Mein Leben wurde schon kurz nach meiner Geburt bestimmt. Abgelegt vor den Türen einer Kirche, ließ mich meine Mutter, mit nur einer Woche auf dieser Welt, zurück. Man brachte mich in ein Heim, wo festgestellt wurde, dass ich bereits mit 7 Tagen Opioid abhängig war. Ich überlebte nur knapp. Mein kleiner Körper war schwach und ausgelaugt. Man musste mir Medikamente verabreichen um mich von den Drogen runterzuholen.
Ich schrie nachts durch, zitterte und bekam Krampfanfälle. Die meisten Pflegefamilien waren ratlos und letztendlich überfordert.Als Kind wurde ich von einer Familie zur nächsten gereicht, um anschließend wieder im Kinderheim zu landen. Ich fühlte mich wertlos und ungewollt. Kinder kamen und gingen, wurden von liebevollen Paaren adoptiert. Nur ich blieb zurück. Jede Nacht weinte ich mich in den Schlaf. Verstand es nicht warum mich keiner wollte. Was war denn so anders an mir? Immer wieder blickte ich in den kleinen zersprungenen Spiegel im Zimmer in dem ich schlief.
Helle Grau-blaue Augen blicken mir entgegen. Eine süße kleine Stupsnase. Zottelige dunkelbraune Haare hingen über meinen Schultern und umrandeten mein rundes Gesicht. Ich verstand, mit meinen 6 Jahren nicht, was an mir anders war. Lag es an meiner schüchternen Art? Oder an den wenigen Sommersprossen über meiner Nase? Oder daran keine Freunde zu haben?
Mich machten diese vielen Fragen wütend. Wütend auf die Familien, wütend auf die Welt und besonders wütend auf meine Mutter die mir das angetan hatte. Ich schloss mein innerstes ein, damit niemand sehen konnte was in mir passiert. Ich zog mich zurück und ließ niemanden in meine Nähe. Die Pflegefamilien, die mich zu sich nahmen, dachten sie können mir helfen. Doch ich trieb sie in den Wahnsinn, nur um wieder in meinem Bett im Heim liegen zu dürfen. Der einzige Ort an dem ich mich ein wenig Zuhause fühlte.
Wenn man älter wird interessiert sich irgendwann niemand mehr für dich und du weißt, dass du nie die Chance auf eine Familie haben wirst.
In der Schule tat ich mich schwer. Ich fühlte mich als Außenseiterin und wurde von den meisten Gemieden. Niemand mochte das schüchterne seltsame Waisenmädchen. Es bildeten sich Cliquen um mich herum. Die Beliebten Sportler und die Cheerleader. Die Trendigen reichen Mädchen, die alles hatten. Die Begabten Nerds, mit ihren Einsern und Wissenschaftspreisen.
Doch ich fühlte mich nicht zugehörig. Wo passte ich auch schon rein?
Meine Noten wurden immer schlechter und ich verlor immer mehr den Anschluss am Schulstoff.
Im Heim konnte mir niemand richtig helfen und teilweise wollte ich sie auch nicht. Wer verstand mich schon?Ein kleines Mädchen, rannte mir immer hinterher. Sie war die einzige die ich an mich heranließ. Ihre Eltern kamen bei einem Autounfall ums Leben und seitdem ist sie bei uns.
Ich zeigte ihr meine Verstecke im Heim. Den vergessenen, baufälligen Schuppen hinten im Garten, wo ich mich so oft verkroch um nicht aufzufallen. Oft tröstete ich sie und es fühlte sich gut an, jemanden zu helfen. Es lenkte mich von meinen eigenen Problemen ab.Als ich 17 wurde, kam ein neuer Heimleiter. Er war noch sehr jung. Mitte Zwanzig schätzte ich. Er war anders als der alte Mr. Peterson. Mit seiner lässigen Art kam er gut bei den Kindern an. Seine blonden Haare waren kurz geschoren und unter seiner Brille hatte er blaue Augen. Er war schlank und groß gewachsen und irgendwie schwärmte ich heimlich für ihn. Jason Decker war freundlich und lächelte andauernd. Die meisten der Mädchen himmelten ihn an. Nur meine Freundin, Marie, mochte ihn nie. Sie meinte er sei falsch.
