Seven

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Harry

Ich wurde aus Leila nicht ganz schlau. Sie war gestern und heute morgen so offen und auch frech gewesen, doch jetzt war sie total schüchtern.

Sie schien sehr eingeschüchtert durch meine Autorität und insgesamt heute etwas durcheinander. Es hatte auf dem Weg zum Raum angefangen. Sie hatte kein Wort mehr gesagt und schien sich ab da ein bisschen zurückzuziehen. Seitdem hatte sie mich auch in der Klasse nicht einmal mehr angesehen. Naja, bis jetzt. Bis sie mich mit ihren wunderschönen Augen ansah, als hätte sie Angst vor mir, und gleichzeitig sah ich Verwirrung in ihren Augen.

Das verwirrte mich noch mehr. Hatte ich denn auf dem Flur irgendwas gesagt? War sie traurig, wegen dem, was ich mit dem bestechen gesagt hatte? Aber ich hatte es doch erklärt!

Ich beobachtete alles sehr kritisch und ließ mir meine Verwirrung nicht anmerken. Doch ich sah immer wieder zu Leila, die nun auf ihrem Block herum zeichnet, damit sie nicht mehr ans Handy geht.

Ich führte meinen Unterricht wie gewöhnlich fort und versuchte Leila nicht mehr groß zu beachten. Hier ging es erstmal darum dem Rest des Kurses einen guten Matheunterricht zu bieten und mich nicht von Leila ablenken zu lassen.

Nachdem die Stunde um war, zeichnete Leila einfach weiter und schien nichts davon zu merken, dass alle Anderen ihre Sachen packten und gingen. Ich blieb am Pult stehen und packte auch meine Sachen. Als ich damit fertig war, beobachtete ich sie und ging ganz langsam auf sie zu, um sie nicht zu erschrecken. Ich wüsste zu gerne, was sie in meinem Unterricht immerzu zeichnete. Wenn ihre Aufmerksamkeit schon nicht mir oder dem Unterricht galt, wollte ich es wenigstens wissen.

Je näher ich kam, desto besser erkannte ich auf ihrem Block das Klassenzimmer aus ihrem Blickfeld. Es war unheimlich genau gezeichnet. Jeder kleiner Kratzer auf der Wand war zu erkennen. Es waren Tische und ihre Mitschüler von hinten zu sehen und eine Person an der Tafel.

Sie zeichnete mich. Mich, wie ich auf dem Pult saß. Hinter mir an der Tafel standen Matheformeln und ich sah den Schülern beim Austeilen der Blätter zu.

Sie hatte wirklich Talent. Sie hatte jeden meiner Gesichtszüge genau gezeichnet und sogar die Vögel auf meinem Hemd waren zu erkennen.

Als ich direkt vor ihr stand verschränkte ich die Arme vor der Brust und lehnte mich am Tisch vor ihr an. Nun schien sie gemerkt zu haben, dass ich hier war und ich konnte sehen, wie sie rot wurde.

"Ich schätze es zwar sehr, wenn Schüler die Schule gerne mögen, aber wenn sie gar nicht mehr die Schule verlassen, sollte ich mir vielleicht sorgen machen." witzelte ich und musste Schmunzeln, als Leila mich mit verzerrtem Gesicht ansah und ihre Arme schützend über das Bild hielt.

"Außerdem hoffe ich, dass ich wenigstens in den anderen Fächern ihre Aufmerksamkeit habe. Das ist sonst schlecht für mein Ego." ich zog scharf die Luft ein und sie nickte schnell, was mich zum Lachen brachte.

"Was ist denn heute mit Ihnen los, Ms Baron? Hab ich ihnen die Sprache verschlagen?" Sie schüttelte den Kopf.

"Ja, ähm, nein. Natürlich nicht! Ich weiß auch nicht. Ich kann mich heute einfach nicht konzentrieren. Normalerweise hilft mir das Zeichnen dabei, aber heute irgendwie nicht." sie seufzte und packte ihre Sachen zusammen.

"Es tut mir wirklich leid." Sagte sie noch einmal und schulterte dann ihre Tasche, ehe sie auf ihren Plan sah.

Es war schon irgendwie süß, dass sie sich immer noch nicht zurecht fand und immer ihren Stundenplan in der Hand hielt.

Ich lief ihr langsam hinterher. "Ich kann mir gut vorstellen, dass sie mit dem Umzug noch viel zutun haben, aber wenn sie dann so in meinem Unterricht sitzen, kann ich nicht zulassen, dass sie damit weiter belastet werden."

The Teacher ||- H.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt