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Ich nahm das Stundenklingeln wie ein leichtes Rauschen wahr. Meine Halsschlagader pummte pochend Blut in meine fast eingefrorenen Gehirnzellen. Mein Blick hatte sich wie ein Blutegel an ihr festgesaugt und nicht mal Lena schaffte es mit einem Schlag gegen meine Schulter mich aus der Trance zuholen. "Gut, dann bleib halt hocken, du Granate." Sagte sie kopfschüttelnd und spazierte mit den anderen aus dem Raum.

Ich beobachtete, wie Liz in großen gleichmäßigen Bögen mit dem Schwamm über die Tafel ging und ihn dann mit einem zielsicheren Wurf im Waschbecken platzierte.
Mich traf das platschen des Schwammes wie ein Blitz und mit einem Schwung hiefte ich mich in die Höhe. "Du spielst ein unfaires Spiel, Elisabeth." Ich starrte sie noch immer an, gab mir aber auch Mühe meine Missmut über die ganze Sache, auch deutlich zu machen. Sie drehte sich um. Ihr Blick war starr. Sie trocknete sich ihre Hände an ihrer Schwarzen Hose ab, ohne ihre Augen von mir zu nehmen. "Ja. Aber zumindest spiele ich fairer als du." Ich nahm meinen Zettel und stapfte geraden Schrittes zu ihr an den Lehrertisch, wo ich mich ihr gegenüber platzierte. "Was soll das?" Ich knallte ihr ihn beinah schon auf die Tischplatte. "Ich habe keine Lust auf Scherze." Jetzt stützte sie sich auf dem Tisch ab und beugte sich zu mir. "Denkst du wirklich, dass ich scherze? Ich will nur mit dir reden. Und da es dir scheinbar schwer fällt mich auch nur anzusehen, klappt das anscheinend nur auf die neumodische Tour." "Ich will aber nicht reden." Zischte ich. "Aber schweigen kannst du auch nicht." Sie funkelte mich an. "Ich sehe doch, wie es dich innerlich zerreißt. Dir geht es wie mir. Nur das ich es klären will. Du anscheinend nicht." Jetzt stützte auch ich meine Arme auf die Tischplatte und beugte mich vor. Unsere Nasen trennten keine 10 cm. "Wie geht es dir denn damit? Mh? Ich sterbe bei jedem Gedanken an dich 1000 Tode und du stehst hier laberst deine Zeilen runter als wäre nichts passiert. Du willst es klären? Gut, klären wirs." Flüsterte ich schon beinah brüllend. Ihr Blick ließ nur für einen kurzen Moment Verwunderung durchscheinen, bevor sie sich wieder typisch unter Kontrolle hatte. "Komm zu mir. Heute Abend. 19 Uhr." Ich atmete aus und richtete mich auf. Diese Nähe zu ihr machte mich wahnsinnig. "Gut." Mehr brachte ich nicht hervor. Ich nahm meine Tasche, warf sie mir über die Schulter und ohne noch einmal zu ihr zu sehen, rannte ich aus dem Raum. Ich war gedanklich am Ende und konnte einfach nicht mehr. Ich brauchte Antworten auf alles und wusste, dass nur sie sie mir geben konnte. Es machte mich fertig.

Ich startete den Motor etwa 18:30 Uhr, blieb aber noch in der Hofeinfahrt stehen. Der Tag war eh schon zum Scheitern verurteilt gewesen, als ich heute morgen aufgestanden war. Und sie dann wirklich zu sehen, mit ihr zu reden machte das ganze noch unerträglicher. 'Klären'! Sie wollte es 'Klären'! So viel Aufopferung hätte ich von ihr nicht erwartet. Ich saß im Auto und spielte mit meinem Haustürschlüssel zwischen den Fingern. Eigentlich wollte ich nicht zu ihr fahren. Es würde eh nur im Drama enden. Sie würde sagen, dass die Schuld bei ihr liegt, dass wir uns einfach nicht mehr sehen sollten, dass alles gut wird. Gut. Gut! "Nichts wird mehr gut, Elisabeth." Raunte ich in die aufwärmende Kälte meines Autos.
Schlussendlich gab ich mir einen Ruck und fuhr aus der Hofeinfahrt.

Die Allee zog an mir vorbei. Mit jedem Baum, stieg der Drang in mir umzukehren. Aber ich konnte nicht. Unter tiefer Beschämung musste ich mir eingestehen, dass sie doch recht hatte mit ihrer Vermutung. Mir fiel es wirklich immer noch schwer, sie auch nur anzusehen. Zusätzlich wusste ich nicht ob der Rest ihrer Familie auch da war und das eines von den Gesprächen werden würde in denen man Schlussendlich doch zu nichts kam, außer grauenhaftem Schweigen.

Ich parkte wie immer und drückte die Klingel. Ich atmete noch einmal tief durch. Nicht viel später ging die Tür auf und häusliche Wärme drang in die Kälte des Abends vor, gefolgt von einer Eindruck hinterlassenen Liz. Sie hatte sich nochmal umgezogen, trug jetzt eine altrosa farbene Bluse und eine hellgraue Hose, aber immer noch ihr dezentes Makeup und die schwarze Brille. "Komm rein." Sie trat bei Seite, sodass ich eintreten konnte. Ich begann gleich meinen Mantel, der ironischer Weise zu ihrer Bluse passte, an die Garderobe zu hängen. Sie ging vor und ich folgte ihr. Keiner sagte etwas, ich vernahm nur ein lauter werdendes Gelächter aus dem Wohnzimmer. Sie ging sogleich Richtung Sofa und deutete mir mich zu ihr zusetzen. Im Fernsehen lief eine Talkshow und es brannten nur 3 kleine Lampen in der Ecke des Raumes, die aber völlig ausreichend waren, um den großen Wohnbereich zu erleuchten. "Ich hätte nie gedacht das du sowas guckst." Ich ging entgegen ihrer Deutung nicht zur Couch sondern lehnte mich an die mittige Küchenzeile mit Blick in ihre Richtung. Sie stand immernoch neben dem Sofa, betrachtete jetzt aber den Bildschirm. "Guck ich auch nicht. Ich brauchte nur irgendwas an Ablenkung." Sie sah zu mir. "Komm. Setz dich zu mir aufs Sofa." Sie sah mich fordernd an. Wie ich es hasste, dass sie immer die strenge Lehrerin raushängen lassen musste, wenn irgendwas ernst zu sein schien. Für einen kurzen Moment wollte ich meinen Kopf schütteln, unterließ dies jedoch und ging langsam zu ihr. "Ablenkung also. Bist du aufgeregt Elisabeth?" Mit einem herausfordernden Lächeln ließ ich mich am rechten äußersten Rand des Sofas fallen. Es war weich und bequem, gut geeignet für lange Abende mit Portwein und guter Küche. Für eine Sekunde überkam mich Melancholie. Wäre doch schön gewesen, wenn es wirklich hätte sein können. "Nein. Ich denke nur viel und manchmal sind Gedanken lauter als die Umgebung und das wollte ich vermeiden." Sie setzte sich auf die andere Seite und drehte sich halb zu mir. "Also Lissi. Was willst du klären? Nur den Kuss? Oder was?" Sie verzog keine Miene. "Wenn du mir jetzt eine "Das-darf-nicht-passieren-Predigt" hältst, geh ich auf der Stelle wieder." Es war mir wirklich wichtig dies klarzustellen. Das die ganze Sache, würde sie raus kommen, nicht wirklich gut für unsere beiden Images war, war uns beiden klar. "Oh Nein. Das will ich nicht." Sie sah Richtung TV und schaltete ihn aus.

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