Damals war ich wütend auf sie. Ich dachte sie sei Eifersüchtig.
Meine Schwärmerei zog sich über ein ganzes Jahr, bis ich feststellte mich verliebt zu haben. Doch wer wollte schon mich, mit einem Miserablen gerade so bestandenen Zeugnis in der Hand.
Kurz nach meinem 18 Geburtstag wurde ich aus dem Waisenhaus geschmissen. Eine der Erzieherinnen, fand eine kleine Tüte mit Pillen unter meinem Kissen. Mrs. Stolle mochte mich noch nie und ich war mir ziemlich sicher, dass sie mir das anhängen wollte. Doch wer glaubte mir schon? Meine Mutter war Drogenabhängig. Warum ihre Tochter nicht auch?
Egal wie sehr ich es bestritt, dass es meine Tabletten waren, es half nichts. Mr. Decker waren die Hände gebunden, da sich im Waisenhaus schon die Geschichte herumgesprochen hatte.
Doch er ließ mich nicht ganz im Stich. Ich durfte vorübergehend bei ihm wohnen, wenn ich mich um seinen Haushalt kümmere. Das erste Mal verspürte ich so etwas wie Glück. Jemand glaubte an mich.
Wir kamen uns näher und irgendwann wurden wir ein Paar. Ich dachte, endlich Liebe zu spüren, was mir solange verwehrt wurde. Doch da irrte ich mich.
Nach dem Tag an dem ich ihm meine Jungfräulichkeit schenkte, änderte sich etwas in unserer Beziehung. Sein lächeln verschwand und er wurde immer unbeherrschter.
Es fing mit Kleinigkeiten an die ihn störten. Das essen war zu salzig, es wurde das falsche eingekauft, das Bad nicht ordentlich geputzt. Er machte mir immer Vorwürfe, dass dies doch meine einzigen Aufgaben wären und dass ich diese doch ordentlich erledigen sollte. Ich gab ihm recht, auch als er mich anschrie sein Lieblingshemd nicht gewaschen zu haben. Oder wie ein Loch in sein Shirt gekommen ist. Er hatte Recht. Es ist meine Aufgabe.
Er bezichtigte mich als unnütze und beschimpfte mich als dumme Schlampe. Ich entschuldigte mich und versöhnte ihn, indem ich ihm das gab was er wollte.
Sex.
Danach schien alles wieder gut. Er ging zur Arbeit, ich machte den Haushalt, ging einkaufen und kochte. Ich strengte mich an.
Perfektionierte jede Kleinigkeit, da ich ihn nicht wieder enttäuschen wollte. Doch Jason fand immer etwas, was ich nicht richtig gemacht hatte.
Es war wie ein Schleichender Prozess, den ich nicht aufhalten konnte, da ich ihn nicht wahrhaben wollte.
Als ich dann eines Tages für ihn kochte und vergaß, dass er Brokkoli nicht mochte, passierte es. Er holte aus und schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Während er mit rot verzogenem Gesicht vor mir stand und mich anbrüllte, überlegte ich bereits wie er mir wieder vergeben kann. Ich wollte nicht, dass er auf mich wütend war. Ich hatte ihn enttäuscht und ich ärgerte mich über meinen eigenen Fehler.An diesem Abend hatten wir Sex, doch er war anders. Ihn hatte es noch nie interessiert ob ich Lust hatte, oder wie er mir welche schenken konnte. Ich lernte Sex als Mittel kennen, meinen Partner wieder glücklich zu machen. Doch an diesem Abend, war es ihm auch egal wie weh er mir tat. Er war grob zu mir und beschimpfte mich immer wieder, während ich heulend unter ihm lag.
Als ich nachts neben ihm im Bett lag, ließen mich so einige Gedanken nicht schlafen. Jason war der erste der mich beachtet hat, der mich liebte. Das wollte ich nicht aufgeben. Ich hatte sonst nichts, außer ihn und seine liebe. Ich redete mir ein, dass das eine einmalige Sache war und dass diese ihm bestimmt morgen leidtun wird. Mit diesem Gedanken verbrachte ich die nächsten Wochen und Monate.
