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Ich hatte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, als ich auf den vollen Parkplatz vor der Galerie fuhr. Es war ein schöner Tag. Die Sonne lugte leicht zwischen den Wolken hervor und das Thermometer war, so der Wetterdienst, vorraussichtlich ein letztes Mal in den höheren Temperaturen. Ich trug eine hellrosafarbene Bluse und eine dunkelblaue Jeans, dazu die Kette und meine Haare offen, sodass sie in meinen natürlichen großen, dicken Wellen über meine Schultern bis beinah in die Mitte meines Oberkörpers fielen. Ich hatte mir meinen roten Trenchcoat gegriffen, aber sonst nur wenig Makeup aufgetragen.
Ich parkte auf einem der letzten freien Plätze. Sie hatte mir den Abend zuvor geschrieben und erklärt, wo ich sie treffen sollte: auf einer Parkbank am Eingang. Ich richtete im Seitenspiegel meine Bluse und den Kragen des Trenchcoats, bevor ich das Auto abschloss und langsam zu dem alten Gebäude herüber ging, das etwas erhöht über der Stadt lag und das eigentlich hauptsächlich als Gemeindezentrum diente. Der Ausblick von der Terrasse war bei schönem Wetter unbezahlbar und auch der Park, durch den ich den vergangenen Donnerstag mit Ronnie gegangen war, war von dort zu erkennen. Einige Kennzeichen an denen ich vorbei ging, waren mir unbekannt und ich staunte nicht schlecht, als ich einen neuen Tesla zwischen 2 VWs erkannte. 'Hoher Besuch' dachte ich mir und ging mit den Händen in den tiefen Manteltaschen an dem großen Eingangsgewölbe vorbei zu der Rasenfläche, auf der vereinzelt Bänke und Birken standen, welche jetzt, schon fast kahl, mehr traurig dünn wirkten, als dekorativ. Ich blieb am Rand des gepflasterten Bereichs stehen und überblickte das, was vor mir lag. Ich brauchte nicht lange, um sie auf einer der äußeren Bänke ausfindig zu machen. Sie saß mit dem Rücken zu mir, dennoch war ich mir 100% sicher, dass sie es war. Denn auch von hinten strahlte sie eine enorme Eleganz aus, die ich unter Tausenden wiedererkennen würde.

Langsam ging ich über die Grasfläche.
Aber als ich näher kam, blieb ich stehen. Sie saß nicht nur einfach auf der Bank und wartete, sondern las ein Buch. So weit ich erkennen konnte, einen dicken Schmöker mit rosèfarbenen Einband, daneben stand ihre Handtasche. Sie trug einen dunkelroten Fliesmantel, eine dunkle Hose und ihre rote Brille. Ich musste grinsen. Ohne es zu wissen, hatten wir uns beide für die Frabe rot in einer dunklen Kombination entschieden. Ich ging die letzten Schritte zu ihr und legte vorsichtig von hinten meine Hände auf die Lehne der Bank, sodass sie nicht erschrak. Sie fuhr trotzdem kurz zusammen und sah mich leicht irritiert an. "Oh, Charlie. Du hast mich erschreckt." Sie klappte das Buch zu und hatte es schneller wieder in der Tasche verstaut, als ich überhaupt etwas von dem Titel lesen konnte. Anscheinend war es ihr peinlich. Ich vermutete einen Liebesroman. Aus Erfahrung wusste ich, das Jane Austens 'Emma' etwa die Dicke hatte und es diesen Roman auch in einem ähnlichen Einband gab. Aber das war nur reine Spekulation. Ich selbst war kein begnadeter Leser und wenn, dann griff ich hauptsächlich zu Fantasy. Aber dieses kleine Detail über sie zu erfahren, brachte mein Herz zum hüpfen und mich zum grinsen. "Hey. Bitte entschuldige, dass wollte ich nicht." Ich machte einen entschuldigenden Gesichtsausdruck, während sie ihre Tasche nahm und aufstand. Sie war offensichtlich mehr geschminkt als sonst und ich musste mich stark zusammenreißen, um mir nicht auf die Unterlippe zu beißen. Sie sah wirklich gut aus. "Ok. Wollen wir?" Sie sah mich fragend an. Ich nickte. "Ja, gerne. Ich bin gespannt, was uns erwartet. Ich hab schon einige mir unbekannte Kennzeichen gesehen. Ich nehm an die Bude is voll." Über meine Wortwahl musste sie lachen. "Du musst bedenken, dass 'die Bude' auch etwas größer ist. Ich schätze uns kommt keiner in die Quere." Das Wort 'uns' brachte meine Gedanken zum klingeln und eine rosa Wolke schien sich um mich zu hüllen. Ich schwebte schon beinah neben ihr die wenigen Steinstufen zum Gewölbeeingang hinauf. Wir kauften uns Tickets und gingen durch die Sicherheitskontrolle. "Ich vergesse immer wie schön es hier ist." Flüsterte ich mehr zu mir selbst, als zu ihr, dennoch antwortete sie. "Ja, das Lichtspiel ist beeindruckend. Es ist ein wirklich gelungenes Bauwerk. Fast schon gemacht für solche Ausstellungen. Ich bin tatsächlich gerne hier." Sie sah nach oben, während sie sprach und betrachtete die wunderschön verzierte Decke. Das gesamte Gebäude war erst vor wenigen Monaten komplett renoviert worden und das jetzt die erste Ausstellung seit 2 Jahren. "Gehen wir weiter?" Fragte ich und sie nickte. "Ja selbstverständlich."

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