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Ich betrachtete meinen bordeauxfarbenen Nagellack, während ich stillschweigend an dem kleinen Tisch im Café saß und auf Ronnie wartete. Ich war mehr als überpünktlich und es waren noch etwa 10 Minuten Zeit.
Er hatte mir am nächsten Tag geschrieben und gefragt, ob ich Donnerstag Zeit hätte. Ich hab natürlich mit 'Ja' geantwortet, obwohl ich eigentlich mit Tanya verabredet gewesen wäre. Ich ließ mir eine Ausrede einfallen und versprach, dass wir es definitiv nachholen würden.
Sie war zwar traurig, aber hatte es verstanden.

Nachdem der Kellner mit meinem Kaffee kam, ließ ich meinen Blick über das nur spärlich besetzte Café wandern. Nur an 2 anderen Tischen saßen Menschen, die sich ruhig plaudernd unterhielten. Ich konnte nichts verstehen und das wollte ich eigentlich auch gar nicht, denn meine Gedanken waren so aufgewühlt, dass Konzentration für etwas anderes außer Ronnie nicht zu meistern war. Eigentlich war das Ganze auch bescheuert. Ich traf mich mit dem Ehemann meiner Lehrerin, um warum auch immer, darüber zu sprechen, wie bei einem Psychiater, was eigentlich genau passiert war. Als ob ich das wüsste. Ich hab sie geküsst. Ich fühlte 1000 Dinge, nur nichts was Sinn ergab, ich hasste mich dafür und ja, auch sonst war alles super.
Ich ging das Gespräch in meinem Kopf durch. Wahrscheinlich würde er mir sagen, dass er mich nie wieder bei ihnen sehen will, in seiner charmant-freundlichen Art und dann würde ich heulend heim fahren und mich die ganzen Ferien unter einer Bettdecke verkriechen. Das war das wahrscheinlichste Szenario und ich versuchte mich langsam an den Gedanken zu gewöhnen, um nicht in Tränen auszubrechen, wenn er es mir gleich tatsächlich so sagen würde.

Gedankenverloren rührte ich in meinem Kaffee. Das dazugehörige Plätzchen hatte ich schon in mich reingestopft. Hunger war zwar seit Tagen ein Fremdwort für mich, aber die Teile waren doch unwiderstehlich.
Gerade als meine Gedanken das Plätzchenthema umkreisten, stieg ein bekannter Duft in meine Nase. Ich blickte auf. Keine 2 Meter entfernt stand Ronnie und war dabei seinen schicken dunkelbraunen Stoffmantel auszuziehen. Er wirkte wie immer konzentriert und sein Blick galt dem Kleidungsstück. Ich richtete mich verblüfft auf. Natürlich merkte er, dass meine Aufmerksamkeit nun voll und ganz auf ihm lag und er setzte sich auf den, mir gegenüber stehenden, Stuhl. Er sah mich an. Keiner von uns hatte bis jetzt etwas gesagt. Das war schon komisch, denn eigentlich begrüßte man sich ja freudig oder klopfte zumindest auf irgendwelche Tische. Langsam brachte ich ein "Hey." hervor. Ich hasste es, dass es mir so schwer fiel ihn zu lesen. Selbst Liz' Emotionen waren mir mittlerweile ein Begriff, aber er war immernoch ein Buch mit 7 Siegeln für mich. Wie sollte es auch anders sein. Ich kannte ihn nicht wirklich und wusste nur das, was Liz mir erzählt oder ich mir von selbst zusammen gereimt hatte. Und davon war vieles reine Spekulation.
"Hallo, Charlie." Seine warme männliche Stimme erfüllte die komische Atmosphäre um uns mit einer zufriedenstellenden Ruhe. Zu meiner Überraschung klang er weder aufgeregt, noch böse oder gar streng. Nein. Er lächelte sogar leicht, als er mich begrüßte. Ich musste Schlucken und war mir für eine Sekunde nicht sicher, ob es real war oder nur ein schäbiger Albtraum, aus dem ich hoffentlich gleich erwachen würde. Doch nichts passierte. Er sah mich ruhig an und schien anscheinend auf irgendwas von mir zu warten. Nach mehreren Sekunden begann dann aber doch er zu reden. "Wie gehst dir? Du siehst gestresst aus." "Öm ich.... naja ... ja bin ich. Irgendwie. Ich meine man redet nicht oft mi...mit..." mir versagte die Stimme. "Mir?" Er zog eine Augenbraue hoch und wirkte leicht amüsiert. Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich hatte mit einem Gewitter gerechnet und nicht mit schönen Tagen am Strand. "Ä... naja nein... mit dir im Bezug auf Ehemann von ... ihr." Was auch immer ich versuchte zu sagen, es klappte nur widerwillig. Er sah mich noch immer leicht lächelnd an und nickte dabei. "Mhhh." Dann griff er nach der Getränkekarte. "Wie ich sehe hast du schon gewählt. Ich denke ich nehme auch einen Kaffee." Ich nickte. "Entschuldige. Ich brauchte irgendetwas sonst wäre ich vor Aufregung um gegangen." Bei der Vorstellung musste auch ich etwas verlegen lächeln. Er sah zu mir. Sein Blick wurde langsam härter. Er schien genau darüber nachzudenken, was er sagen würde. "Du musst nicht aufgeregt sein, Charlie. Ich werde dich schon nicht vor versammelter Mannschaft auseinander reißen." Ich blickte wieder auf meine mittlerweile zur Hälfte gelehrte Kaffeetasse. "Ich würde es dir nicht verübeln." Prabbelte ich leise vor mir her. Er hatte das natürlich gehört. "Ja, womöglich hast du da recht." Ich sah leicht erschrocken auf. Warum auch immer gelang es mir heute nicht meine Emotionen zu unterdrücken. Ich stand gefühlt mal wieder nackt vorm Spiegel und nichts zum vertuschen war in Reichweite. "Aber warum sollte ich das tun? Es ist wie es ist. Passiert. Es ist passiert und keiner, nicht mal Elisabeth, kann da noch was dran ändern." Er zuckte leicht mit den Schultern, legte seine Stirn in Falten und verzog den Mund. Irgendwie war es beruhigend, dass er wusste, was Liz von der ganzen Situation halten würde, wenn sie nicht darin verwickelt gewesen wäre.

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