Nach jeder Schmerzenden Wange, nach jedem schmerzhaften Sex.
Es tut ihm leid. Es war das letzte Mal.
Irgendwann glaubte ich mir selbst und dass ich es verdient hatte so behandelt zu werden. Mit diesem Gedanken verging das Jahr wie im Fluge.Weihnachten kam und ging. Das neue Jahr wurde gefeiert. Die Bäume erblühten aufs Neue.
Jason wurde immer wütender und schon bald war es nicht mehr die flache Hand die meine Wange traf. Aufgeplatzte Lippen und geschwollene Augen zierten bald mein Gesicht. Geprellte Rippen, Blutergüsse am ganzen Körper und die permanente Angst etwas falsch zu machen, waren mein ständiger Begleiter. Jedes Mal, wenn er hart zuschlug, kümmerte er sich danach um meine Wunden und jedes Mal hatte ich das Gefühl, mich selbst verletzt zu haben. Doch wenn er so zärtlich zu mir war, fühlte es sich wie früher an. Als alles noch in Ordnung war. Ich blendete das Gefühl, dass die ganze Situation doch falsch ist, aus. Doch sobald meine Wunden heilten, fügte er mir neue hinzu.Oft trat er noch nach mir, wenn ich schon am Boden lag. Es war wie ein Alptraum der sich immer wiederholte. Wie eine Endlosschleife.
Er schlug mich, bis er keine Kraft mehr hatte. Er verarztet meine Wunden und der Alltag ging weiter.Jede Nacht weinte ich mich still in den Schlaf und betete, dass Jason wieder wie früher wurde.
Doch die Stimme in meinem Kopf, die ihn schützte und liebte, wurde immer leiser.
Bis sie eines Tages verstummte.
Bis ich eines Tages vor dem Spiegel stand und in meine toten Augen blickte. An dem Tag fragte ich mein Spiegelbild, wie es soweit kommen konnte. Wieso das Leben für mich nur Schmerz, Hass und Angst bereitgestellt hatte.War das mein Schicksal? Mein Leben?
Wie in einem Film, sah ich meine Zukunft im Spiegel. Meinen toten Körper, blutüberströmt in einer Mülltonne liegen. Ist es das wo mein Weg hinführt? Oder sollte ich endlich den Mut finden, mein Leben selbst zu bestimmen?An diesem Tag beschloss ich mein Schicksal nicht hin zu nehmen. Ich wollte nicht so leben. An diesem Tag verließ ich ihn, als er nicht zuhause war. Ich packte meine wenigen Habseligkeiten zusammen und setzte mich mit dem wenigen Geld was ich ihm geklaut hatte, in den Zug.
Egal wohin.Einfach nur weg von ihm. Raus aus dieser Stadt, in der Hoffnung er würde mich nie finden. Denn ich wusste, sollte Jason mich je finden, wäre das mein letzter Tag. Er würde mich töten und vielleicht begrüße ich ihn eines Tages sogar. Aber jetzt noch nicht. Ich wollte um einen Platz in dieser Welt kämpfen. Wollte raus aus diesem nicht endender Alptraum. Einer, der seit meiner Geburt begonnen hat.
Wollte raus aus dieser Welt aus Hass, Verachtung und vollkommener Dunkelheit. Ich wollte nur einmal dieses Licht sehen. Einmal etwas Glück im Leben. Einmal Hoffnung spüren. Hoffnung doch irgendwann geliebt zu werden. Hoffnung auf ein besseres Leben.Ich hoffe euch gefällt der Prolog.
Ich bin gerade in der Bearbeitungsphase, daher werden die Kapitel immer wieder neu hochgeladen. Also nicht wundern.
Lasst mir gerne ein Kommentar da und über jeden Vote wäre ich euch dankbar.
Grüße eure Ella🥰
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ZERRISSEN - Zwischen Angst und Liebe
Romance~Abgeschlossene Geschichte~ Noch nicht überarbeitet, daher verzeiht den ein oder anderen Fehler. ♥︎♥︎♥︎ 3. Platz Romantik Award ♥︎♥︎♥︎ Die schüchterne neunzehnjährige Emilia Schmidt hat es von Geburt an nicht leicht. Von ihrer drogenabhängigen Mutt...