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"Endlich geschafft. Jetzt raus hier. Ich hab keine Lust mehr. Los steh auf." Leonie drängte sich vor mir die Stuhlreihe entlang und verursachte so ein allgemeines Fluchen der vorletzten Bankreihe. "Is ja gut. Wir wollen hier auch endlich in die Ferien." Beruhigte Johanna sie, welche links neben mir auf der anderen Seite des Gangs schon dabei war ihre Jacke anzuziehen. Die Woche war trotz der Klausuren gut verlaufen und Liz hatte den Unterricht heute an diesem letzten Schultag im alten Jahr frühzeitig beendet und uns in die Ferien entlassen. Das erste Mal seit Ewigkeiten. Sie schien wirklich in die Ferien zu wollen, denn auch Liz hatte ihren Kram schon in ihrem Korb verstaut. Sie sah flüchtig zu mir und mit einem sanften Lächeln ging sie den anderen vorraus aus dem Raum. Niemand außer mir hatte es mitbekommen und obwohl es nur eine Kleinigkeit war, stillte es doch meine kleinen Sehnsüchte nach ihr, wenn auch nur für wenige Minuten.

Ich fuhr mit Lena nach Hause. Sie ließ mich am Bordstein aussteigen und wünschte mir frohe Weihnachten. Sie würde nicht zu Jonas' Party kommen. Lena fuhr lieber mit ihrem Freund über die Feiertage zu seiner restlichen Familie an die österreichische Grenze.
Ich schmiss meinen Rucksack in den Flur. Nur noch wenige Tage. Wenige Tage bis Liz und ich weit, weit weg von allem sein würden. Wärme stieg in mir auf und ich hatte Mühe, nicht einfach so breit loszugrinsen. Ich öffnete die Haustür und schmiss mich auf die Couch. Bis meine Eltern von der Arbeit kommen würden, würde es noch dauern und so begannen meine Weihnachtsferien mit einer Folge 'The Nanny'.
Mit Liz telefonierte ich abends.
Eigentlich hatte ich nie groß über unsere Telefonate nachgedacht. So skurril, wie sie manchmal auch waren. Vor allem am Anfang, als keiner von uns beiden wusste, wohin uns der Weg führen würde, zumal es mir immer noch nicht klar war. Aber an diesem schönen Dezemberfreitag war die Möglichkeit einfach mit ihr zu telefonieren, genau die komische Art von innerer Gelassenheit, die mein Kopf brauchte.
"Ich hab keine Ahnung, was ich alles brauche. Wirklich keine." Liz lachte am anderen Ende der Leitung. "Pack einfach das ein, was du immer einpackst." "Wow! Darauf wäre ich nie gekommen." Ich musste grinsen und in mir machte sich beruhigende Wärme breit. "Was sagt denn das Wetter? Brauch ich meinen Bikini?" Fragte ich mit einem herausfordernden Unterton. "Nur wenn du dann auch baden gehst." Versuchte sie zu kontern. "Nur wenn du deinen auch mitnimmst." "Du spinnst wohl!" "Ja, weißt du doch." Ich hörte, wie diesmal sie grinsen musste. Es gab mir eine Art Bestätigung, dass ich in der Lage war, sie zum Lächeln zu bringen und vor allem, dass sie es auch ohne Scheu zeigte. Wir schienen langsam in einer Spur zu treten, die zumindest einigermaßen eine Richtung hatte, obwohl ich immer noch nicht wusste, auf was uns unser Schicksal hinzuführen schien. Beinah wie ein Marathon im Dunkeln. Mal tastet man sich voran, mal rennt man so schnell es geht, mit Bangen, in der nächsten Sekunde nicht doch vor eine Wand zu laufen und das Tempo war auch stets unterschiedlich.
Wir verabschiedeten uns und ich legte mein Handy zur Seite. Alles in meinem Leben lief auf den Urlaub mit Liz hinaus. Meine Planung, meine Verabredungen, meine Ausreden und auch die kleinen Lügen, die ich dann und wann meinen Eltern oder Anderen auftischen musste, damit unsere kleine Blubberblase nicht zu zerplatzen drohte. Ich hasste die Heimlichkeiten, aber wusste auch, dass es nunmal nicht anders ging. Weder sie noch ich wollten, dass unsere Leben eine noch dramatischere Wendung nehmen und deshalb gab ich mich damit zufrieden, Liz zu küssen, wenn es 'sicher' war.
Im nächsten Moment vibrierte mein Handy und natürlich war es Tanya, die nochmal nachfragte, ob das mit der Party am 23. noch stand oder ob ich wieder davor war, alles zu verschieben. Doch diesmal hielt ich zu meiner Entscheidung. Ein letztes Mal in diesem Jahr einen Abend mit Freunden zu verbringen, war genau die Art von Ablenkung, die ich brauchte, bevor meine Gedanken und Gefühle wieder ganz bei Liz sein würden und diesmal konnte man echt sagen 'Bis ans Ende des Jahres'.

Die nächsten 2 Tage waren innerlich ok. Liz war natürlich ab und an in meinem Kopf, aber ich fand auch Zeit, letzte Geschenke für Oma und meine Mutter zu besorgen, denn bevor Silvester kam, war ja noch Weihnachten. Obwohl ich nie ein großer Fan von irgendwas Festlichem war, hatte mich spätestens am Tag der Party das Weihnachtsfeeling endlich auch mal erreicht.
Und während ich mit Kaffee und Müsliriegel am Esstisch saß, besprach ich mit Tanya den Plan für den Abend. Diesmal würde sie fahren, was mir die Gelegenheit gab, auch mal ein oder zwei Gläschen mehr zu trinken. Mein letztes Alkoholmassaker lag Monate zurück. Das eine oder andere Glas Wein zählte ich da natürlich nicht dazu. Eher die sommerlichen Grillparties in den Ferien oder die letzten Geburtstage. Obwohl ich ja schon so einige Gartenparties von Jonas und den anderen Jungs mitgemacht hatte, war ich stets doch ein bisschen aufgeregt. Wer würde da sein? Gab es neue Skandale? Oder einfach die Frage, ob es ein schöner 23.12. werden würde, machten mir die letzten Stunden, bevor Tanya mich abholte, dann doch zu schaffen.

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