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Dieser Kuss nahm mir den letzten Rest Konzentration. Unsere Lippen konnten nicht genug von einander bekommen. Sie schmiegten sich so aneinander, als wäre es bestimmt gewesen und meine Hände gruben sich in ihre Haare, wie in weichen Samt. Mit einem Ruck löste sie sich von mir und begann wie wild zu atmen. Auch ich rang nach Sauerstoff, doch noch schneller als zuvor trafen sich unsere Lippen wieder und wieder und wieder, wie eine nicht endende Schleife, bis sie mich endgültig weg stieß und ihre Hände von meinem Mantelkragen löste.
"Aufhören! Wir müssen aufhören!" Entfuhr es ihr. "Hör auf!" Sie schien es mehr zu sich selbst zu schreien, als zu mir, bevor sie ans andere Ende der Bank rutschte. Ich atmete noch immer wild und ungleichmäßig. Meine Tränen klebten auf meinen Wangen und der mittlerweile kalte Wind fühlte sich an, wie 1000 Nadelstiche. "Verdammt." hörte ich mich stammeln. Mein Blick sprang wieder auf sie und auch ihr Blick bohrte sich in meine Augen. Wie ein Rausch glich das gesamte Szenario einem Actionstreifen. Nur spielte es in unseren Köpfen.
Langsam beruhigte sich alles.
Meine Atmung und auch die ihre wurden wieder sanfter und taktvoller. "Ich will, dass du weißt, das ich nie wieder so lieben werde, wie ich dich liebe. Nie wieder." Ich schrie es ihr beinah ins Gesicht. "Du bist die Liebe meines Lebens und ich bin für immer dankbar, Liz. Dankbar für das Uns und für alles, was du mir über mich selbst gelehrt hast. Für immer." Sie sah mich an und das erste Mal an diesem Tag begann sie zaghaft zu lächeln. Ich verstand erst nach einigen Sekunden, was ihr durch den Kopf ging. Doch dieses Lachen unter Tränen war alles, was wir gebraucht hatten. Sie und ich. Auch über meine Züge huschte erste Gelassenheit. Sie griff vorsichtig nach meiner Hand, die ich ihr begann entgegen zu strecken und das erste Mal seit langen, von einer Sekunde zur nächsten, einfach so, war wieder Frieden.

Sie musste nichts sagen. Ich verstand, denn ihre Augen sprachen Bände.
Diese Liebe, die wir fühlten, war so stark, dass nichts sie zerstören konnte. Genau in diesem Moment, in dem alles zerbrach, waren wir ehrlicher und beständiger, als je zuvor und wir beide wussten, dass es genau jetzt genau so, wie es war, gut war und egal wie lange es dauern sollte, bis wir wieder so vor einander standen, wir würden wissen, dass die gemeinsame Zeit uns stärker, einfühlsamer und verständnissvoller gemacht hatte und das nichts um sonst war. Keine Tränen, keine schlaflosen Nächte und keine genommene Zeit.
Das Schicksal hatte uns gut getan und dafür war sie, genauso wie ich, dankbar.

"Komm." Ihre Stimme war nun warm und stark und mit einer Bewegung standen wir. Ich löste meine Hand aus ihrem Griff, hakte mich bei ihr ein und genau so gingen wir langsam, aber Arm in Arm zurück zu den Autos auf den immernoch menschenleeren Parkplatz vor der Galerie.
Wir sagten kein Wort. Ich wollte die letzten Minuten in ihren Armen genießen, wie ich nie etwas genossen hatte. Ihr Parfüm, ihre Wärme, ihren Blick auf mir, so sanft und gleichzeitig so eindringlich. Auch als wir vor den Autos standen, lösten wir uns nicht voneinander. Wir schwiegen noch einige Sekunden, bevor sie langsam ihren Arm von meiner Hüfte nahm und ihre Hände um mein Gesicht legte. Es folgte der süßeste Kuss von allen süßen Küssen, die sie mir je gegeben hatte und ich erwiederte ihn vorsichtig. Danach strich sie mir lächelnd ein letztes Mal noch sanft mit ihrem Daumen über meine Lippen. "Du bist so besonders. Bitte versprich mir, dass niemals zu ändern, hörst du? Niemals." Ein letzter sanfter Kuss in der Kälte dieses so schwerwiegenden Tages. "Bis irgendwann, Charlie." Flüsterte Sie, drehte sich um, stieg in ihren Wagen und fuhr davon, mit einem letzten flüchtigen Blick. Ich sah ihr nach, bevor mein Blick für wenige Sekunden mein Spiegelbild im Fenster der Fahrertür meines Autos wahrnahm, wie es im Wind vor Energie und Theatralik zu beben schien, bevor auch ich, ohne festen Gedanken im Kopf, nur mit Ruhe, Frieden und so viel Liebe im Herzen, wie ich es nie zuvor gespührt hatte, nach Hause fuhr.

[An dieser Stelle folgt eine ABGEWANDELTE Form des Prologs. Ihr müsst also nicht nochmal zurück gehen.]

Die Zeit raste wie im Flug. Die Ferien gingen, andere kamen, ich befasste mich mit meiner Kanada-Idee, suchte eine Route, sah nach Flügen, schrieb Arbeiten, lernte für die Prüfungen und fand mich schlussendlich am letzten Schultag auf dem Dach meines Wagens sitzend wieder und starrte durch das offene Schiebedach auf die Uhr.
"Beweg deinen Hintern von der Karre und hol dir nen Drink und was vom Grill. Heute is Party angesagt!!" Tanya schlug mir auf den Oberschenkel und tanzte dann wieder zurück zu den Jungs am Grill. Wenn ich weg war, würde ich sie und ihre flippige Art definitiv vermissen.

Ihr Weg zu DirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt