalten. Seit langer Zeit hatte ich sie nicht gebraucht doch jetzt ran die warme Flüssigkeit aus meinen Augen, sorgte für eine verschwommen Sicht und wärmte meine eisige Haut. Aus meiner Kehle drang ein wehmütiges schluchzen. Ich krampfte meine Finger noch enger in sein Hemd. Es war mir zwar peinlich vor ihm zu weinen doch das war mir egal.
"Ich will dich nicht verlassen. Ich will bei dir bleiben. Es war doch grade alles gut geworden." meine Stimme war brüchig. Er nahm meinen Kopf in seine Hände. Mein Tränenverschmierzes Gesicht musste schrecklich aussehen. Doch er wischte sie beiseite.
"Beruhige dich, wir werden eine Lösung finden." egal wie sehr er sich auch bemühte, er konnte seine Unsicherheit nicht verbergen. Offenbar hatte er es selbst bemerkt den er versuchte verzweifelt die richtigen Worte zu finden. Doch dies gelang ihm nicht. Er nahm meine Hand und zog mich zurück nach drin. Dort ließ er mich sanft aufs Bett sinken. Ich zog die Knie zu mir heran und vergrub meinen Kopf. Mir war plötzlich ganz heiß geworden. Vielleicht lag es an ihm der mit seiner großen Hand liebevoll über meinen Hinterkopf fuhr.
"Ich verspreche dir, ich werde einen Weg finden wie wir zusammenbleiben können. Koste es was es wolle." seine aufmunternden Worte beruhigen mich, ich hob meinen Kopf und blickte ihn an. Ein leichtes Lächeln umspielt seine Lippen und ich verspürte das Verlangen ihn zu küssen. Glücklicherweise nahm er mir die Entscheidung ob ich es tun sollte ab. Er umfasste meinen Arm und zog mich zu ihm. Seine Hand legte er in meinen Nacken. Sie war kalt und jagten mir einen angenehmen Schauer über den Rücken. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Sein Gesicht kam immer Nähr. Der süßlich Duft seiner Haare umnebelten mich. Seine meerblauen Augen waren auf mich gerichtet. Und wieder einmal wurde mir bewusst wie sehr ich diesen Mann mehr als alles andere auf der Welt liebte. Ich schloss meine Augen, und dann berührten sie sich. Erst ganz zarte dann komplett. Ein Stückchen öffnete ich meine Lieder, sah wie seine Augen genussvoll geschlossen waren doch sich im nächsten Moment öffneten. Wir lösten uns allerdings nicht weit. Er lächelte mich an und plötzlich sank mein Oberkörper bis auf die Matratze. Er hing über mir, sein Körper verdeckte das Licht und ließ ihn wie eine Silhouette erscheinen.
"Hiro, ich liebe dich." flüsterte er und dann passierte es. Seine Zunge durchbrach bei der nächsten Berührung meine Lippen und suchte sich ihren Weg hinein. Ich ließ ihn gewähren. Die Angst davor war vorher immer zu groß gewesen doch jetzt brauchte ich seine Zuneigung am meisten. Ich war überrascht wie schön und zugleich merkwürdig dieses Gefühl war. Irgendwie seltsam angenehm und warm. Unsere Zungen umschlungen sich in einem Gefächt um die Oberhand. Ich verlor und gab mich ihm hin bis uns beiden die Luft ausging. Leicht keuchend lächelte ich ihn an. Mit seinem Daumen fuhr er meine Lippe entlang und wischte einen kleinen Speichelrest beiseite.
"Du bist so unheimlich süß wenn du nervös bist." sagte er und ich spürte wie mein Gesicht bis über die Ohren errötet.
"Ich…also das…war toll." stammelte ich vor mich hin. Er begann zu lachen und ließ sich neben mich auf die Matratze fallen.
"Mach dir keine Sorgen, es wird alles gut werden. Ich liebe dich und daran wird sich nichts ändern. Es gibt für mich nichts schöneres als zu wissen das du bei mir bist."
Ich lachte leise und erhob mich. Meine Knie waren ganz weich und fast wäre ich gefallen. Ich streckte mich ausgiebig und sah dann traurig zum Fenster. Doch bevor mich mein Kummer wieder einholen konnte spürte ich seine Hand auf meiner Schulter. Er beugte sich vor bis sein Kopf direkt neben mir war.
"Ich hab eine tolle Idee die uns ablenken wird, du wirst sehen." sagte er bestimmend und im nächsten Moment waren wir nicht mehr in meinem Zimmer.

Diabolik Lovers - Der Stich der blauen RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt